Der ökonomische Blick

Kommt es zu einer neuen globalen Währungsordnung?

Ein Blick auf aktuelle Daten des IWF untermauert die Vormachtstellung des Dollars. Über die letzten Jahrzehnte ist der Anteil des US-Dollars als Reservewährung jedoch leicht zurückgegangen. 
Ein Blick auf aktuelle Daten des IWF untermauert die Vormachtstellung des Dollars. Über die letzten Jahrzehnte ist der Anteil des US-Dollars als Reservewährung jedoch leicht zurückgegangen. Reuters / Gary Cameron
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Die aktuelle Sanktionspolitik der USA und das Erstarken der BRICS-Staaten befeuern Spekulationen um eine neue multipolare Währungsordnung. Doch was sagen aktuelle Daten zur Rolle des Dollars und wie kann man den Status einer Leitwährung messen?

Im Laufe der Geschichte haben sich die internationalen Währungssysteme alle paar Jahrzehnte weiterentwickelt, vom Goldstandard zum Bretton-Woods-System und schließlich zum aktuellen System der flexiblen Wechselkurse mit dem US-Dollar als Leitwährung. Historisch betrachtet wäre es also an der Zeit für eine neue globale Währungsordnung. Die aktuelle Sanktionspolitik der USA und das Erstarken der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) befeuern Spekulationen in diese Richtung. Doch was sagen aktuelle Daten zur Rolle des Dollars und wie kann man den Status einer Leitwährung messen?

Welche Aufgaben erfüllt eine internationale Leitwährung?

Eine wesentliche Rolle einer erfolgreichen Währung ist ihre Fähigkeit als Wertspeicher. Eine Währung, die dahingehend hohes Vertrauen genießt, wird typischerweise von Zentralbanken als Teil ihrer Währungsreserven gehalten. Diese Reserven werden größtenteils in Form ausländischer Staatsanleihen und auf Konten bei ausländischen Zentralbanken gehalten.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse“-Redaktion entsprechen.

Ein Blick auf aktuelle Daten des IWF (Abbildung 1) untermauert die Vormachtstellung des Dollars, der ca. 60 Prozent der internationalen Währungsreserven ausmacht. Mit Respektabstand folgt der Euro; andere Währungen wie der Yen oder der Renminbi sind weit abgeschlagen. Über die letzten Jahrzehnte ist der Anteil des US-Dollars als Reservewährung leicht zurückgegangen. Einige Zentralbanken haben verstärkt in nicht-traditionelle Währungen wie den chinesischen Renminbi (CNY) diversifiziert (Arslanalp et al., 2022). Dieser Trend macht sich besonders nach der globalen Finanzkrise bemerkbar und ist auf eine höhere Risikostreuung der Notenbanken zurückzuführen. Ein Zusammenhang mit der aktuellen geopolitischen Lage ist nicht erkennbar. Das Einfrieren von rund der Hälfte der Reserven der russischen Zentralbank hat Spekulationen angeheizt, dass Länder aus dem Dollar in andere Währungen oder Anlageformen umsteigen könnten (EZB, 2023). Eine solche Anlageform wäre zum Beispiel Gold.

Abbildung 1a zeigt den Anteil ausgewählter Währungen an den Währungsreserven internationaler Notenbanken. Abbildung 1b zeigt den Anteil der Goldreserven der G7 und BRICS-Staaten an den globalen Goldreserven.
Abbildung 1a zeigt den Anteil ausgewählter Währungen an den Währungsreserven internationaler Notenbanken. Abbildung 1b zeigt den Anteil der Goldreserven der G7 und BRICS-Staaten an den globalen Goldreserven.Quelle: IWF

Abbildung 1b zeigt daher den Anteil der Goldbestände der G7- und BRICS-Länder an den gesamten Goldbeständen der Zentralbanken. Die Daten veranschaulichen, dass die G7-Länder ihre Goldbestände im Vergleich zum Rest der Welt verringert haben, allerdings ausgehend von einem hohen Niveau, insbesondere der Zentralbanken des Euroraums. Die BRICS-Länder, die im Vergleich zu den USA und dem Euroraum traditionell mehr Fremdwährungsreserven halten, haben hingegen ihre Goldreserven stetig ausgebaut. Bekanntlich zahlt Gold keine Zinsen, hat aber den Ruf ein ausgezeichnetes Wertaufbewahrungsmittel zu sein. Außerdem ist es immun gegen jegliche Sanktionspolitik. Das Ausmaß der Goldankäufe der BRICS-Staaten, insbesondere Russlands, dürfte in Wahrheit noch höher sein, da die Datenlieferung an den IWF auf freiwilliger Basis erfolgt (EZB, 2023).

Die globale Bedeutung einer Währung lässt sich auch an ihrer Verwendung im internationalen Handel messen. Ein Unternehmen, das Waren oder Dienstleistungen in einen großen Markt exportiert, verwendet meist die Währung, die auch von konkurrierenden Unternehmen verwendet wird. Exporteure in großen Volkswirtschaften stehen hauptsächlich mit inländischen Unternehmen im Wettbewerb. Es ist daher wenig verwunderlich, dass Unternehmen, die mit den USA Handel betreiben, ausschließlich den US-Dollar verwenden.

Ein ähnlicher Fall gilt für den Handel mit dem Euroraum, insbesondere mit benachbarten, nicht dem Euroraum angehörenden Ländern. Zu sagen, dass nur Exporteure, die in die USA verkaufen, den Dollar verwenden, wäre jedoch zu kurz gegriffen. Ein prominentes Beispiel ist das der Ölexporteure, die vorwiegend in US-Dollar fakturieren. Aber nicht nur diese verwenden den Dollar. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass rund die Hälfte der weltweiten Exporte in US-Dollar abgerechnet wird  (Gerding et al., 2023). Für bestimmte Regionen, wie den lateinamerikanischen und asiatisch-pazifischen Raum dürfte dieser Prozentsatz noch weit höher sein (Bertaut et al., 2023). Die Unternehmen profitieren von der globalen Akzeptanz des Dollars als Zahlungsmittel und den Investitionsmöglichkeiten, die der größte Finanzmarkt der Welt bietet. Oftmals wird der Handel durch Kredite vorfinanziert oder Unternehmen möchten sich gegenüber Wechselkursschwankungen mit Finanzprodukten absichern. Diese sind im Gegensatz zu exotischeren Währungen für den Dollar zahlreich vorhanden. All diese Argumente führen zu einem „Lock-in-Effekt“, der es auf längere Sicht unwahrscheinlich macht, dass eine andere Währung ernsthaft mit dem Dollar konkurrieren kann.

Kosten und Nutzen der Aufrechterhaltung des US-Dollars als Weltwährung  

Wenn Ökonomen internationale Zahlungsbilanzen analysieren, sprechen diese oft über die Finanzierung von Handelsdefiziten durch Investitionen aus dem Ausland. Ein Handelsdefizit entsteht, wenn ein Land mehr Waren und Dienstleistungen importiert als exportiert. Eine Interpretation ist, dass das Land „über seine Verhältnisse lebt“, da es mehr konsumiert als produziert. Der übermäßige Konsum muss finanziert werden, in diesem Fall durch Kredite aus dem Ausland. Der Status des US-Dollars erlaubt es der US-Wirtschaft, sehr günstig Kredite aufnehmen zu können, zumeist sogar in der eigenen Währung. Das unterscheidet die USA von anderen Ländern, die dieses „exorbitante“ Privileg nicht haben. Die Kehrseite davon ist, dass die USA weniger Druck haben, ihre ökonomischen Ungleichgewichte zu korrigieren. Andere Länder mit einem Leistungsbilanzdefizit müssen diese zu höheren Kosten finanzieren, was ihre Fähigkeit zur Anhäufung von Auslands- und Inlandsschulden sowie ihre Nachfrage nach Importen einschränkt. Dieser selbstkorrigierende Mechanismus fehlt in den USA, was potenziell zum Aufbau von Vermögensblasen und/oder einem starken Anstieg der Verschuldung führen kann.

Fakten und Gerüchte vom BRICS-Gipfel

Vor diesem Hintergrund fand im August in Südafrika der diesjährige Gipfel der BRICS-Staaten statt. Gerüchten zufolge würden die BRICS-Staaten eine neue gold- oder rohstoffgestützte Währung vorschlagen. Befürworter einer solchen Währung argumentieren, dass die globale Geldmenge und die Zentralbankbilanzen zu schnell gewachsen seien, ein Mitgrund für die derzeit in vielen Ländern herrschenden hohen Inflationsraten. Eine Währung, die an einen Rohstoffindex oder Goldpreis gebunden ist, kann im Gegensatz dazu nicht einfach vermehrt werden – eine Eigenschaft, die die Wertsicherung stützt.

Das Ergebnis des Gipfels war jedoch ein ganz anderes. Der Höhepunkt war die Vereinbarung, sechs neue Mitgliedsländer in die BRICS+ aufzunehmen: Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die alle im Januar 2024 offiziell beitreten. Der Hype um die Gerüchte über die Schaffung einer neuen Währung erwies sich allerdings als unbegründet. Die BRICS-Staaten verkündeten lediglich ihre Absicht, die Verwendung nationaler Währungen für den Handel zu erleichtern. Die jüngste Rupienöltransaktion zwischen Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten darf als ein erstes Signal an den Rest der Welt verstanden werden.

Ausblick und Schlussfolgerungen

Die Rolle des US-Dollar als Leitwährung ist weiterhin unangefochten: Der Dollar ist im Handel weit verbreitet und globale Investoren halten erhebliche Mengen an US-Dollar Vermögenswerten. Netzwerk- und Lock-in-Effekte sorgen dafür, dass sich dieser Status nur graduell und über einen längeren Zeitraum hinweg verändern kann. Eine signifikante Verschiebung der Währungsreserven aus dem Dollar in andere Währungen ist nicht erkennbar und geopolitische Beweggründe werden dies in naher Zukunft auch nicht ändern. Erstens fallen fast drei Viertel der ausländischen Bestände an US-Vermögenswerten auf Länder mit engen politischen Beziehungen zu den USA (Bertaut et al., 2023, Weiss, 2022), und zweitens werden die anderen prominenten Reservewährungen (z. B., der Euro, der japanische Yen und das britische Pfund) ebenfalls von Ländern mit engen Beziehungen zu den USA ausgegeben. Für Länder, die mit dem Ausstieg aus dem Dollar liebäugeln, fehlt es schlichtweg an Alternativen. Mittelfristig könnte der Dollar etwas an seiner Vormachtstellung einbüßen. Änderungen der Zahlungspräferenzen gegenüber privaten und institutionellen digitalen Währungen und neuen Zahlungsplattformen könnten die Zahlungslandschaft verändern. Ein Rückgang der Vormachtstellung des US-Dollars wäre allerdings nicht unbedingt schlecht für die US-Wirtschaft. Dies könnte zu einer nachhaltigeren Wachstums- und Handelspolitik führen, von der schlussendlich auch die Weltwirtschaft profitieren würde.

Die Autor:innen

Martin Feldkircher ist Professor für Internationale Wirtschaft an der Diplomatischen Akademie in Wien.

Viktoriya Teliha ist Studienassistentin für Internationale Wirtschaft an der Diplomatischen Akademie in Wien.

Referenzen

>> Eine englische Version dieses Beitrags in abgeänderter Form finden Sie hier

Arslanalp, S., Eichengreen, B., and Simpson-Bell, C. 2022. The Stealth Eroson of Dollar Dominance: Active Diversifiers and the Rise of Nontraditional Reserve Currencies. IMF WP/22/58, Washington DC: USA

>> Bertaut, Carol, Bastian von Beschwitz, Stephanie Curcuru. 2023. „The International Role of the U.S. Dollar“ Post-COVID Edition,“ FEDS Notes. Washington: Board of Governors of the Federal Reserve System.

>> ECB. 2023. The international role of the euro

>> Gerding, Felix and Hartley, Jonathan, De-Dollarization? Not So Fast (June 13, 2023).

Weiss, Colin. 2022. „Geopolitics and the U.S. Dollar‘s Future as a Reserve Currency“, International Financial Discussion Paper.

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