Brief von Babler

Nach Nehammer-Video: SPÖ wirbt um christlich-soziale Wähler

Andreas Babler will der ÖVP Stimmen abspenstig machen.
Andreas Babler will der ÖVP Stimmen abspenstig machen. APA / Helmut Fohringer
  • Drucken

Babler schrieb einen Brief an die Wählergruppe. Eine Grüne Abgeordnete Neßler kritisiert das Video scharf. Auf Tiktok trendet das „Kanzlermenü“.

Die SPÖ fischt nach dem Auftauchen des Videos von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in türkisen Gewässern und wirbt um die „verbliebenen Christlich-Sozialen in der ÖVP“. In einen der APA vorliegenden Brief von Parteichef Andreas Babler an diese Wählergruppe heißt es: „Gehen Sie ein Stück des Weges mit uns. Engagieren wir uns gemeinsam für eine Politik, die auf Solidarität setzt - auf Nächstenliebe - für eine Politik, die Menschen zusammenbringt.“

Die Christlich-Sozialen in der ÖVP hätten „in der Vergangenheit viel ertragen müssen“ ist sich Babler in dem Schreiben sicher und weiter: „Ihre Partei hat in schwarz-blauen Koalitionen auf das vergessen, was ich als Sozialdemokrat Solidarität nenne und Sie christliche Nächstenliebe.“ Die Türkisen hätten außerdem „den Wunsch nach dem Gemeinsamen und der Sorge füreinander aufgegeben“ sowie „die Großen aus der Verantwortung für die Kleinen genommen“.

Als Beispiele nennt die SPÖ etwa die Senkung der Steuern für Konzerne von einst 34 Prozent auf bald nur noch 23 Prozent, die angebliche Kürzung der Pensionen für alle sowie die Abschaffung der Hacklerregelung. Die ÖVP habe außerdem „das Miteinander in den Sozialversicherungen zerschlagen und unserem Gesundheitssystem eine Milliarde entzogen“. „Die ÖVP hat den ur-österreichischen Anspruch aufgegeben, dass wir einander nicht egal sind in Österreich, sondern aufeinander schauen“, meint Babler.

Im jüngst verbreiteten Video Nehammers, in dem er sich vor einer Gruppe von Funktionären zu in Teilzeit arbeitenden Frauen und zur Kinderarmut äußert, sieht Babler für die christlich-soziale Wählerschaft den „Tropfen, der das Fass für viele von Ihnen zum Überlaufen gebracht hat“. „Das haben sich die Österreicherinnen und Österreicher nicht verdient“, so der SPÖ-Chef. „Österreich sollte von einem Kanzler regiert werden, der die Menschen mag, sie respektiert und nicht verachtet.“

„Voller Verachtung“

Das Video von Bundeskanzler Nehammer hat am Samstag auch zu heftiger Kritik in den Reihen des grünen Koalitionspartners geführt. Die Äußerungen Nehammers seien „an Zynismus nicht zu überbieten“, der Kanzler habe „voller Verachtung und Realitätsferne“ über von Armut gefährdete Familien geredet, sagte die Tiroler Nationalratsabgeordnete Barbara Neßler im Rahmen einer grünen Bezirksversammlung in Innsbruck.

„Wir wissen, dass Kinder hungrig in die Schule kommen“, richtete die Kinder-, Jugend- und Familiensprecherin ihrer Partei dem ÖVP-Bundesparteiobmann unter anderem aus. Grünen-Vizekanzler Werner Kogler hatte am Freitag verhaltener reagiert: Als „unachtsame Aussagen, manche sagen: Parolen“ hatte er Nehammers Aussagen bezeichnet und gemeint: „Diese Aussagen waren natürlich schon weit weg von den Lebensrealitäten dieser Frauen.“

ÖVP: Jugendamt informieren

Auf die Kritik Neßlers reagierte wiederum die ÖVP. „Man muss Unterstützung bieten statt Wegschauen bei Härtefällen“, erwidert die Frauensprecherin der Volkspartei, Elisabeth Pfurtscheller am Samstagabend in einer Aussendung. „Wenn Barbara Neßler tatsächlich Fälle bekannt sind, in denen Kinder hungrig in die Schule geschickt werden und Eltern ihre Fürsorgepflicht verletzen, fordere ich sie dazu auf, diesen Kindern zu helfen, indem das Jugendamt von diesen Fällen informiert wird. Denn Kinder verwahrlosen zu lassen, ist definitiv kein Kavaliersdelikt.“ Österreich sei ein wohlhabendes Land „mit einem starken Sozialstaat, der alle Menschen, die selbst nicht ausreichend haben, auffängt“.

„Kanzlermenü“ trendet auf Tiktok

Im Netz sorgt das Video von Nehammer weiterhin für Kritik. Auf der Social-Media-Plattform Tiktok hat sich in den letzten Tagen ein gewisser Trend herausgebildet. So haben User begonnen, Videos von sich zu posten, die zeigen, wie sie bei McDonalds ein „Kanzlermenü“ bestellen. Die witzigen Videos verbinden viele mit einer Kritik an den Aussagen des Kanzlers. Die Netzexpertin Ingrid Brodnig meinte dazu auf der Plattform X: „Man sieht, dass jetzt auch TikToks das Thema in die Breite hinaustragen.“ So gelange das Thema in eine Bevölkerungsschicht, die klassische Innenpolitik-Berichterstattung nicht verfolgen würden.

(APA/red)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.