Kommentar

Victoria Beckhams Märchen von der Arbeiterklasse

Das Internet amüsiert sich über Victoria Beckhams Sager.
Das Internet amüsiert sich über Victoria Beckhams Sager. Netflix
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Statt ein möglichst sympathisches Narrativ zu bedienen, sollten sich Prominente und Kunstschaffende zu ihren Privilegien bekennen. Zum Anwalts-Papa etwa.

Derzeit macht in den sozialen Medien ein Clip von den Beckhams die Runde. Von Modemacherin Victoria und ihrem Ehemann, der Fußballlegende David. Es ist eine Szene, aus der neuen Netflix-Doku „Beckham“, die einen Blick ins persönliche Leben der Familie gewährt. Victoria sitzt auf der Couch, erzählt von ihrer Jugend, von ihrer Herkunft aus der Arbeiterklasse. Als David sie unterbricht: „Sei ehrlich“ - „Ich bin ehrlich“ - „In welchem Auto hat dich dein Vater zur Schule gefahren?“

Spoiler, es war ein Rolls Royce. Nicht unbedingt das Standardgefährt des Proletariats. (Ihr Spitzname zu Spice-Girl-Zeiten, „Posh“, kam ja nicht von ungefähr). Für Meme-Seiten und Kommentarspalten wahrlich ein gefundenes Fressen. Erzählt sich die Geschichte eines Arbeiterinnenkindes eben besser als die eines Nepo-Babys, eines Kindes der Reichen und Schönen. In der Kunst- und Kulturszene ist es ein altbekanntes Mittel, interessanter daherzukommen, das eigene Talent zu akzentuieren. Keiner will reiche Eltern gehabt haben. Der Rapper verschweigt da gerne mal den Anwalts-Papa. Der Weg hierhin, der war ein harter.

Dabei tummeln sich in ebenjener Szene überwiegend Privilegierte. Proberäume, Ateliers, Training, Materialien, Instrumente – all das kostet Geld. Es fällt leichter, ein riskanteres Lebensmodell zu wählen und sich künstlerisch zu verwirklichen, wenn Mama und Papa als Mäzene dienen und man im schlimmsten Fall im familiären Netz weich aufgefangen wird.

Modisch und verbal gibt man – einmal aus dem Nest gehüpft – gern den Armen, das nennt sich Ästhetisierung der Arbeiterklasse. In Cargohose und Tanktop beschwert man sich über zu hohe Mieten, verschweigt dabei, dass Mama und Papa die zahlen. Längst haben sich Luxusmarken der Ästhetik verschrieben, Arbeiterhosen – oft dekonstruiert – kosten beim New Yorker Label Prps knapp 500 Dollar, bei Balenciaga das Vierfache.

Schon Marie Antoinette hat sich einst von der Porträtistin Élisabeth Vigée-Lebrun im Leiberl malen lassen, unter dem sie freilich ein Korsett trug. Es ist also wahrlich kein neues Phänomen, sich ärmer darzustellen, als man ist. Für das Hause Beckham ist es übrigens der zweite Fauxpas dahingehend. Vor genau einem Jahr hatte Sohn Brooklyn hämische Kommentare für einen gut gemeinten Rat geerntet: „Folge deiner Leidenschaft und mach, was dich glücklich macht.“ Das dürfte mit reichen Eltern wahrlich leichter sein.

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