Bericht zu den Vorwürfen

Rammstein-Sänger Lindemann verliert gegen die „Süddeutsche Zeitung“

Till Lindemann muss sich im Rechtsstreit gegen die „SZ“ geschlagen geben.
Till Lindemann muss sich im Rechtsstreit gegen die „SZ“ geschlagen geben. APA/AFP/Tobias Schwarz
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Das Landgericht Frankfurt hat die Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“ über Till Lindemann für zulässig erklärt und das Unterlassungsbegehren des Rammstein-Sängers zurückgewiesen.

Im August und September hatte der Rammstein-Sänger Till Lindemann einstweilige Verfügungen gegen Medienhäuser und einzelne Frauen erwirkt. Etwa gegen die YouTuberin Kayla Shyx wegen ihres Videos „Was wirklich bei Rammstein-Afterpartys passiert“ sowie gegen den „Spiegel“ und den ORF. Ihnen wurde vom Landgericht Hamburg untersagt, den Eindruck zu erwecken, Lindemann habe Frauen bewusst unter Drogen gesetzt oder gewalttätige Handlungen gegen deren Willen an ihnen vorgenommen.

Die Vorwürfe konnten vor Gericht nicht ausreichend belegt werden, hieß es. Im Falle des ORF begründete das Gericht die Entscheidung damit, dass Ort und Zeit des geschilderten Vorfalls nicht offengelegt worden seien. Der Rundfunk verwies auf Anonymität und Quellenschutz als seine oberste Priorität. Wiederholt ergibt sich daraus die Frage, ob Medien über Vorwürfe berichten dürfen, wenn es sich um eine „Aussage gegen Aussage“-Konstellation handelt.

Das Landgericht Frankfurt hat sich dieser Frage im Rechtsstreit des Rammstein-Sängers gegen die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) gewidmet. Dieser ist nun entschieden, berichtet die „SZ“. In der Urteilsbegründung vom 6. September (am Dienstag wurde diese der Zeitung zugestellt) heißt es, dass der „erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen“ auch gegeben sein kann, wenn es für die konkrete Situation nur eine Zeugin gibt. Sonst würde dies dem Gericht zufolge dazu führen, dass „über einen möglichen Vorfall wie den vorliegenden nie berichtet werden dürfte“. Konkret heißt das: Die „SZ“ darf in diesem Fall berichterstatten.

Im Artikel „Am Ende der Show“ hatte die Zeitung Anfang Juni in einer gemeinsamen Recherche mit dem NDR über mehrere Frauen berichtet, die Lindemann Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vorwerfen, und damit detailreich das sogenannte Casting-System beschrieben, mit dem vor und nach den Rammstein-Konzerten junge Frauen für den Sänger rekrutiert wurden.

Das System wird weder von Lindemann selbst noch von dessen Anwälten bestritten. Doch sah man durch den Artikel die Intimsphäre des Sängers verletzt: Die beschriebenen sexuellen Handlungen seien einvernehmlich gewesen und fielen damit in die Intimsphäre des Musikers, argumentieren die Anwälte. Zudem warfen sie den Medien vor, unausgewogen berichtet zu haben.

Unterlassungsbegehren zurückgewiesen

Das Landgericht Frankfurt hat an der Berichterstattung der deutschen Zeitung offenbar nichts auszusetzen, das Unterlassungsbegehren wies es in toto zurück. Das Casting-System sei von „überragendem öffentlichen Interesse“, zudem gehe es hierbei um Prävention. Auch betreffend der geschilderten Ereignisse: So könnten junge Frauen „in diesem Rahmen aufgrund ihrer Unerfahrenheit in Situationen geraten, in denen es zu sexuellen Handlungen kommt, aus denen sie sich aus Angst oder Scham oder einer erheblichen Alkohol- oder Drogenintoxikation nicht mehr herauszulösen vermögen“, heißt es in der Begründung des Urteils.

Die strengen Maßstäbe einer zulässigen Verdachtsberichterstattung sieht das Landgericht erfüllt, die „SZ“ konnte eidesstattliche Erklärungen von den mutmaßlich betroffenen Frauen vorlegen, darunter auch von Frauen, die einschlägige Erlebnisse beschrieben, ehe die Irin Shelby Lynn ihre Erfahrungen aus der „Row Zero“ schilderte und den Fall damit ins Rollen brachte.

Dem Urteil zufolge sei der Artikel ausgewogen, auch hätte Lindemann sowie die ganze Band – die übrigens schon 2024 wieder auf Europa-Tour geht – hinreichend Möglichkeiten zu einer Stellungnahme gehabt. Dass das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Sänger inzwischen eingestellt wurde, ändere nichts an der Zulässigkeit der Berichterstattung. Lindemanns Anwalt Simon Bergmann hat gegenüber dem Portal LTO bereits angekündigt, in Berufung gehen zu wollen. (red.)

>> Die „SZ“ in eigener Sache
>> Zum Bericht auf LTO

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