Gewalt an Frauen

EU-Zank über Bestrafung von Vergewaltigung

 EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli macht ein Selfie im EU-Parlament.
EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli macht ein Selfie im EU-Parlament.APA/AFP/POOL/JOHANNA GERON
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Im März 2022 legte die EU-Kommission eine Richtlinie zum Schutz vor Gewalt an Frauen vor, doch die Verhandlungen stecken fest.

Die nüchternen Zahlen zeigen das Ausmaß eines Problems, das in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor unter dem Radar läuft: 19 Frauen wurden seit Jahresbeginn in Österreich ermordet, in den meisten Fällen waren die Täter (Ex)-Partner oder Familienmitglieder. Zudem registrierten die Behörden 36 Fälle von Mordversuchen oder schwerer Gewalt. Jede dritte Frau ist hierzulande Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt, EU-weit betrifft dies 62 Millionen Frauen. Mehr als jede vierte sieht sich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgesetzt. Eine von 20 Frauen in Europa gibt an, vergewaltigt worden zu sein.

Grund genug also, den Druck für gemeinsame Maßnahmen auf EU-Ebene zu erhöhen. Bereits im März 2022 legte die EU-Kommission einen umfangreichen Vorschlag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vor: Die Richtlinie stellt Vergewaltigung auf der Grundlage fehlender Einwilligung, Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen sowie Cyber-Gewalt - also die nicht einvernehmliche Weitergabe von intimen Bildern, Cyber-Stalking, Cybermobbing sowie die Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet - unter Strafe.

„Ich möchte eine Gesellschaft, in der Gewalt gegen Frauen verhindert, verurteilt und verfolgt wird, wenn sie geschieht“, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen damals. Die neuen Vorschriften sollen laut Kommission den Zugang von Opfern zur Justiz verbessern. Auch „angemessener Schutz“ wie zentralisierte Beratungsstellen und Krisenzentren für Opfer sexueller Gewalt ist Teil des Pakets, das derzeit zwischen Mitgliedstaaten und Europaparlament verhandelt wird.

Überschreitung der EU-Kompetenzen?

Das Problem: Unter den EU-Ländern herrscht Streit über die Frage, ob der Tatbestand der Vergewaltigung Teil der Richtlinie sein soll oder nicht. Einige Regierungen vertreten laut der Webseite „euractiv“ die Auffassung, dass dies eine Überschreitung der EU-Kompetenzen wäre, weil Vergewaltigung sich bisher nicht in der Liste jener Verbrechen findet, die aufgrund ihrer Schwere auf EU-Ebene behandelt werden müssen.

„Es ist klar, dass die Kriminalisierung von Vergewaltigung ihren Platz in der Richtlinie finden muss“, betont hingegen Gleichstellungskommissarin Helena Dalli. „Die gesamte Union sollte in dieser Angelegenheit die gleiche Haltung einnehmen. Sex ohne Zustimmung ist Vergewaltigung. Es gibt keinen Raum für die Annahme zusätzlicher Bedingungen außer der fehlenden Zustimmung.“

Eine Einigung in den Trilog-Verhandlungen ist derzeit nicht in Sicht, die Hoffnungen auf einen Kompromiss in der laufenden Legislaturperiode vor den Europawahlen im Frühling 2024 schwinden.

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