Desinformation

X-Man vs. DSA: Warum Elon Musk mit der EU hadert

Seit der Übernahme durch Elon Musk (hier am Rande einer Veranstaltung in Washington im September) hat sich Twitter in X umbenannt – und bei der Verifizierung der User-Inhalte die Zügel schleifen lassen.
Seit der Übernahme durch Elon Musk (hier am Rande einer Veranstaltung in Washington im September) hat sich Twitter in X umbenannt – und bei der Verifizierung der User-Inhalte die Zügel schleifen lassen. The Washington Post
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An einen Rückzug aus Europa denkt der Besitzer der Online-Plattform X trotz gegenteiliger Medienberichte nicht. Doch der seit August geltende Digital Service Act beschert dem Tech-Milliardär Kopfzerbrechen, weil er ihn dazu verpflichtet, gegen Fake News vorzugehen.

Das Timing war wohl kein Zufall: Ungefähr zu der Zeit, als die EU-Kommission per Aussendung den Mitgliedstaaten der Union empfahl, die Überwachung der im Internet publizierten Inhalte zu intensivieren, berichtete die Website Business Insider in der Nacht auf Donnerstag darüber, dass Elon Musk, seit einem Jahr Eigentümer der Online-Plattform X, den Rückzug aus Europa erwäge und den Schwerpunkt des vormals unter dem Namen Twitter bekannten sozialen Netzwerks auf die USA legen wolle. Die Meldung stellte sich rasch als Ente heraus, Musk selbst bezeichnete sie auf X als „falsch“ und „Business Insider“ als unseriös. Doch an der Tatsache, dass der X-Mann mit den Vorgaben der EU hadert, ändert das Hickhack wenig.

Hauptgrund für die Probleme zwischen Musk und Brüssel sind drei Buchstaben: DSA. Hinter diesem Akronym verbirgt sich der Digital Service Act – ein Gesetz, mit dem die EU den Content-Wildwuchs im World Wide Web zähmen möchte. Im Fokus stehen dabei sogenannte sehr große Plattformen und Suchmaschinen – insgesamt 19 Entitäten wurden von der EU-Kommission so designiert, dabei sind neben X die üblichen Verdächtigen Facebook, Google und Amazon, aber auch Linkedin, Zalando und Wikipedia. Um auf die Liste zu kommen, muss eine Plattform oder ein Suchmaschinenbetreiber pro Monat mindestens 45 Mio. aktive User aufweisen.

Beschränkungen beim Sammeln von Daten

Seit 25. August sind die Verpflichtungen, die mit der Designation einhergehen, in Kraft. Sie zielen generell darauf ab, User in der EU vor Schäden zu schützen – vor materiellen Schäden wie gefälschten Markenartikeln, die über die Plattformen vertrieben werden, sowie vor immateriellen Schäden wie Desinformation. Die Unternehmen sind unter anderem dazu verpflichtet,  illegale Beiträge schneller zu löschen als vor dem Inkrafttreten von DSA. Und sie müssen künftig auch der EU-Kommission detailliert Bericht erstatten, welche Risiken für die Bürgerinnen und Bürger in Europa bestehen – etwa durch firmeninterne Algorithmen, die Inhalte vorselektieren, die User zu sehen bekommen. Hinzu kommen Beschränkungen beim Sammeln und Verwerten personenbezogener Daten der Nutzer in der EU sowie eine generelle Pflicht zu mehr Transparenz. Geschäftsbedingungen müssten künftig so formuliert sein, dass jedes Kind sie verstehe, sagte ein EU-Beamter bei der Präsentation der DSA-Details im August. 

Was diese theoretischen Auflagen in der Praxis bedeuten, zeigt sich spätestens seit dem Informationskrieg rund um den Überfall der Hamas auf Israel. In einem Brief an X forderte der für die Regulierung des EU-Binnenmarkts zuständige Kommissar, der Franzose Thierry Breton, das Netzwerk dazu auf, bis zum 18. Oktober Fragen zu Aktivierung und Funktionsweise seines Krisenprotokolls zu beantworten. Man untersuche die Einhaltung des DSA unter anderem mit Blick auf den Umgang mit Beschwerden, teilte die Brüsseler Behörde vergangene Woche mit. Seit der Hamas-Attacke berichten X-Nutzer regelmäßig von Beiträgen mit Gewaltaufrufen sowie Falschinformationen. Bei schwerwiegenden Verstößen sieht der DSA Pönalen von bis zu sechs Prozent des globalen Umsatzes des regelbrechenden Unternehmens vor. Als letztes Mittel kann die EU-Kommission einen Onlinedienst unter dem neuen Gesetz sogar sperren.

Ob sich der für seine Kritik an Regulatoren und traditionellen Medien bekannte Tech-Milliardär an die Regeln halten kann – Musk hatte bekanntlich nach der Übernahme von Twitter die Hälfte der Belegschaft gekündigt, darunter die für die Inhaltskontrolle zuständigen Teams – bzw. will, ist nach dem Bericht von Business Insider unklarer denn je. Noch im August hatte Musk versprochen, X werde „hart“ daran arbeiten, die neuen Vorgaben der EU zu erfüllen.

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