Interview

Regisseurin Barbara Albert: „Es ist eine Art Heimkehr“

Regisseurin Barbara Albert am Tag der Österreich-Premiere in Magdas Hotel.
Regisseurin Barbara Albert am Tag der Österreich-Premiere in Magdas Hotel. Jana Madzigon
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Für sie ist es eine schöne Koinzidenz: Zeitgleich zur Premiere der Bestsellerverfilmung „Die Mittagsfrau“ tritt Barbara Albert ihre neue Regieprofessur an der Wiener Filmakademie an. Über ihren Versuch, „das Menschliche zu untersuchen“, und das, was sie ihren Studierenden geben will.

Bei Barbara Albert ist derzeit alles etwas dicht. Es ist kurz nach 16 Uhr, als sie bittet, noch kurz in ihr Weckerl beißen zu dürfen – „mein Frühstück“. Es ist der Tag der Wien-Premiere ihres neuen Films, es gilt, noch Interviews zu geben und den Kinobesuch der Verwandtschaft zu organisieren.

Vor allem aber hat sie den Tag auf der Filmakademie verbracht. Vor drei Wochen hat sie die Professur in der alten Heimat angetreten, „und ich versuche, jeden Moment, den ich hier bin, dort zu sein. Und ich tendiere ohnehin dazu, mir die Tage sehr vollzustopfen. Aber ich möchte die Studierenden kennenlernen, Projekte besprechen.“

Dass ihr Start an der Filmakademie mit dem Start der Bestsellerverfilmung „Die Mittagsfrau“ zusammenfällt, ist für sie „eine schöne Koinzidenz“. Albert ist neugierig, wie das heimische Publikum auf die Verfilmung des Bestsellers von Julia Franck reagiert. „Ursprünglich war es für mich ja ein deutscher Roman, aber mittlerweile ist es für mich kein deutscher Film mehr, im Gegenteil. Ich finde, es geht stark um den universellen Frauenkörper. Daher hoffe ich, dass es nicht davon abhängt, wo die Geschichte spielt, dass die Leute darauf reagieren.“

Mit Julia Franck auf Produzentensuche

Die „Mittagsfrau“ erzählt von der jungen Helene, die zunächst im Berlin der 1920er die Liebe findet und Medizin studieren will. Später nimmt sie, als Jüdin, den Heiratsantrag eines aufstrebenden Nazis an. Begonnen hat die Arbeit an dem Filmprojekt schon vor einem Jahrzehnt, just in Alberts Anfangszeit ihrer bisherigen Professur an der Filmuniversität Babelsberg in Potsdam. Eine Kollegin, die Drehbuchautorin Meike Hauck, wollte den Roman verarbeiten und bat um ihre Meinung. „Also habe ich den Roman gelesen und war total begeistert.“

Albert schrieb Franck, man traf sich, „und es war schnell klar, dass wir uns gut verstehen und dass wir dasselbe vom Stoff wollen.“ Zu dritt machten sie sich auf die Suche nach Produzenten, „es war nicht so einfach, ehrlich gesagt“. Es war der Fischer-Verlag, der sie an die Schweizer Produzentin Anne Walser vermittelte. „Sie hat an das Projekt geglaubt, viele Jahre lang.“

Gearbeitet hat Albert dabei auch wieder mit ihrer Schwester, der Kostümbildnerin Veronika Albert, die inzwischen als Expertin für historische Filme gilt. Sie selbst hätte sich Kostümbild nie vorstellen können, sagt die Regisseurin. Erst bei der Zusammenarbeit an „Licht“ über das blinde Klavierwunderkind Maria Theresia Paradis habe sie angesichts der Texturen und Muster aus dem 18. Jahrhundert die Liebe der Schwester zu Materialien verstanden. Eine gemeinsame „Film-Kindheit“ hatten die beiden nicht, ist Veronika doch acht Jahre jünger. Sie sei auch zu klein gewesen, um an jenen Filmen mitzuwirken, die der Vater, ein Biologe, gern auf Super 8 zu drehen pflegte; „richtige Spielfilme“, für die die Mutter die Kinder inszenierte.

Super-8-Ästhetik verwendet Albert nun auch in der „Mittagsfrau“, für Rückblenden auf Helenes Kindheit. „Es hat so eine Leichtigkeit, etwas Assoziatives.“ Überhaupt arbeitet Albert stark mit Bildern, die sich auf das Privatleben der Figur konzentrieren. „Es ist ein Film, der gar nicht so im Außen den Schauwert sucht, sondern in Privaträumen. Wie wirkt sich das politische Außen auf das Innen aus?“, hält Albert den Film für berechtigt, auch wenn sich inzwischen Serien à la „Babylon Berlin“ vor allem den Zwanzigerjahren widmen. Vielleicht, sagt sie, sei es auch gut, dass diese Zeit mehrmals thematisiert wird. „Oft ist es ja so: je mehr, desto mehr.“

Autorin Julia Franck habe übrigens auch ausgehalten, dass Albert das Ende ändert. Bei ihr endet die Geschichte versöhnlicher, „in einer Zeit, die so unversöhnlich wirkt. Deshalb wollte ich keinen zu düsteren Film machen. Ich wollte sagen: Vielleicht gibt es eine Hoffnung in der Begegnung, in der Berührung. Warum mache ich Filme? Weil ich auf der Suche nach Menschlichkeit bin. Ich möchte das Menschliche untersuchen, in seiner Grausamkeit, aber auch Zärtlichkeit.“

Was ist es, das sie als Professorin will? „Auf das reagieren, was die Studierenden brauchen“, sagt sie. Ein großes Thema sei das Arbeiten im Team, „auf Augenhöhe und respektvoll, um zu schauen, was aus jeder Perspektive wichtig ist“. Dazu Schauspielführung und das Wissen über die Unterschiede im Arbeiten für Serie und Kino.

Anders als noch vor 20 Jahren, als sie zu unterrichten begann, seien die Studierenden heute politischer. „Der heutige Ansatz entspricht mir sehr. Da werden Fragen gestellt, die auch mich interessieren, da ist es egal, dass ich 30 Jahre älter bin.“

Noch ist sie dabei, ihre Agenden in Babelsberg zu übergeben. Für die Vorlesungszeit plant sie, ganz nach Wien zu kommen, auch wenn sie auch weiter in Berlin lebt, wo ihr Sohn noch in die Schule geht. Heimat ist für Albert, die sich als „deutschsprachig-europäisch“ empfindet, ohnehin ein schwieriger Begriff. „Aber es ist auf jeden Fall eine Art Heimkehr.“

Zur Person

Barbara Albert (geb. 1970) studierte an der Wiener Filmakademie. Ihr Debüt „Nordrand“ wurde 1999 zum Erfolg. Mit Martin Gschlacht, Jessica Hausner und Antonin Svoboda gründete sie die Produktionsfirma Coop99. Als Produzentin war sie u. a. mitverantwortlich für „Darwin’s Nightmare“ und „Toni Erdmann“. Sie ist Gründungsmitglied des FC Gloria, der Frauen in der Filmbranche vernetzt. Zuletzt drehte sie die Serie „Funeral for a Dog“. „Die Mittagsfrau“ läuft ab 25. 10.

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