Morgenglosse

Die Spitäler nicht sehenden Auges ausbluten lassen

Die Wiener Ärztekammer präsentierte am Dienstag die Plakate, mit denen der Protestmarsch der Spitalsärzte Anfang Dezember angekündigt werden soll.
Die Wiener Ärztekammer präsentierte am Dienstag die Plakate, mit denen der Protestmarsch der Spitalsärzte Anfang Dezember angekündigt werden soll.APA/APA/Helmut Fohringer
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Die Fronten zwischen Stadt Wien und Ärztekammer bleiben verhärtet – Drohungen und Verunglimpfungen inklusive. Leidtragende sind nicht nur, aber in erster Linie die Patienten. Ein Zustand, der unhaltbar ist.

Die Situation in Wiens Spitälern ist dramatisch – für Ärzte ebenso wie für Pflegekräfte und Patienten. Wer selbst keine schlechten Erfahrungen gemacht hat oder sie als Einzelfälle abtut, hat es seit Peter Hajeks Befragung schwarz auf weiß: Die Frustration des medizinischen Personals steigt und steigt, darunter leidet selbstverständlich auch die Versorgung der Bevölkerung.

Die Wiener Ärztekammer, die sich nach monatelangen internen Konflikten langsam gefangen hat und wieder weitgehend handlungsfähig ist, macht nach erfolglosen Gesprächen mit der Stadt – genauer gesagt Gesprächsversuchen, denn zustande gekommen sind nicht viele – Ernst. Auf einen Protestmarsch Anfang Dezember soll im Frühjahr ein wienweiter Streik während der Kernarbeitszeiten folgen. Mit mehreren Protestaktionen und Medienkampagnen dazwischen. Geld ist ausreichend vorhanden. Von den 1,5 Millionen Euro, die bereits im Frühjahr für Kampfmaßnahmen beschlossen wurden, ist noch rund eine Million übrig. Weitere zwei Millionen stehen auf Abruf bereit.

Hart auf hart

Die Stadt Wien zeigt sich unbeeindruckt und will es darauf ankommen lassen. Die Forderungen der Ärzte, die vor allem mehr Geld, mehr Dienstposten und weniger Bürokratie wollen, seien nicht umzusetzen, Verhandlungen darüber daher wenig zielführend. Diese Haltung ist verantwortungslos. Ebenso wie das Pochen der Ärztekammer auf das bedingungslose Erfüllen sämtlicher Forderungen aus ihrem „Zehn-Punkte-Plan“, darunter etwa die vollständige Ausgliederung des Wiener Gesundheitsverbunds (WiGeV) von der Stadt Wien – inklusive Finanz- und Personalhoheit für die Ärztlichen Direktoren der Kliniken.

Der anhaltende Nervenkrieg zwischen Ärztekammer und Stadt Wien, der auch aus dem gestörten Verhältnis zwischen Vizepräsident Stefan Ferenci und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker resultiert, ist aus Sicht der Patienten, aber auch des medizinischen Personals inakzeptabel. Ärzte sowie Pflegekräfte werfen zunehmend das Handtuch und wechseln den Arbeitgeber oder das Bundesland, die Spitäler bluten aus.

Enorme Fallhöhe

Aber: Es ist nicht zu spät, über seinen Schatten zu springen, sich an einen Tisch zu setzen und auf einen für beide Seiten hinnehmbaren Kompromiss zu einigen, um den Zerfall des Spitalswesens zu stoppen. Denn glücklicherweise begann dieser Zerfall von einem sehr hohen Niveau aus. Vor allem diesem Umstand ist zu verdanken, dass die Versorgung der Bevölkerung noch einigermaßen funktioniert. Allerdings ist der Vorsprung Wiens aufgebraucht – und hat sich sogar in einen Rückstand verwandelt.

Ein Zustand, in dem mit Sicherheit nicht zugesehen werden kann, wie die Ärztekammer bis zum Frühjahr nächsten Jahres an der Eskalationsschraube dreht und eine Drohkulisse aufbaut, während die Stadt auf stur schaltet und abwartet, was davon wahrgemacht wird.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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