Antisemitismus

Die russische Spur hinter den Davidstern-Schmierereien in Paris

Die Graffiti in Paris am 31. Oktober.
Die Graffiti in Paris am 31. Oktober.Reuters/Lucien Libert
  • Drucken

Fotos der Davidstern-Graffiti wurden zuerst in sozialen Medien aus dem Umfeld einer russischen Desinformationskampagne geteilt. „Bestellt“ haben könnte sie ein moldauischer Geschäftsmann.

Sind es „nur“ antisemitische Schmierereien oder steckt hinter den Davidstern-Graffiti in französischen Städten mehr? Recherchen der französischen Zeitung „Le Monde“ deuten darauf hin, dass die Graffiti Teil einer antisemitischen und antiwestlichen Desinformationskampagne sein könnten.

Seit dem Hamas-Massaker in Israel und dem Beginn der israelischen Militäroperation im Gazastreifen ist die Zahl antisemitischer Übergriffe und Aktionen in Frankreich sprunghaft angestiegen. Unter anderem wurden mehr als 200 Davidsterne in blauer Farbe seit Oktober in Paris und anderen Städten an die Wand gesprayt. Zwei moldauische Staatsbürger wurden beim Auftragen der Graffiti Ende Oktober ertappt und festgenommen. Zwei weitere Moldauer sind in dem Zusammenhang flüchtig. Laut Darstellung der französischen Staatsanwaltschaft dürften die Personen auf Befehl eines im Ausland lebenden Kontaktmanns gehandelt haben, mit dem sie sich in russischer Sprache unterhielten. Der mutmaßliche Auftraggeber soll Anatolij Prisenko heißen. Prisenko ist ein moldauischer Geschäftsmann und im Internetmarketing tätig. Er gilt als prorussisch.

Interessant ist auch eine weitere Erkenntnis: Laut der Auswertung von „Le Monde“ wurden die Fotos der Davidsterne zuerst von Profilen in sozialen Medien geteilt, die im Zusammenhang mit dem medialen Propagandanetzwerk RRN stehen. RRN ist die Abkürzung für Recent Reliable News. Diese Struktur unterhält mehrere Webseiten in unterschiedlichen Sprachversionen, darunter auch in deutscher Sprache. Mehrere Personen und Firmen, die dem Desinformationsnetzwerk zugerechnet werden, stehen seit Juli 2023 im EU-Raum unter Sanktionen. Sie sind mit einem Einreiseverbot belegt, ihre Aktiva im EU-Raum sind eingefroren, die entsprechenden Webseiten werden gesperrt.

Social-Media-Profile machen Stimmung für Russland

Die EU beschreibt das Konglomerat als „manipulative Informationskampagne“, die „Informationen verfälscht und Propaganda verbreitet zur Unterstützung von Russlands aggressivem Krieg gegen die Ukraine“, wie es auf der Website des Europäischen Rats heißt. Eine Strategie von RRN sei es, Fake-Webseiten respektabler Medien und nationaler Behörden zu kopieren; zudem betreibe man unzählige Fake-Profile (sogenannte Bots) in sozialen Medien. Die mit RRN verbundene Nachrichtenagentur Inforos soll vom russischen Militärgeheimdienst GRU betrieben werden. Die EU sieht all diese Strukturen als Teil der hybriden russischen Kriegsführung an.

An mehreren Orten wurden die Graffiti mittlerweile übermalt.
An mehreren Orten wurden die Graffiti mittlerweile übermalt.Imago/Urman Lionel/abaca

Im Fall der Davidstern-Graffiti wurden auf RRN zeitgleich Artikel veröffentlicht, die ein desaströses Bild von Europa zeichnen. Einerseits wird insinuiert, dass Juden in Europa überhaupt nicht mehr sicher seien, andererseits wird von „antimuslimischer Repression“ berichtet. Auf RRN finden sich auch viele verzerrte Artikel über einen angeblichen Untergang der Ukraine.

Auch russische Medien beriefen sich auf Graffiti

Auch offizielle russische Medien wie die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti veröffentlichten Fotos der gesprayten Davidsterne mit Verweis auf den wachsenden Antisemitismus in Frankreich und die Unfähigkeit bzw. den vermeintlichen Unwillen der Behörden, etwas dagegen zu tun. „Frankreich kann nicht (und will nicht) gegen Antisemitismus kämpfen“, heißt es bei Radio Sputnik. Die antisemitischen Graffiti dienen als vermeintlicher Beleg für mehrere Narrative des Kreml: dass der Westen ins Chaos abgleite, die EU nichts gegen Extremismus unternehme, dass man in Europa Antisemitismus toleriere und gleichzeitig Muslime unterdrücke.

Doch wenn die Recherchen von „Le Monde“ stimmen, dann handelt es sich hier allerdings um eine Desinformationsoperation: Die Kreml-Propaganda skandalisiert eine antisemitische Aktion, die (pro-)russische Akteure zuvor selbst in Auftrag gegeben haben.

Kreml-Kennerin: Geheimdienste aktiviert

Auch die in Frankreich lebende russische Kreml-Kennerin, Tatjana Stanowaja, hält eine russische Spur aufgrund von Wladimir Putins „antiwestlichem“ Kurs im Nahen Osten für möglich. Auf Telegram schreibt sie, dass ein Anwachsen von Aktivitäten „böser Russen“ in europäischen Staaten zu erwarten sei. Putin würde aufmerksam beobachten, was in Europa vor sich gehe. „Es ist wie bei den Yogis: Die Energie geht hin, wo der Fokus liegt. Auch die Energie der Geheimdienste richtet sich darauf, wo der Fokus Putins liegt.“

>> Der Artikel von „Le Monde“ (hinter einer Bezahlschranke)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.