Biotechnologie

Insekten liefern einen Wirkstoff, der Pflanzen schützt

Die Schwarze Soldatenfliege (BSF) hinterlässt bei jeder Häutung Chitinschichten.
Die Schwarze Soldatenfliege (BSF) hinterlässt bei jeder Häutung Chitinschichten.Living Farms/PARIS TSITSOS
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Seit es immer mehr Insektenfarmen gibt, fällt reichlich Chitin als Reststoff an. Eine Wiener Forschungsgruppe nutzt dieses Biopolymer, um daraus umweltfreundlich den wertvollen Stoff Chitosan herzustellen: Dieser wirkt in der Landwirtschaft gegen Schädlinge.

Die Schwarze Soldatenfliege ist wenig attraktiv, eine Fliege halt. Doch sie und ihre Maden sind wertvolle Proteinlieferanten. So wie Mehlwurm, Wanderheuschrecke und Hausgrille, die von der EU bereits als Lebensmittelzusätze zugelassen sind, steht auch die Schwarze Soldatenfliege (Black Soldier Fly, BSF) auf der Liste der möglichen Nährstofflieferanten für den menschlichen Verzehr.

Im Futtermittelbereich sind diese Insektenproteine und -öle bereits gut erprobt, weshalb es auch in Österreich schon Farmen gibt, die sich auf die Zucht der Fliegen spezialisiert haben. Die Aufzucht der Insekten verwertet organische Reststoffe: Die Fliegen und Maden fressen auf, was eventuell sonst im Müll landen würde. Ein nachhaltiger Kreislauf also, wenn auch die Nebenströme aus der Insektenfarm eine weitere Verwendung finden.

Die Soldatenfliegen häuten sich oft

Eine dieser Insektenzuchten ist das vom Austria Wirtschaftsservice (AWS) geförderte Start-up Livin Farms Agrifood in Wien: Hier wachsen die Soldatenfliegen vom Ei bis zur ausgewachsenen Fliege und machen mehrere Häutungen und Metamorphosen durch. Die Larven sehen ähnlich aus wie Maden oder Mehlwürmer. „Wir haben nun ein Nebenprodukt dieser Insektenfarm als wertvolle Quelle von Chitin entdeckt“, sagt Sabine Gruber, Forschungsgruppenleiterin an der Fachhochschule FH Campus Wien.

Das natürliche Polymer Chitin steckt einerseits im Panzer von Krustentieren (Krebse, Krabben), aber gibt auch der Haut von Insekten ihre Festigkeit und bildet andererseits einen wichtigen Bestandteil der Zellwände von Pilzen. „Dieses Biopolymer ist die Basis für ein aktives Molekül namens Chitosan, das in der Pharmaforschung und in der Landwirtschaft von steigendem Interesse ist“, sagt Gruber. Sie leitet das Forschungsteam Chitosan Metabolism (ChisMeT), bei dem auch die Uni Innsbruck beteiligt ist, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG.

Der Wirkstoff Chitosan kann Fette wie Cholesterin binden und hat antibiotische Eigenschaften, die vor allem bei Nutzpflanzen eine Hoffnung im biologischen Pflanzenschutz sind. „Bisher wird Chitosan vorwiegend aus Krebstieren gewonnen, was für Menschen mit Allergien problematisch sein kann“, erklärt Gruber. Holt man das Chitin für die Chitosan-Herstellung aus der Insektenfarm, spart man sich dieses Problem. Das Team an der FH Campus Wien tüftelt nun im FFG-Projekt „Chito BSF“ an Herstellungsmethoden von Chitosan aus den Restströmen der Livin-Farms-Soldatenfliegenzucht.

Bei der Häutung der Insekten sowie als Nebenprodukt nach der Protein- und Lipidgewinnung aus den Fliegenlarven fällt genug Chitin an, um Chitosan in sinnvollen Mengen zu produzieren. Herkömmliche Methoden fahren bei der Umwandlung von Chitin zu Chitosan schwere chemische Geschütze wie Salzsäure und Natronlauge auf. „Unser Ansatz ist viel umweltfreundlicher, weil wir Enzyme dazu nutzen“, sagt Gruber.

Aus ihrer Forschungsarbeit an der TU Wien kennt sie genau die Pilzarten, die in ihren Zellen mit Enzymen Chitin in Chitosan verwandeln. Die Chismet-Herangehensweise schließt nun mehrere Kreisläufe: Erstens wertet man die Reststoffe aus der Insektenfarm auf, zweitens spart man durch die natürlichen Enzyme große Mengen an Chemikalien und Wasser ein.

Zuckerrüben und Tomatenpflanzen

Das Team um Gruber fokussiert als erste Anwendung des sauber gewonnenen Chitosans auf den Pflanzenschutz von Zuckerrüben. „Neben der bioziden Wirkung, die Pathogene direkt bekämpft, hat Chitosan auch einen ,Priming-Effekt‘, der die Pflanze stärkt“, erklärt Gruber den Effekt, der vorbereitend wirkt: Fügt man den Pflanzen das aktive Molekül hinzu, sei es über die Wurzel oder die Blätter, aktiviert die Pflanze ihr Immunsystem. „Es werden Signalwirkungen in Gang gesetzt, die Resistenzen fördern und die Pflanze gegen Angriffe wappnen.“

» Wir haben ein Nebenprodukt der Insektenfarm als wertvolle Quelle von Chitin entdeckt.«

Sabine Gruber

FH Campus Wien

In einer Proof-of-Concept-Studie testen die Forschenden derzeit, wie stark das Chitosan aus den Insektenlarvenhäuten als Pflanzenschutz für Zuckerrüben wirkt. „Wir gehen dann weiter in Richtung Tomatenpflanzen und denken auch an die Verbesserung der Lagerstabilität von Früchten“, beschreibt Gruber die Pläne der ChisMeT-Forschungsgruppe.

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