ÖVP

Pilnacek-Aufnahme: Übte Sobotka Druck auf die Justiz aus?

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka weist die Vorwürfe zurück, die Grünen legen ihm dennoch einen Rücktritt nahe.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka weist die Vorwürfe zurück, die Grünen legen ihm dennoch einen Rücktritt nahe.Imago / Martin Juen
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Laut einer Tonbandaufnahme ärgerte sich der verstorbene Strafrecht-Sektionschef Christian Pilnacek über die ÖVP: Diese habe von ihm verlangt, in Verfahren einzugreifen. Die ÖVP reagiert verärgert (über die Aufnahme), die Grünen vorsichtig.

Die ÖVP und vor allem Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hätten ihn bedrängt, in Verfahren einzugreifen. „In jedem Gespräch sagt der Sobotka, du hast selber versagt, du hast es nie abgedreht. Aber das geht nicht und ich mache es nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat.“ Diese Sätze entstammen einem Tonband-Mitschnitt, über den am Dienstag mehrere Medien ( „Kronen Zeitung“, „Falter“, ORF) berichteten, und es sollen die Worte von Christian Pilnacek sein.

Der seit 2021 als Strafrecht-Sektionschef im Justizministerium suspendierte Beamte war vor etwa einem Monat tot aufgefunden worden. Dass es ein Suizid war, wurde bisher weder bestätigt noch dementiert. Die nun bekannt gewordenen brisanten Worte sollen bereits heuer am 28. Juli gefallen sein, als Pilnacek gegenüber Vertrauten in einem Lokal über die ÖVP, der er selbst nah stand, schimpfte.

„Man verlangt, dass ich Ermittlungen einstelle. Das kann ich nicht, das mache ich nicht! Da kamen ÖVP-Minister, selbst als eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP schon stattgefunden hat, kam man zu mir und fragte, warum ich das nicht abdrehe. Ich habe immer gesagt, ich kann es nicht, ich mach es nicht, ich will es nicht“, erklärte Pilnacek. Einer der Mithörer zeichnete die Worte offensichtlich auf.

Pilnacek, zuletzt nur noch für die Strafrecht-Legistik zuständig, war viele Jahre auch an der Spitze der Weisungskette über die Staatsanwaltschaft gestanden. Pilnacek erklärte im Lokal, kein einziges Verfahren beeinflusst zu haben. „Die ÖVP hat mir das zum persönlichen Vorwurf gemacht und gesagt: ,Du lässt deine Staatsanwälte gegen uns arbeiten.‘“

Weiters erklärte der einstige Spitzenbeamte an diesem Abend über sein Verhältnis zur ÖVP: „Als ich sagte: ,Tut ihr auch was für meine Unterstützung?‘, (…) kam als Antwort: ,Du warst ja nie bei uns.‘ Das Zweite ist, dass sie gesagt haben: ,Du hast ja nie eine Hausdurchsuchung bei uns verhindert.‘ So denken die.“ 

Welche Unterstützung?

Welche Unterstützung Pilnacek davor für die ÖVP geleistet haben soll, geht aus der Aufnahme nicht hervor. Für Aufsehen hatte in der Vergangenheit ein Chat gesorgt, laut dem sich Pilnacek um Finanzminister Gernot Blümel wegen Ermittlungen gegen ihn sorgte („Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?“). Auch empfing Pilnacek in seinem Büro den früheren ÖVP-Chef Josef Pröll als Beschuldigter in der Causa Casinos.

Beide Affären dürfte eine Rolle dafür gespielt haben, dass Justizministerin Alma Zadić (Grüne) die Strafrechtssektion in eine für Weisungsfragen und eine für Legistik aufspaltete, Pilnacek durfte nur die Leitung der Letzteren behalten. Suspendiert wurde Pilnacek aber von Interim-Justizminister Werner Kogler. Und zwar wegen des Verdachts, dass Pilnacek im Zusammenspiel mit Ex-Minister und Verteidiger Wolfgang Brandstetter eine Hausdurchsuchung bei Brandstetters Mandant Michael Tojner verraten habe.

Ex-Ministerin Karl fragte nach

Neben Sobotka betreffen Pilnaceks Worte auch die ehemalige ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl, die Pilnacek zu einem vertraulichen Gespräch bat, bevor sie zum Parteivorstand gehen musste. „Davor ist sie eine Stunde bei mir gesessen und ich habe ihr erklärt, ich kann nichts tun. Ist alles rechtswidrig“, sagte Pilnacek.

Brisant ist auch ein anderer Satz Pilnaceks über die ÖVP: „Die ­müssen froh sein, wenn ich nicht ­irgendwelche Dinge sage.“ Sobotka erklärte am Dienstag, nie mit Pil­nacek über Verfahren gesprochen zu haben. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker meinte, es werde das Andenken an einen Toten missbraucht: „Ich bin sprachlos, dass hier SPÖ und FPÖ die Skandalisierung vorantreiben.“

Wer das Protokoll in Umlauf gebracht hat, ist unklar, doch FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte bereits am Vormittag im Parlament: „Achtung, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, früher oder später kommt alles ans Licht.“ „Ich denke, dass es in diesen Tagen der Budgetdebatte sehr interessant wird, da werden wir noch einiges erfahren über die Machtpolitik der ÖVP.“

ÖVP steht hinter Sobotka

Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz Dienstagabend bekräftigte Stocker, dass Pilnacek wohl in eine „Falle gelockt“ worden sei. Und: „Zum Inhalt dieses Tonbands werde ich mich nicht äußern“, sei es doch unter „dubiosen“ Umständen entstanden. Die Verantwortlichen vermutet Stocker jedenfalls in der Opposition: „Von wo kommts denn her, wenn nicht von der Opposition?“

Auf Journalisten-Anfrage machte Stocker außerdem klar, dass die ÖVP hinter Nationalratspräsident Sobotka steht, ein Rücktritt steht für ihn also nicht im Raum. Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos hatte zuvor Sobotka den Rücktritt nahegelegt: „Mit Blick auf die genannten Personen halten wir fest: Wer dem Hohen Haus der Demokratie vorsteht, muss über jeden Verdacht erhaben sein.“ Pilnaceks Aussagen legten ein System nahe, das eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig sei. „Die Rede ist von Machtmissbrauch, Druck und versuchter Einflussnahme auf die unabhängige Justiz, durch “die ÖVP‘ als Ganzes und namentlich durch den zweithöchsten Mann im Staat. Alleine der Anschein eines solchen Systems von Machtmissbrauch durch die Kanzlerpartei fügt unserer Demokratie schwersten Schaden zu.“

„Schockierend, aber leider nicht überraschend“ kommen die Aussagen Pilnaceks für die SPÖ. Die „Enthüllungen“ bestätigen für Finanzsprecher Jan Krainer, „was wir in zwei Untersuchungsausschüssen über den organisierten Machtmissbrauch des Systems ÖVP erfahren haben. Diese ÖVP ist immer noch die Kurz-ÖVP“, schrieb er.

Grüne reagieren vorsichtig

Der grüne Koalitionspartner reagierte behutsam. „Was das Tonband wieder einmal aufbringt ist, dass es früher offensichtlich ein Problem gegeben hat“, meinte deren Generalsekretärin Olga Voglauer in einer schriftlichen Stellungnahme - „dass es immer wieder die Versuche gegeben hat, dass man Einfluss auf die Justiz nimmt“. Dies gehe, wie dies auch in der Aufnahme angedeutet werde, mindestens ein Jahrzehnt zurück. „Das ist nichts Neues“, so Voglauer, aber: „Allein der Eindruck, dass das so gewesen sein könnte, ist Gift für eine Demokratie.“

Die Frage nach Sobotka hätten die Grünen bereits vor einiger Zeit und beim Aufkommen verschiedenster Skandale rund um dessen Person beantwortet, meinte Voglauer außerdem. „Ich an seiner Stelle, und das haben in der Vergangenheit bereits verschiedene hochrangige Grüne gesagt, hätte sogar früher, schon längst den Hut genommen, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen.“ Jetzt gehe es um Aufklärung. (aich/kk)

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