Niederlande-Wahl

Geert „Milders“: Wie sich der Islamkritiker in den Niederlanden den ersten Platz sicherte

Geert Wilders ließ sich am Donnerstag von seiner Partei feiern.
Geert Wilders ließ sich am Donnerstag von seiner Partei feiern.Imago / Sem Van Der Wal
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Geert Wilders, die Galionsfigur der Rechtspopulisten, präsentierte sich im niederländischen Wahlkampf als Geert „Milders“. Er fokussierte sich auf Themen wie Wohnen und Pflege - und will nach seinem Wahlsieg Premierminister werden.

Geert Wilders schlug die Hände über dem Gesicht zusammen, als die erste Hochrechnung über die TV-Schirme flimmerte. „Wir haben 37 Sitze geholt. Könnte ihr euch das vorstellen?“, fragte er in die Runde, als anderntags noch zwei Mandate dazukamen. Ein Viertel der Niederländer hatte für den Rechtspopulisten gestimmt und ihn zur Nummer eins gemacht. Die Drohung, wonach die Niederländer nach dem Wahlabend am Donnerstag in einem anderen Land aufwachen würden, wie sie in den Tagen zuvor kursiert war, ist Realität geworden – für viele ein Albtraum.

Wilders war perplex, selbst ganz überrascht von dem Triumph. Mit einer Verdoppelung der Mandate hat niemand in den Niederlanden gerechnet, nicht einmal er selbst.

Fulminantes Comeback

Im Wahlkampf hatte zunächst vor allem Pieter Omtzigt, der Konservative mit seiner neuen Partei, für Furore gesorgt. Dass in seinem Windschatten Wilders an ihm vorbeiflog, hatte kaum jemand auf dem Radar. In der TV-Debatte schlug der 60-Jährige, ein kongenialer Wahlkämpfer mit einem Faible für simple Parolen, die Konkurrenz aus dem Feld. Nach Jahren der Flaute hatte er wieder Rückenwind.

Noch am Wahlabend sah Wilders indes seine Chance. Das Ziel, nach der 13-jährigen Ära Mark Ruttes zu dessen Nachfolger zu werden, war näher gerückt. „Ich werde Ministerpräsident für alle Niederländer werden, woher sie auch kommen und woran sie auch glauben“, proklamierte er. Dilan Yesilgöz, Ruttes Erbin als Chefin der rechtsliberalen Regierungspartei, hatte den Rechtspopulisten salonfähig gemacht, als sie eine Koalition mit ihm nicht ausschloss – freilich als ihr Juniopartner.

„Es muss anders werden“

Nun zeigt sich die Ex-Justizministerin mit den türkisch-kurdischen Wurzeln skeptisch. Frans Timmermans, Ex-EU-Vizepräsident und Chef des Wahlbündnisses zwischen Sozialdemokraten und Grünen, gab die Parole aus: „Wir müssen die Demokratie verteidigen.“ Wilders setzt bei seiner Partnersuche dagegen auf die Macht der Fakten: „Das Signal lautet: Es muss anders werden“, sagte er. „Die Niederländer müssen wieder Nummer eins sein.“

In den vergangenen Wochen hatte er sich als „Geert Milders“ präsentiert, wie Medien und Politologen scherzten. Zum ersten Mal hat er seine radikalen Ideen zur Migration im Wahlkampf hintangestellt und sich auf Themen konzentriert, die den Niederländern unter den Fingern brennen: das Wohnen, das in den großen Städten für viele unbezahlbar geworden ist, die Pflege, die Gesundheitsversorgung, der Sozialstaat. Er schlug moderatere Töne an. Am Wahlabend schaltete er indessen, beflügelt von seinem Erfolg, zurück. Es gelte, den „Asyl­tsunami“ zu stoppen, hat er postuliert.

Wilders, der ewige Außenseiter, feierte ein fulminantes Comeback. Obwohl er nie ganz weg war, zunehmend aber im Schatten anderer stand – von Premier Mark Rutte bis Thierry Baudet, dem inzwischen verblassten früheren neuen Stern der Rechtspopulisten. Die hochtoupierte, platinblond gefärbte Mähne – sein Markenzeichen, das anfangs an einen Politpunk oder je nach Geschmack an Mozart erinnerte – war in den niederländischen Medien jahrelang als Symbol des Aufstiegs des rechtsextremen Gottseibeiuns omnipräsent.

Ein Fixpunkt

Der Chef der Freiheitspartei und Orbán-Freund ist seit mehr als 20 Jahren ein Fixpunkt in der niederländischen Politik. Bisweilen tauchte er unter. Wilders lebte stets von und für die Provokation, die Erregung ist sein Elixier, der Skandal sein Programm. Als Tabubrecher überschritt der 60-Jährige aus der südostholländischen Grenzstadt Venlo in der Provinz Limburg die Grenzen.

Paul Wilders gab einmal Einblick in die kleine, isolierte Welt seines Bruders. Seit Jahren lebt Geert Wilders an einem geheimen Ort, abgeschottet von der Umwelt und rund um die Uhr bewacht. Oft suchte er, so heißt es, zum Schutz vor Todesdrohungen eine Kaserne auf. Seine Frau, eine frühere ungarische Diplomatin, sah er angeblich nur alle paar Tage. Gemeinsam zeigen sie sich nie.

Israel-Fan

Nach dem Schulabschluss hatte sich Wilders im Nahen Osten herumgetrieben, und vor allem die Monate in einem Kibbuz in Israel haben ihn geprägt und zu einem fanatischen Verteidiger Israels und über die Jahre zu einem immer radikaleren Islamhasser gemacht. In der rechtsliberalen Volkspartei des Noch-Premiers Rutte profilierte sich Wilders erst als Assistent des damaligen Parteichefs, Frits Bolkestein. Seinen konfrontativen Stil kopierte er samt der Islamkritik.

1998 zog er als junger Wilder für die Partei ins Parlament ein. Unter dem Eindruck des 9/11-Terrors in den USA sowie der Attentate auf den populistischen Polit-Dandy Pim Fortuyn 2002 und zwei Jahre später auf den islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh 2004 mutierte Wilders zum militanten Islamgegner.

Im Konflikt um die EU-Politik, die Haltung zur Türkei und dem Islam trat er aus der Volkspartei aus, um 2006 eine eigene Partei zu gründen: die Freiheitspartei, eine One-Man-Show mit einem einzigen Mitglied, zugeschnitten auf Wilders. „Entislamisierung“, so lautete lang sein Credo. Darunter fällt auch ein Zuwanderungsstopp für Muslime.. Marokkaner waren für ihn nichts weiter als „Abschaum“, und die Zukunft Westeuropas malt er als „Eurabia“ aus. Einmal forderte er: „Wir brauchen eine Kopftuchsteuer.“

„Dutch Trump“

Orientierte sich Wilders erst an Winston Churchill, an der „Eisernen Lady“ Margaret Thatcher oder an Israels Haudegen Ariel Scharon, so fand er in Donald Trump einen neuen Bezugspunkt. Wie der ehemalige US-Präsident wetterte er gegen die Eliten und die Gebote der Political Correctness. Das Establishment in den Niederlanden attackierte er als „linke Kirche“. CNN punzierte ihn als „Dutch Donald Trump“. Wie Trump erschuf er eine überall kenntliche Kunstfigur mit plakativen Parolen. In der holländischen Konsensdemokratie war er ein ewiger Außenseiter.

Jetzt ruft Wilders die Parteien dazu auf, „über ihren Schatten zu springen“. Der Wille des Volks dürfe nicht ignoriert werden sagte der Mann, der den „Nexit“ propagierte – den Austritt der Niederlande aus der EU . Nun schwächte er ab: Das sei momentan keine Priorität.

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