Musik-Jahresrückblick

Zeig mir dein „Spotify Wrapped“ und ich sag’ dir, wer du bist!

Es ist Zeit für einen Jahresrückblick.
Es ist Zeit für einen Jahresrückblick. Screenshot/Spotify
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Die Jahresrückblicke der schwedischen Streaming-Plattform sind im Netz gerade omnipräsent. So mancher schmückt sich mit seinen „Top Fünf“, andere geben sich ganz ironisch als Swifties.

Der Spotify Jahresrückblick hat mittlerweile fast Kultcharakter. Immer vor Adventbeginn analysiert der Streaming-Dienst das Hörverhalten eines jeden Nutzers im jeweiligen Jahr. Immer vor Adventbeginn sind also die sozialen Medien voll von bunten Rankings individueller Lieblingsbands. Und das, obwohl der eigene Musikgeschmack ja doch recht intim ist (weswegen auch nicht jeder den eigenen „Spotify Wrapped“ teilt, aber dazu später). An ihm lässt sich die eigene Coolness ganz gut messen. Er fungiert als Aushängeschild der eigenen Kulturaffinität, des eigenen Horizonts in puncto Kunst und Musik.

Mit dem Teilen des aufgedröselten Hörverhaltens eines ganzen Jahres kehrt man quasi sein Innerstes nach Außen. Das tut oder lässt man aus unterschiedlichsten Gründen.

Ungeachtet der ganz individuellen Zusammenstellung abertausender Acts lassen sich Spotify-User demnach unter anderem auf diese Typen herunterbrechen:

Typ 1: Die Prahlenden

Sie hören die Musik einer Grunge-Band aus Vancouver oder eine (noch) recht unbekannte Indie-Stimme aus Stanton. Jedenfalls das, was sonst kaum jemand hört – und wenn doch, haben sie die Acts freilich selbst entdeckt. Mit einer ordentlichen Portion Stolz. Der Jahresrückblick wird gewöhnlich herbeigesehnt, wobei bis zuletzt gezittert wird, ob es das „Guilty Pleasure“ (jene Musik, die nicht als „cool“ durchgeht) nicht vielleicht doch unter die Top Fünf der Lieblingsacts geschafft hat. Das obskure Ranking veräußern sie als Spiegel zur Seele und als Beleg für die eigene Kunstaffinität.

Typ 2: Die ironischen Mainstream-Hörer und heimlichen Swifties

Man muss sich nicht dafür schämen, 2023 Taylor Swift gehört zu haben. Ist man damit doch in guter Gesellschaft: Swift war dieses Jahr weltweit die meistgestreamte Künstlerin – und sammelte mit 26,1 Milliarden so viele Streams, dass im Schnitt jeder einzelne Spotify-Nutzer 45 mal bei ihr reingehört haben müsste. Was freilich so mancher nicht gerne zugibt: „Nur kurz mal reingekippt“, schreibt über seinen Jahresrückblick-Screenshot, wer zugleich zwar ein bisserl stolz ist, laut Spotify zu den Top fünf Prozent der Swift-Hörer zu zählen, dabei aber nicht gern eingestehen will, so mainstreamig geworden zu sein. Oder auch: „Das war meine Swiftie-Phase.“ Upsi! Man will ja nicht das gehört haben, was alle gehört haben. Und wenn, dann nur ironisch.

Die Top-Songs einer „Presse“-Redakteurin. Sie hört Taylor Swift natürlich vor allem streng beruflich.
Die Top-Songs einer „Presse“-Redakteurin. Sie hört Taylor Swift natürlich vor allem streng beruflich.Spotify/Sreenshot

Typ 3: Die Traditionalisten

Es gibt einen neuen Spotify-Jahresrückblick? Brauch ich nicht, ich hab‘ noch meinen aus dem Vorjahr. Und aus dem Jahr davor. Sehen eh alle gleich aus. Zu einem gewissen Grad hört wohl fast jeder noch gern die Lieblingslieder seiner Jugend, die Standhaftesten schaffen das, was auch das Novarock-Festival Jahr für Jahr vorexerziert: Treue und Kontinuität. Jahre kommen und gehen, die Lieblinge von 2008 (oder 1978?) bleiben.

Typ 4: Die (vermeintlichen) Eltern

Die Kinder waren’s. Natürlich. „Peppa Wutz“ auf Platz eins? Dicht gefolgt von „Baby Shark“? Die kleinen Racker können einem die Statistik ordentlich verhauen. Wer unter solchen Umständen seinen Jahresrückblick teilt, erzählt damit auch von den täglichen Kompromissen, Tricks und Zumutungen des Familienlebens. Easy-Listening-Gedudel? Damit sie endlich einschlafen! „Macarena“ in Dauerschleife? Sie tanzen halt so gern dazu. Disney-Soundtracks? Tja… Wer keine Kinder hat, kann natürlich auch Babysitter-Pflichten ins Treffen führen. Oder einfach daran arbeiten, die selige Zufriedenheit von Typ 5 zu erlangen.

Die Top-Künstler einer anderen „Presse“-Redakteurin. Bach galt als Aufnahmekriterium im Feuilleton-Ressort.
Die Top-Künstler einer anderen „Presse“-Redakteurin. Bach galt als Aufnahmekriterium im Feuilleton-Ressort. Spotify/Sreenshot

Typ 5: Die Angekommenen

Wer ohne Zwinker-Smiley, ohne Relativierung („Guilty pleasure!“) und mit einem ehrlichen Spruch der Zufriedenheit („Das gibt ganz genau mein Musik-Jahr wieder“) seinen Jahresrückblick teilen kann, hat seine Mitte wirklich gefunden: Er ist mit sich und seinen musikalischen Vorlieben im Reinen. Ob in den Top fünf nun Abba, „High School Musical“ oder Après-Ski-Hits stehen.

Typ 6: Die Schweigsamen

Übrig bleiben jene, die den Jahresrückblick erst gar nicht teilen. Man mag sich vielleicht mystisch geben, macht sich vielleicht nichts aus sozialen Medien oder aber: geniert sich ordentlich für die eigenen großen Fünf des Jahres. So arg, dass nicht einmal mehr die ironische Einordnung hilft. Sind die Acts doch einmal cool genug, entpuppt sich der Schweigsame schnell auch als prahlender Typ 1.

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