Wiener Bildungskommunismus

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Jeannine Hierländer
stv. Ressortleiterin Economist

Jeannine Hierländer
 

Guten Morgen!

Unlängst hatte ich die Ehre, eine gemeinsame Veranstaltung von Wifo und IHS zu moderieren, der zwei großen Wirtschaftsforschungsintitute Österreichs. Es ging um eine Bildungsoffensive gegen den Fachkräftemangel. Keynote-Speaker und Star des Nachmittags war der deutsche Bildungsökonom Ludger Wößmann, eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Wößmann legte eindrucksvoll dar, wie signifikant der Zusammenhang zwischen Wissenskapital und Wohlstand einer Volkswirtschaft ist. Es gebe kein Land, das gute Bildungsergebnisse hat – und dennoch niedriges Wirtschaftswachstum. Und es gebe umgekehrt kein Land, das schlechte Bildungsergebnisse und hohes Wachstum hat. 

Wößmann wies auf etwas Entscheidendes hin: Es gibt keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Ausgaben und Ergebnissen eines Bildungssystems. Was erklärt, warum Österreich im internationalen Vergleich viel Geld in sein Bildungssystem steckt, bei den Ergebnissen aber regelmäßig nur mittelmäßig abschneidet. Eine Kombination aus maximaler Autonomie der Schulen und externer Leistungsüberprüfung sei der Weg zum Erfolg, sagte Wößmann. 

Womit wir bei der Wiener SPÖ wären. Die will bekanntlich genau den gegenteiligen Weg gehen: Matura aufweichen, Gesamtschule bis 14, ohne Noten. Begründung: „Wir wollen eine angstfreie Schule, wir wollen den Leistungsdruck von den Kindern weghaben.” Womit ich ausnahmsweise einmal SPÖ-Chef Andreas Babler loben will: Es spricht für ihn, dass er den Wiener Genossen zumindest für den Moment eine Absage erteilt hat. 

Nun sind ja Reformen an sich eine gute Sache, vor allem, wenn sie eine Verbesserung im Vergleich zum Status Quo bringen. Aber im Fall der Bildungsreformpläne der Wiener SPÖ werde ich den Verdacht nicht los, dass es nicht um Verbesserung, sondern um Verschleierung des Status Quo geht: Der Tatsache nämlich, dass in den Wiener Schulen so einiges im Argen liegt. Der Zuzug nach Wien ist ungebrochen stark, bereits ein Drittel der Wiener Bevölkerung hat keinen österreichischen Paß. Der Anteil der Kinder, die nicht Deutsch als Erstsprache haben, steigt (von 19 auf 27 Prozent binnen zehn Jahren österreichweit über alle Schultypen, laut Österreichischem Integrationsfonds). Und Kinder, die nicht Deutsch als Erstsprache haben, landen nachweislich öfter in der Sonderschule statt in der Volksschule. Zuwanderer, die über das Asylwesen nach Österreich kommen, sind zunehmend schlechter gebildet, der Anteil der primären Analphabeten steigt. 

Die logische Folge ist ein schleichender Bildungsabstieg Österreichs, der sich vor allem in Wien bemerkbar machen wird. In einem Schulsystem ohne Matura und ohne Noten fällt das natürlich weniger auf. Die Wiener SPÖ hat offenbar resigniert: Anstatt das Leistungsprinzip zu fördern, setzt sie darauf, es nach und nach aus den Schulen zu entfernen. 

Ich empfehle den Wiener Genossen eine Bildungsreise nach London. Dort zeigt die King Solomon Academy vor, wie man es schafft, Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern an Eliteunis zu bringen. Die ehemalige Brennpunktschule ist heute eine der besten Großbritanniens. Das Erfolgsrezept: Leistung. „Um unsere Hoffnungen und Träume zu verwirklichen, verlangen wir mehr von uns, unseren Eltern und Schülern”, schreibt Schuldirektor Max Haimendorf auf der Homepage. Die Schule darf sich ihre Lehrer frei aussuchen und Engagement finanziell belohnen. Ein Streichinstrument zu lernen ist verpflichtend, das Smartphone verboten. Der Leistungsanspruch ist hoch, das warme Mittagessen für finanziell Schwache gratis. Alles mit Erfolg: 75 Prozent der 18-Jährigen wurden zuletzt an eine der 30 besten Unis des Landes aufgenommen.

Man praktiziert dort also das krasse Gegenstück zum Bildungskommunismus der Wiener Sozialdemokraten. Und legt so für Jugendliche aus bildungsfernen Familien den Grundstein für ein erfolgreiches Leben, mit der Möglichkeit, ihre Fähigkeiten sinnstiftend und finanziell einträglich in die Gesellschaft einzubringen. Sozialer Aufstieg inklusive.

Wir dürfen uns in Österreich ruhig auch etwas mehr zutrauen, finde ich.

Herzlich, Ihre 

Jeannine Hierländer

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