Festspielprogramm

Salzburg 2024: Festspiele im Zeichen der Revolte

Bei der Präsentation im Salzburg: Intendant Markus Hinterhäuser, Schauspielchefin Marina Davydova, Konzertchef Florian Wiegand.
Bei der Präsentation im Salzburg: Intendant Markus Hinterhäuser, Schauspielchefin Marina Davydova, Konzertchef Florian Wiegand.Neumayr/Christian Leopold
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Weinbergs „Der Idiot“ und Prokofieffs „Der Spieler“ laufen erstmals bei den Festspielen; Mozarts „Don Giovanni“ und „Titus“ werden wieder aufgenommen. Im Schauspielprogramm finden sich Dramatisierungen von Thomas Manns „Zauberberg“ und Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“.

„Ich revoltiere, also sind wir“: Unter dieses Motto aus Albert Camus’ „Der Mensch in der Revolte“ stellt Intendant Markus Hinterhäuser die Salzburger Festspiele 2024: In so gut wie allen Opern des Programms lehnen sich die Hauptfiguren gegen diese Welt auf, sagen Nein zu deren Normen. Etwa der besessene „Spieler“ in Dostojewskis Erzählung, aus der Prokofieff die gleichnamige Oper gemacht hat. „Wir sind umgeben von Spielern, die mit der Welt spielen“, kommentierte Hinterhäuser bei der Präsentation in Salzburg – und nannte René Benko als Beispiel.

Prokofjews impulsives Frühwerk läuft ab 12. 8., es dirigiert Timur Zangiev, Regie führt Peter Sellars, der „a delirious night“ verspricht. Asmik Grigorian, in Salzburg u. a. als Lady Macbeth und Salome in glänzender Erinnerung, singt die Polina. Ebenso erstmals bei den Festspielen und ebenso eine Dostojewski-Dramatisierung ist Mieczysław Weinbergs „Der Idiot“: Der revoltierende Held ist hier Fürst Myschkin mit seinem unbeirrbaren Glauben an das Gute. Es dirigiert Mirga Grazinyte-Tyla, Ausrine Stundyte singt die Prostituierte Nastassja Filipowna. Als dritte Neuinszenierung kommen Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ (ab 13.8.), dirigiert von Marc Minkowski.

Thielemann dirigiert „Capriccio“

Die erste Opernpremiere der Festspiele 2024 ist jedoch am 26.7. eine konzertante Aufführung: Christian Thielemann dirigiert „Capriccio“ von Richard Strauss. Ebenso ungewöhnlicherweise folgt darauf, am 28.7., eine Wiederaufnahme: „Don Giovanni“ in der Produktion des Jahres 2021, also inszeniert von Romeo Castellucci, dirigiert von Teodor Currentzis. Giovanni sei auch in der Revolte, erklärte Hinterhäuser: „Er brennt, er rast in den Tod.“

Am 13.8. kommt die von den Pfingstspielen übernommene Oper: Mozarts „Clemenza di Tito“ mit Cecilia Bartoli als Sesto. Wie passt Titus zum Thema Revolte? Er revoltiert, indem er seinem Attentäter vergibt. Konzertant gegeben werden auch „Hamlet“ von Ambroise Thomas, eine Kombination von Luigi Dallapiccolas „Il Prigioniero“ (ein Schlüsselwerk des Widerstands gegen den Faschismus) und Luigi Nonos „Il Canto Sospeso“, „Koma“ von Georg Friedrich Haas und „Begehren“ von Beat Furrer.

Maertens liest aus Briefen Nawalnys

Im Programm der neuen Schauspielleiterin Marina Davydova finden sich neben dem rundum erneuerten „Jedermann“ eine Bearbeitung von Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“ durch den für seine lakonischen Tableaus bekannten Schweizer Regisseur Thom Luz im Landestheater und die „Orestie“ nach Aischylos, Sophokles und Euripides von Nicolas Stemann auf der Perner Insel. Krystian Lupa dramatisiert den „Zauberberg“ im Landestheater, Heiner Goebbels zeigt seine multidisziplinäre Arbeit „Everything That Happened And Would Happen“ auf der Perner Insel. Das derzeit offenbar bei jedem Festival von Rang vertretene Kollektiv Rimini Protokoll widmet sich bei einem dokumentarischen Tanzabend gemeinsam mit Sasha Waltz den Spiegelneuronen, die laut manchen Neurowissenschaftlern der Empathie dienen. In diesem Sinn soll auch das Publikum bei dieser Performance mittun.

Maertens liest Nawalny-Briefe

Tanz und Performance spielen offensichtlich eine wichtige Rolle für Davydova. Sie betonte bei der Präsentation auch, dass sie als „convinced cosmopolitan“ ihr Programm international ausrichten wolle. Doch nur eine einzige Arbeit hat direkt mit ihrer russischen Heimat zu tun: Michael Maertens, der 2023 den Jedermann gespielt hat, liest aus Briefen des inhaftierten Dissidenten Alexei Nawalny.

Im Konzertprogramm ist Arnold Schönberg zu seinem 150. Geburtstag eine Reihe gewidmet, unter anderem mit seinem kompletten Klavierwerk. Die Wiener Philharmoniker werden von Herbert Blomstedt, Andris Nelsons, Riccardo Muti (mit Bruckners Achter), Gustavo Dudamel und Yannick Nézet-Séguin dirigiert, die Berliner Philharmoniker kommen, wie gewohnt, mit ihrem Chefdirigenten Kirill Petrenko. Bei der neuen Reihe „Kleine Nachtmusiken“ wird Mozarts Original-Clavichord zum Einsatz kommen. Die „Ouverture spirituelle“ steht unter der Hoffnungsformel „Et exspecto“ aus dem Credo, sie beginnt mit Bachs Matthäuspassion – dirigiert von Currentzis – und endet mit dem „Schicksalslied“ von Brahms und Mendelssohns Zweier Symphonie, dem in Form einer Kantate angelegten „Lobgesang“. (tk)

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