#MeToo in Frankreich

Beigbeder wegen Vergewaltigung angezeigt, Depardieu hat neue Probleme

Er schrieb unter anderem die Romane „Neununddreißigneunzig“ und „Oona und Salinger“: der 58-jährige Schriftsteller Frédéric Beigbeder.
Er schrieb unter anderem die Romane „Neununddreißigneunzig“ und „Oona und Salinger“: der 58-jährige Schriftsteller Frédéric Beigbeder.APA / AFP / Joel Saget
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Während der Autor Frédéric Beigbeder eine Frau vergewaltigt haben soll, mit der er in einer Beziehung war, gibt es gegen Gérard Depardieu eine neue Anzeige. Der französische Kulturbetrieb ist in Erklärungsnot.

Es geht nicht um Drogendelikte. Das war das Erste, was die die Staatsanwaltschaft zum Polizeigewahrsam von Frédéric Beigbeder sagte. Der prominente französische Schriftsteller wurde am Dienstag mehrere Stunden verhört. Mittlerweile weiß man, dass es um Vergewaltigungsvorwürfe geht. Die Beigbeder bestreitet. Soweit nichts Neues. Der Fall ist allerdings brisant, weil einerseits die (mögliche) Vergewaltigung wohl besonders schwer nachzuweisen ist. Und andererseits, weil Beigbeder – er feierte mit den Romanen „39,90“ und „Oona und Salinger“ auch in Österreich Erfolge –  in Frankreich schon lange wegen seiner Haltung zur #MeToo-Bewegung in der Kritik steht.

Die Anzeige gegen Beigbeder wurde bereits Ende Juli erstattet. Von einer jungen Frau, mit der der Autor offenbar mehrere Monate lang eine Beziehung hatte. Es geht dabei um eine Nacht in einem Hotelzimmer, in dem sie erst einvernehmlichen Sex und später nicht einvernehmlichen Sex mit ihm gehabt haben soll, wie „Le Monde“ schreibt.

Der 58-jährige Romancier hat sich immer wieder kritisch zur #MeToo-Bewegung geäußert. Er ließ etwa erkennen, dass er Frauen nicht mehr als Opfer sieht als Männer. Sprach darüber, dass auch in in seinem Leben „Momente des Leides“ erfahren habe, sich etwa ein Exhibitionist vor ihm entblößte, als er ein Kind war. Und Roman Polanski war nicht der einzige in der Kulturszene, der wegen Vergewaltigung vor Gericht musste und von Beigbeder Unterstützung bekam.

Übrigens hat Beigbeder nicht zum ersten Mal engeren Kontakt mit der Polizei. 2008 wurde er wegen Drogenbesitz festgenommen. Vor zwei Jahren erklärte er, der seit 2017 mit seiner dritten Frau und ihren zwei kleinen Kindern im Baskenland lebt öffentlich, sich „vom Kokain verabschiedet“ zu haben. Es sei eine „Droge für alte Spießer“. Er schreibe nur noch nüchtern und mit leerem Magen.

Wie auch immer die Sache weitergeht (man weiß derzeit nur, dass die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen fortsetzen wird): Die Kulturszene ist in Aufregung. Und Beigbeder ist nicht der einzige Grund dafür.

Anzeige gegen Gérard Depardieu

Gegen den französischen Schauspielstar Gérard Depardieu wurde vergangene Woche eine weitere Anzeige wegen eines sexuellen Übergriffs erstattet. Die Schauspielerin Hélène Darras wirft dem 74-Jährigen vor, sie 2007 bei Dreharbeiten zu dem Film „Disco“ sexuell belästigt zu haben. Gegen Depardieu läuft bereits seit drei Jahren ein Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung. Und zahlreiche weitere Frauen haben Depardieu in der Vergangenheit sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Der Schauspieler weist alle Vorwürfe zurück.

Vor wenigen Tagen wurde zudem eine Dokumentation auf dem staatlichen Fernsehsender France 2 ausgestrahlt, in der man ihn bei einem Besuch in Nordkorea sieht, wie er Frauen und Mädchen mit groben sexuellen Anzüglichkeiten begegnet. Er verstört mit vulgären Sprüchen, auch über ein vielleicht zehnjähriges Mädchen, das er reiten sieht. Und bedrängt seine nordkoreanische Dolmetscherin derb. Vor laufender Kamera, also offensichtlich ohne jedes Problembewusstsein.

Das Monument der französischen Filmkultur wackelt aber jedenfalls. Und der französischen Kulturbetrieb muss sich auch mit Vorwürfen auseinandersetzen: Von einer Gleichgültigkeit gegenüber sexuellen Übergriffen bis zu deren Verharmlosung oder gar dem Schützen mutmaßlicher Täter reichen sie. Geäußert werden sie oftmals von Schauspielerinnen. Die auch sagen, in der französischen Filmwelt sei das (wohl mehr als) problematische Verhalten von Gérard Depardieu sehr wohl bekannt gewesen. Die Kulturszene ist in Erklärungsnot.

Alltäglicher Sexismus in Frankreich steigt

Vor sechs Jahren trat die #MeToo-Bewegung weltweit Beschuldigungen los, über die Frauen davor nicht laut sprachen. Taten sie es doch, wurden sie teils belächelt. Es geht um Belästigung, Vergewaltigung, um sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch. Vieles ist seitdem passiert. Vieles ist versandet.

In Frankreich standen immer wieder bekannte Männer wie der Moderator der TF1-Abendnachrichten Patrick Poivre d’Arvor oder Gérald Darmanin, Innenminister und Minister für die Überseegebiete, wegen übergriffigem Verhalten im Fokus. In den meisten Fällen wurden die Gerichtsverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt. Der große gesellschaftliche Wandel dürfte auch darüber hinaus noch schlafen. Laut einer Studie des französischen Hohen Rates für Gleichstellung aus dem Jahr 2023 ist Sexismus in Frankreich nicht auf dem Rückzug, im Gegenteil.

„Die französische Gesellschaft bleibt in allen Bereichen sexistisch geprägt“, heißt es da etwa, sowohl in der Öffentlichkeit wie im Privatlaben, im Beruf oder in den Medien. Nach dem Jahresbericht haben 80 Prozent der Frauen den Eindruck, wegen ihres Geschlechtes benachteiligt worden zu sein. Die Zahl und Schwere sexistischer Taten steige. Von den 25- bis 34-jährigen Männern sei demnach fast ein Viertel der Meinung, dass man manchmal gewalttätig sein müsse, um respektiert zu werden, und über alle Altersgruppen hinweg fanden es 40 Prozent normal, dass Frauen aufhören zu arbeiten, um sich um die Familie zu kümmern. „Alltäglicher Sexismus führt letztlich zu gewaltsamem Sexismus“, brachte es Sylvie Pierre-Brossolette, Vorsitzende des Gleichstellungsrates, auf den Punkt.

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