Netto-Null-Ziel

Klima: „Alles und alles sofort“

Mit dem Ausbau der Windenergie steht und fällt die Erreichbarkeit österreichischer Klimaziele.
Mit dem Ausbau der Windenergie steht und fällt die Erreichbarkeit österreichischer Klimaziele.Allover
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Studie. Nach drei Jahren Forschung und Modellierung legen Experten den Bericht, ob und wie Österreichs Klimaziele erreicht werden können. Die Antwort: „Ja.“

Wien. Gearbeitet wurde mit vier Szenarien, die sich vor allem dadurch unterschieden, wie weitreichend die einzelnen Maßnahmen ausgestaltet werden und inwieweit auf Stromimporte aus dem Ausland gesetzt werde. „Net-Zero“ ist in allen Szenarien möglich. Der österreichische Energiebedarf wird derzeit noch zu zwei Dritteln durch fossile Energien und damit durch Importe gedeckt. In einem „Net-Zero“-Österreich ändert sich das dra­ma­tisch.

Dies ist dann möglich, wenn Öl und Gas substituiert werden. Dabei sind Mobilität und Wärme die wichtigsten Faktoren. Die Szenarien gehen davon aus, dass Benzin und Diesel bis 2035 Geschichte seien. „Vor einigen Jahren wären die Zulassungszahlen für E-Autos noch undenkbar gewesen“, sagt dazu Projektkoordinator Johannes Schmidt (Boku), „die Menschen sind da schneller als die Gesetzgebung mit einem Verbot.“ E-Autos seien einfach effizienter, das überzeuge offenbar viele.

Die Wissenschaftler wurden begleitet von 20 bis 25 Stakeholdern – Leuten also, auf die es bei den einzelnen energierelevanten Themen in besonderem Maße ankommen wird und die mit den entsprechenden Themen im Detail vertraut sind – von Beamten über Interessenverbände bis zu zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie haben die einzelnen Annahmen mitformuliert. Je nach Szenario schwankt etwa die Kilometerleistung von Pkw (pro Jahr und Kopf) zwischen 5400 und 9400, die derzeit den realen Wert darstellen.

Viele Fragen zu „Carbon Capture“

Bei der Wohnfläche (pro Person; derzeit 46 Quadratmeter) liegen die Annahmen zwischen 41 und 56 m2, bei der industriellen Wertschöpfung (in Bezug auf 2021) zwischen 97 und 128 Prozent. Im Mittelpunkt steht der Strom, der nicht verbraucht wird – durch Heben der Effizienz. Der Energieverbrauch soll um bis zu 40 Prozent schlanker werden. Von hoher Bedeutung ist der beschleunigte Ausbau von Windkraft bis 2030. Dieser müsse sehr viel schneller als jetzt erfolgen – und zwar um nicht weniger als 60 Prozent rascher, als das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz es will. Eine Prioritätenliste gebe es nicht – „wir brauchen alles und alles möglichst schnell“, sagen alle Studienautoren unisono. Zeit abzuwarten gebe es nicht.

Wichtig ist außerdem, dass keine „Locked in“-Situationen geschaffen werden – jede Gastherme, die heute noch installiert werde, blockiere den raschen Umstieg auf eine Wärmepumpe oder eine andere erneuerbare Wärmequelle. Dadurch werde der Bedarf an erneuerbarem Gas in die Höhe geschraubt, dessen Verfügbarkeit aber beschränkt sein wird, was auch den Preis hoch sein lassen werde.

In der Studie wird Windkraft (gegenüber Fotovoltaik) der Vorzug gegeben, weil die Verfügbarkeit höher sei.

Methoden, mit denen CO2 aus der Atmosphäre geholt werden kann, wurden nicht im Detail analysiert, ausgegangen wird davon, dass dieser Sektor in Österreich eher eine geringere Rolle spielen wird. Bei „Carbon Capture“ sind viele Fragen noch nicht gelöst – beispielsweise wie viel Treibhausgase emittiert werden, um Absaugeinrichtungen herzustellen und zu installieren.

Auf die Frage, ob die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen realistisch sei, sind die Antworten der Experten ausweichend. Studienkoordinator Schmidt: „Österreich hat Glück, dass es in der EU ist. Dort gibt es eine Strategie.“ Hermine Mitter (Boku) streicht heraus, dass bei der anstehenden Transformation einer der wesentlichen Punkte sei, auf die soziale Ausgeglichenheit zu achten.

Größte Bremse ist Unsicherheit

Die vier verschiedenen Szenarien laufen bis 2030 beinahe parallel und gehen erst danach auseinander. Als größte Bremse für einen konsequenten Schwenk zu einem „Net-Zero-Österreich“ sieht Martin Baumann (AEA) die Unsicherheit – etwa für die Industrie, die derzeit noch nicht weiß, wie die Regeln künftig aussehen werden.

Am Tag eins nach der Klimakonferenz in Dubai meint Daniel Huppmann, Klimaforscher am IIASA, dass nun die Richtung klar vorgeben sei. Und Schmidt ergänzt, dass sich die Welt seit der Ukraine-Krise anders darstelle. Die Problematik der Energieabhängigkeit sei erkannt, die Notwendigkeit von Maßnahmen offensichtlich.

Gestartet wurde mit der Studie, die vom Österreichischen Klimafonds (Austrian Climate Research Programme) gefördert worden ist, 2020, die Daten wurden mehrere Male aktualisiert – nicht zuletzt wegen der Inflation und des Steigens und Sinkens der Energiepreise. Mehr unter: https://diepresse.com.

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