Der ökonomische Blick

Wie sinnvoll sind Mindestpreise für Flugtickets?

Die Forderung nach einem Mindestpreis für innereuropäische Flugtickets ist ökonomisch wenig durchdacht.
Die Forderung nach einem Mindestpreis für innereuropäische Flugtickets ist ökonomisch wenig durchdacht.IMAGO/Peter Henrich / HEN-FOTO
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Die richtige Beobachtung, dass sehr günstige Flugtickets nicht die Umweltkosten des Fliegens widerspiegeln, führte zu der Forderung nach einem Mindestpreis. Leider ist der Vorschlag ökonomisch wenig durchdacht und der Schuss könnte nach hinten losgehen.

Letzten Sommer forderte der französische Verkehrsminister Clément Beaune eine EU-Verordnung, die Mindestpreise für innereuropäische Flugtickets vorschreibt. Die österreichische Verkehrsministerin Leonore Gewessler unterstützte diesen Vorschlag. Diese Idee, so den „Kampf gegen Sozial- und Umweltdumping“ zu führen, war keineswegs neu. Bereits im Zuge der AUA-Rettung 2020 kündigte Vizekanzler Werner Kogler einen Mindestpreis für Flugtickets von rund 40 Euro an. Die richtige Beobachtung, dass sehr günstige Flugtickets nicht die Umweltkosten des Fliegens widerspiegeln, führte zu der Forderung nach einem Mindestpreis. Leider ist der Vorschlag ökonomisch wenig durchdacht und der Schuss könnte nach hinten losgehen.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Erstens sind innereuropäische Flüge in das europäische Emissionshandelssystem EU-ETS eingebunden. Das EU-ETS legt eine Obergrenze (Cap) fest, wie viele Treibhausgasemissionen von den vom System erfassten Industrien ausgestoßen werden dürfen. Die einzelnen Verursacher der Emissionen, also auch die Fluglinien, müssen Genehmigungen zu einem Marktpreis kaufen. Dies bedeutet, dass eine Verringerung des CO₂-Ausstoßes durch den Luftverkehr, zumindest kurzfristig, nicht zu einer Verringerung des Gesamtausstoßes führt, sondern nur zu einem Anstieg der Emissionen anderer vom EU-ETS umfassten Industrien, die nun in der Lage sind, Genehmigungen zu einem günstigeren Preis zu erwerben. Das heißt, eine Einschränkung des Wettbewerbs im Luftverkehr ist ein Segen für andere vom EU-ETS betroffene Unternehmen, energieintensive Unternehmen wie zum Beispiel Strom- und Wärmeerzeuger oder die Stahlproduzenten. Diese Verschiebung von Emissionen zwischen verschiedenen Sektoren oder Regionen, ohne dass die Gesamtemissionen reduziert werden, werden als „Wasserbetteffekt“ bezeichnet. 

Von Mindestpreisen profitieren vor allem Unternehmen

Zweitens: Selbst wenn sich der soeben beschriebene Wasserbetteffekt vermeiden ließe, wären Mindestpreise der falsche Weg. Von Mindestpreisen profitieren in erster Linie die Unternehmen, da sie den Wettbewerb hemmen und ihnen höhere Margen ermöglichen. Mindestpreise würden die Fluggesellschaften für ihren Beitrag zur globalen Erwärmung belohnen. Außerdem wird diese Beschränkung nur das untere Preissegment betreffen und kaum Auswirkungen auf Ticketpreise, die von Geschäftsreisenden oder auf beliebten Strecken bezahlt werden. Betroffen sind in erster Linie preissensible, oft eher junge, Reisende, die gerade nicht die Hauptverursacher der Emissionen sind. 

Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, zeigt eine ökonomische Betrachtung von Mindestpreisen für Flugreisen, dass genau das Gegenteil des gewünschten Effekts bewirkt. Wie schon erwähnt, machen Mindestpreise bestehende Flugverbindungen für die Fluggesellschaften rentabler. Das führt dazu, dass es eher zu mehr als zu weniger Flugreisen kommen kann. Um dies zu illustrieren, betrachten wir die Verbindung zwischen Wien und Madrid. Derzeit bietet die Fluglinie Iberia drei Verbindungen täglich an und Ryanair einen einzigen Flug. Es ist nicht profitabel für die beiden Gesellschaften mehr Flüge anzubieten, da die zusätzliche Sitzplatzkapazität niedrigere Preise zur Folge hat. Stellen Sie sich vor, die von der Politik vorgeschlagenen Mindestpreise werden Realität: Ryanair könnte einen zusätzlichen Flug anbieten, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass die Preise sinken. Die Anzahl der Reisenden steigt vielleicht aufgrund der zusätzlichen Verbindung ein wenig, die Zahl der Passagiere pro Flug sinkt aber.   

Mindestpreise für innereuropäische Flüge und die damit einhergehende Aufweichung des Wettbewerbs im Flugverkehr reduzieren daher nicht die CO₂-Emissionen und bergen die Gefahr, dass eher mehr als weniger Flugverbindungen angeboten werden. Um Emissionen zu reduzieren, sollte hingegen das Emissionshandelssystem auf alle Wirtschaftsbereiche ausgeweitet werden. Dem Klima ist es egal aus welchem Sektor das Treibhausgas kommt.

Die Autoren

Daniel Garcia ist assoziierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien und Mitglied des CESifo Research Networks in München.

Philipp Schmidt-Dengler ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien und Research Fellow am Centre for Economic Policy Research in London.

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