Neue Lehre

Die vegan-vegetarische Kochlehre bleibt ein Streitthema

Ein Gericht aus „Faux-Gras“, einer veganen Alternative zu Foie Gras, zubereitet von Fabien Borgel, im Restaurant „42 Degres“ in Paris, Frankreich
Ein Gericht aus „Faux-Gras“, einer veganen Alternative zu Foie Gras, zubereitet von Fabien Borgel, im Restaurant „42 Degres“ in Paris, FrankreichReuters (SARAH MEYSSONNIER)
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Rund um die vegan-vegetarische Kochlehre herrscht weiter ein Tauziehen. Das Zerteilen und die Weiterverarbeitung von Fleisch seien integrale Bestandteile der Ausbildung zur Köchin oder zum Koch. Kritiker sagen, es könne eigentlich nur ein neuer Lehrberuf entstehen. 

Wie aufgeschlossen ist die österreichische Gastwirtschaft gegenüber Vegetariern oder Veganern? Mäßig bis wenig, ein grobes Urteil. Dabei gibt es immer mehr von ihnen. In Österreich leben laut Schätzung der Vegane Gesellschaft Österreich (VGÖ) im Jahr 2021 rund 840.000 Vegetarier, 106.000 Veganer und über 4,6 Millionen Flexitarier. Besonders die letzte Gruppe wachse. 2023 kommt eine von der NGO ProVeg in Auftrag gegebenen Studie zu dem Ergebnis, dass 51 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ihren Fleischkonsum bewusst reduziert haben. Die Veränderung der allgemeinen Essgewohnheiten schlug sich vergangenes Jahr auch im Ruf nach einer neuen Berufsausbildung nieder, der vegan/vegetarischen Kochlehre. Um den es letztlich wieder still wurde. Wie ist der aktuelle Stand?

Die fleischlose Küche als gutes Geschäft

Hinter den Kulissen rund um die Pläne zu einer vegan/vegetarischen Kochlehre herrscht kräftiges Tauziehen. Denn die Arbeitnehmervertreter im Bundes-Berufsausbildungsbeirat (BBAB) haben sich zuletzt gegen die Einführung ausgesprochen. Aus Sicht der Grünen Wirtschaft solle Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) die Initiative ergreifen, doch dessen Büro sieht die Sozialpartner am Ball. Es gibt also weitere Gespräche.

Die Fachverbände Gastronomie und Hotellerie hatten bei der FH Wiener Neustadt eine repräsentative Studie zu Essgewohnheiten beauftragt. Die Ergebnisse wurden vor Weihnachten im BBAB beraten. Danach sprachen sich die Arbeitgebervertreter der Wirtschaftskammer für eine vegan/vegetarische Kochlehre aus, die Arbeitnehmervertreter aber dagegen. Genannt wird die angedachte neue Lehre in den Sitzungen „Fachkraft für vegetarische und vegane Kulinarik“.

Die Studienergebnisse zeigen, dass es für die Betriebe der Gastronomie und Hotellerie wichtig sein kann, den Gästen ein gutes fleischloses, insbesondere veganes, Angebot zu machen. Aus Sicht der grünen Wirtschaft haben die Arbeitgebervertreter erkannt, dass es gute Geschäftsmöglichkeiten mit einer fleischlosen Produktpalette gibt und ihre Positionierung positiv zum Ja hin geändert. Vor allem bei vegan Lebenden sind die Haushaltsausgaben für die Ernährung deutlich höher als bei „Normalessern“, zeigt die Studie.

Ball liegt bei Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern

„Wir freuen uns über diese Entwicklung beim ÖVP-Wirtschaftsbund“, so die Chefin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth. „Für ein zeitgemäßes Angebot im Tourismus ist es enorm wichtig, dass die Ausbildung zur vegetarisch-veganen Fachkraft nun von Minister Kocher auf Schiene gebracht wird“, fordert Jungwirth. „Zudem unterstützt eine moderne Gastronomie damit auch den Klima- und den Tierschutz.“

Jungwirth bedauerte, dass sich die Arbeitnehmerseite in ihrer Stellungnahme gegen die neue Lehre ausgesprochen hat. Argumentiert wird unter anderem mit der geringen Arbeitsmarktmobilität von rein vegan/vegetarisch ausgebildeten Köchinnen und Köchen. „Das halte ich für verfehlt“, sagt Jungwirth. Steige die Nachfrage nach fleischlosen Alternativen in der Gastronomie allgemein, so brauchten auch mehr klassische Betriebe spezialisierte Fachkräfte, argumentiert sie .„Der Ball liegt bei Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern und deren entsprechende Gremien“, betonte das Kocher-Büro. Das Ministerium bleibe „handlungsbereit und offen für Lösungen“.

Zersplitterung des Lehrlingswesens

Die Arbeitnehmer-Kurie argumentiert auch damit, dass man sich gegen eine weitere kleinteilige Zersplitterung des Lehrlingswesen stelle. In jetziger Form wolle man diese Lehre nicht einführen. Grundsätzlich unterstütze man das Ziel der Initiatoren, vegetarische und vegane Kulinarik stärker in den bestehenden Lehrberuf des Kochs und der Köchin einzubauen, etwa über Ausbildungsverbünde.

„Völlig außer Acht lässt die Arbeitnehmerseite das Problem, dass gerade vegetarisch/vegane Jugendliche mit Fleisch gar nicht in Berührung kommen wollen“, kritisiert Jungwirth. So würden dann auch Ausbildungsverbünde keine Option darstellen, außerdem seien solche oft kompliziert zu organisieren. Die von der Gewerkschaft ins Treffen geführte Zersplitterung des Lehrlingswesens ist aus Sicht der Grünen Folge einer „generell voranschreitenden Spezialisierung in allen Branchen“.

Veganer geben mehr aus

Die Studie der FH Wiener Neustadt zeigt, dass die Nachfrage in jüngeren Gesellschaftsschichten deutlich über jener bei älteren liegt. 19 Prozent der 30 bis 39-Jährigen sagen, sich vegetarisch zu ernähren, 5 Prozent vegan. Bei den 50 bis 65-Jährigen behaupten das nur 6 Prozent. Bei den über 65 Jahre alten Menschen sind es überhaupt nur 2 Prozent.

72 Prozent sagen, Allesesser zu sein - diese Gruppe besteht zu 54 Prozent aus Männern und zu 46 Prozent aus Frauen. Bei Flexitarierinnen, Vegetariern und Veganerinnen beträgt der Frauenanteil hingegen rund zwei Drittel.

Haushalte, die sich vegan ernähren, investieren laut der Studie monatlich durchschnittlich 442 Euro in Lebensmittel. Bei den Allesessern sind es 398 Euro. Fleischloses Essen im Gasthaus lassen sich Veganer im Monat im Durchschnitt 160 Euro kosten, sagen sie. Bei Allesessern sind es 145, bei Flexitariern 115 und bei Vegetariern 114 Euro. (sh/APA)

Begriffe

Personen, die sich vegan, also rein pflanzlich ernähren, verzichten auf Produkte, die einen tierischen Ursprung haben. Dazu zählen neben Fleischprodukten auch Milchprodukte, Eier oder Honig. Bei einer vegetarischen Ernährung orientieren sich die Betroffenen auch hauptsächlich an pflanzlichen Lebensmitteln, allerdings werden Produkte, die indirekt vom Tier stammen, wie Milch oder Eier, trotzdem konsumiert. Als Flexitarismus wird eine Essgewohnheit bezeichnet, die auf kein Lebensmittel strikt verzichtet, aber beim gelegentlichen Fleisch- oder Fischkonsum auf hohe Qualität achtet.

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