Internationaler Gerichtshof

Auftakt zum Genozid-Prozess gegen Israel: Die Fronten sind bezogen

Auftakt zu den Anhörungen in Den Haag: Im Blickpunkt des Medieninteresses waren die Verteidiger Israels, die aber erst am Freitag zu Wort kommen.
Auftakt zu den Anhörungen in Den Haag: Im Blickpunkt des Medieninteresses waren die Verteidiger Israels, die aber erst am Freitag zu Wort kommen. Imago / Remko De Waal
  • Drucken

Vor dem UN-Gericht in Den Haag eröffnete Südafrika als Ankläger das Verfahren gegen Israel. Der südafrikanische Starjurist John Dugard war ein deklarierter Kritiker des Apartheid-Systems und verglich es wiederholt mit Israel.

Zum Auftakt des Verfahrens wegen des vermeintlichen Völkermords im Gazastreifen vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag mobilisierten beide Lager ihre Unterstützer. Auf der einen Seite schwenkten Tausende Sympathisanten Israels am Sitz des UN-Gerichts die weiß-blaue Fahne mit dem Davidstern. Auf Transparenten beklagten sie den Völkermord der Hamas. Auf der anderen Seite marschierten die Anhänger der Palästinenser vor dem Friedenspalast auf, um auf die Opfer unter der Zivilbevölkerung hinzuweisen.

Auch im Gerichtssaal selbst, der mit den hohen Räumen und Fenstern die Aura einer Kathedrale verströmt, waren die Trennlinien für die Konfrontation auf juristischer Ebene klar definiert. Ronald Lamola, der südafrikanische Justizminister, war eigens angereist. „Kein bewaffneter Angriff auf ein Staatsterritorium, egal wie schwerwiegend er ist, kann eine Verletzung der (UN-Völkermord-)Konvention rechtfertigen“, sagte er.

Kritik an der „Apartheid-Politik“

Auf der Anklagebank nahm der südafrikanische Starjurist John Dugard Platz. Der 87-jährige Rechtsprofessor, einst Mitglied der UN-Völkerrechtskommission und Berichterstatter der Menschenrechtssituation in den Palästinensergebieten, war deklarierter Kritiker des südafrikanischen Apartheid-Systems, das er wiederholt mit den Repressionen Israels gegenüber den Palästinensern verglich. Malcom Shaw, ein britischer Völkerrechtsexperte, sollte ihm seitens Israels Paroli bieten.

Das 15-köpfige Gremium des Gerichts, präsidiert von der US-Amerikanerin Joan Donoghue, ist von der UN-Generalversammlung und dem Sicherheitsrat – in diesem Fall ohne Vetorecht – auf neun Jahre bestellt. Satzungsgemäß sind alle Kontinente repräsentiert. Europa ist durch Deutschland, Frankreich, die Slowakei und Russland vertreten, Amerika durch die USA, Jamaika und Brasilien, Asien durch China, Japan, Indien und den Libanon, Afrika durch Marokko, Somalia und Uganda. Und für Ozeanien hat Australien Sitz und Stimme inne.

Südafrika brachte die Kernpunkte seiner 84-seitigen Anklageschrift vor. Israel führe einen Krieg mit der Intention eines Völkermords oder sei nicht willens, ihn zu verhindern. Der Anklagevertreter hielt Israel eine Blockade-Haltung vor und zitierte Aussagen von Ministern der rechts-religiösen Regierung, die zur „Auslöschung“ der Hamas aufforderten oder von „menschlichen Tieren“ sprachen. Israel erhält am Freitag die Möglichkeit zur Gegenrede. Klar ist, dass Israel das Selbstverteidigungsrecht anführen wird.

„Wir wurden doch abgeschlachtet“

In Israel hat das Verfahren Wut und Empörung ausgelöst. Armeesprecher Daniel Hagari zeigte sich verwundert: „Wir waren es doch, die abgeschlachtet wurden.“ Netanjahu gab sich entrüstet: „Heute haben wir eine Welt gesehen, die auf dem Kopf stand.“ Die „Heuchelei Südafrikas“ schreie zum Himmel: „Wo war Südafrika, als in Syrien und Jemen Millionen von Hamas-Verbündeten getötet und vertrieben worden sind?“

Vor Beginn des Verfahrens hatte er demonstrativ festgestellt, dass Israel kein Interesse an einer neuerlichen Okkupation des Gazastreifens oder an der Vertreibung der Bewohner hat. Er fuhr Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, den Ministern für Finanzen und die nationale Sicherheit, in die Parade. Die wichtigsten Verbündeten wollten Israel nicht verurteilen. John Kirby, ein Sprecher des Weißen Hauses, bezeichnete die Anklage Südafrikas als „unerbittlich, kontraproduktiv und völlig ohne jede faktische Grundlage“.

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer ließ Kritik anklingen. Man solle nicht leichtfertig, das „Verbrechen aller Verbrechen“ vor Gericht bringen. „Wir widersetzen uns allen Versuchen, den IGH zu politisieren. Israel ist eine Demokratie, die das Recht hat, sich gegen den barbarischen Terrorangriff der Hamas auf friedliche Gemeinschaften im Einklang mit dem Völkerrecht zu verteidigen.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.