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Der teure Streik der deutschen Lokführer

Wieder einmal leerten sich die deutschen Bahnhöfe am Mittwoch wegen eines Streiks.
Wieder einmal leerten sich die deutschen Bahnhöfe am Mittwoch wegen eines Streiks. Imago / Rainer Keuenhof
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Bis zu eine Milliarde Euro könnte der sechstägige Bahnstreik kosten, schätzen Ökonomen. Die Lokführer wollen weniger arbeiten. Nun wird über das Streikrecht debattiert.

Fast sechs Tage, insgesamt 136 Stunden. So lange wollen die rund 40.000 Mitglieder der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) die Arbeit niederlegen. Ihr bis kommenden Montag geplanter Streik könnte einer der längsten und teuersten der deutschen Nachkriegsgeschichte werden. Was der Arbeitskampf kosten könnte, welche Rolle der Gewerkschaftsführer Claus Weselsky spielt und warum über Einschränkungen des Streikrechts gesprochen wird.

1. Was wollen die Lokführer – und wozu wäre die Deutsche Bahn bereit?

Die deutschen Lokführer wollen mehr Geld – und weniger arbeiten. Gestritten wird vor allem über Letzteres: Die Gewerkschaft will die Arbeitszeit bis zum Jahr 2028 um drei Stunden reduzieren – von derzeit 38 auf 35 Stunden pro Woche. 18 private Bahnunternehmen haben diesen Vorschlag unterzeichnet. Der größte Arbeitgeber im Bahnsektor – der Staatskonzern Deutsche Bahn (DB) – wehrt sich aber dagegen. Dessen Angebot: Im Jahr 2026 sollen die Lokführer wählen können. Entweder sie arbeiten von nun an eine Stunde weniger pro Woche – oder sie bekommen eine Lohnerhöhung von 2,7 Prozent.

2. Welche Rolle spielt der umstrittene Gewerkschaftsführer Claus Weselsky?

Der 64-jährige Sachse Weselsky ist eine Reizfigur. Die einen sehen ihn als beherzten Arbeitskämpfer, die anderen werfen ihm vor, das Land in Geiselhaft zu nehmen. Ganz eigenmächtig handelt er aber nicht: 97 Prozent seiner Gewerkschaftsmitglieder stimmten in einer Urabstimmung für eine mehrtägige Arbeitsniederlegung.

Klar ist, dass Weselsky mit seiner Art für verhärtete Fronten sorgt: In einem Interview warf er den DB-Managern vor, sie würden Arbeitsbedingungen schaffen, die „menschenverachtend“ seien. Das DB-Management sei arrogant und würde sich nur weigern, die Forderung der Gewerkschafter umzusetzen, weil es durch den Streik wegfallenden Einnahmen ohnehin mit Steuergeldern ausgleichen könne.

Die DB-Verhandler wiederum werfen Weselsky vor, sich Kompromissen zu verweigern. Die Verträge der GDL mit 18 Bahnunternehmen bezeichnen sie als „PR-Gag“. Diese seien nämlich daran gebunden, dass die Gewerkschaft sich mit der DB einige. Für Unmut sorgte, dass Weselsky und die GDL mit Fair Train eine Leiharbeitergenossenschaft gründeten, die Lokführer an Bahnunternehmen vermitteln soll. Die Idee: Fair Train stellt die Lokführer zu jenen verbesserten Bedingungen an, denen sich die DB verweigert. Der Staatskonzern zweifelt deswegen an, ob die GDL wegen dieser Doppelrolle berechtigt ist, Tarifverträge zu verhandeln.

3. Wie viel kostet der Bahnstreik und wie wirkt er sich auf Österreich aus?

Bis zu einer Milliarde Euro könnte die deutsche Volkswirtschaft in den kommenden sechs Tagen verlieren, weil auch der Güterverkehr durch den Streik still gelegt wird. Das schätzt das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft. Andere Ökonomen bezweifeln die Zahl, die Folgen seien so kurzfristig nicht wirklich abschätzbar. „Es drohen harte Einschränkungen bis hin zu einzelnen Produktionsausfällen, Drosselungen und Stillständen in der Industrie“, schreibt jedenfalls die Interessensvertretung Bundesverband der Deutschen Industrie.

ÖBB wie Westbahn fahren trotz des Streiks zumindest bis München, auch die Strecke über das Deutsche Eck bleibt in Betrieb. In Deutschland selbst wurde ein Notfahrplan aufgestellt, rund 20 Prozent der Züge sollen fahren. Busunternehmer und Mietwagenverleiher berichten von stark gestiegenen Buchungen.

4. Warum wird nun darüber geredet, das Streikrecht einzuschränken?

Laut Umfragen verliert die deutsche Bevölkerung das Verständnis für die ständigen Streiks. Im vergangenen Jahr legten die 180.000 Mitglieder der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft die Arbeit nieder, die mit dieser konkurrierende GDL streikte bereits mehrmals. Die kompromisslose Haltung Weselskys wird immer wieder als Mittel im Kampf um neue Gewerkschaftsmitglieder gedeutet.

CDU-Chef Friedrich Merz stellte wegen des langen, teuren und sehr kurzfristig angekündigten Bahnstreiks in den Raum, das Streikrecht für Mitarbeiter von kritischer Infrastruktur einzuschränken. Kanzler Olaf Scholz lehnt das ab, appellierte aber an die Lokführer, von ihrem Streikrecht „mit klugem Maß Gebrauch zu machen“.

Das deutsche Streikrecht leitet sich aus dem Grundgesetz ab. Was genau erlaubt ist und wo die Grenzen liegen, steht darin nicht.

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