Palästinenser-Hilfswerk

Österreich stoppt Zahlungen: Wie sich UNRWA-Mitarbeiter am Hamas-Terror beteiligt haben sollen

Archivbild. Mitarbeiter des UN-Hilfswerks bei der Arbeit in Rafah im südlichen Gazastreifen am 12. Dezember.
Archivbild. Mitarbeiter des UN-Hilfswerks bei der Arbeit in Rafah im südlichen Gazastreifen am 12. Dezember.APA / AFP / Mohammed Abed
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Auch Österreich stoppt die Zahlungen an das UN-Hilfswerk in Gaza –und kritisiert den Umgang der Vereinten Nationen mit dem Skandal. Zugleich werden neue Details bekannt: Einer der UNRWA-Mitarbeiter soll eine Frau entführt haben.

Während immer mehr grausame Details über die Verwicklung von UN-Mitarbeitern in das Hamas-Massaker bekannt werden, dreht die westliche Welt dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten den Geldhahn zu - von Deutschland bis zu den USA. Auch Österreichs Außenministerium stoppt nach einem ersten Zögern und nach Gesprächen mit „internationalen Partnern“ die Zahlungen. Im Außenministerium kritisiert man dabei den Umgang der Vereinten Nationen mit dem Skandal: „Dass es von Seiten der UNO erst am heutigen Montag ein Briefing für die Geberländer gibt, ist nicht erfreulich“, sagt Claudia Türtscher, die Sprecherin von Außenminister Alexander Schallenberg zur „Presse“.

Das UNO-Hilfswerk steht im Verdacht, dass zwölf seiner Mitarbeiter am Großangriff der islamistischen Terrororganisation Hamas gegen Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen sein könnten. „Die Anschuldigungen (...) sind zutiefst schockierend und äußerst beunruhigend“, erklärte das Außenamt am Montag. Man fordere eine „lückenlose Untersuchung der Vorwürfe, es gehe um die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen.

Der Vertreter der Palästinenser in Österreich, Salah Abdel Shafi, zeigte sich „zutiefst schockiert über das Vorgehen“ der Staaten. „Aufgrund von Vorwürfen gegen zwölf Angestellte, die noch nicht untersucht und geklärt wurden, wurde von diesen Staaten eine Entscheidung getroffen, die Millionen von Palästinenserinnen und Palästinensern zu einem äußerst kritischen Zeitpunkt kollektiv bestraft.“

Die „New York Times“ veröffentlichte am Montag neue Details zu den Vorwürfen. Ein UNRWA-Mitarbeiter soll eine Frau entführt haben. Eine weitere Person soll Munition ausgegeben haben. Eine dritte wiederum soll direkt am Massaker auf einen Kibbutz beteiligt gewesen sein, wobei 97 Menschen ums Leben gekommen sind. Fragen und Antworten zu den Vorwürfen gegen das UN-Hilfswerk für die Palästinenser.

Was genau wird den UNRWA-Mitarbeiter angelastet?

Israel hat in der Vorwoche Beweise vorgelegt, wonach zwölf Beschäftigte der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees) am Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober mitgewirkt hatten. Nach israelischen Angaben wurden an diesem Tag rund 1200 Menschen in Israel getötet und etwa 240 entführt und nach Gaza gebracht.

Der „New York Times“ ist es gelungen, einen der zwölf Angestellten zu identifizieren. Es handle sich um einen Lager-Manager, der sich auf sozialen Medien als UNRWA-Mitarbeiter bezeichnet und auch mit Kleidung mit UN-Branding zu sehen ist. Das israelische Dossier, in das US-Behörden am Freitag erstmals Einblick bekamen, listet alle zwölf Namen und die Tätigkeiten der Personen für die UNRWA genau auf.

Dem israelischen Dossier zufolge sollen israelische Geheimdienstmitarbeiter die Bewegungen von sechs der Männer am 7. Oktober innerhalb Israels anhand ihrer Telefone nachgezeichnet haben. Andere wurden während ihrer Telefongespräche innerhalb des Gazastreifens überwacht, in denen sie laut den Israelis ihre Beteiligung an dem Hamas-Angriff besprochen haben. Drei andere erhielten Textnachrichten, in denen sie aufgefordert wurden, sich am 7. Oktober an Sammelpunkten einzufinden, und einer wurde aufgefordert, raketengetriebene Granaten mitzubringen, die in seinem Haus gelagert waren, so das Dossier.

Die detailliertesten Anschuldigungen in dem Dossier betreffen einen Schulmitarbeiter aus Khan Younis im südlichen Gazastreifen, dem vorgeworfen wird, gemeinsam mit seinem Sohn eine Frau aus Israel entführt zu haben. Einem Sozialarbeiter aus Nuseirat im Zentrum des Gazastreifens wird vorgeworfen, dabei geholfen zu haben, die Leiche eines toten israelischen Soldaten nach Gaza zu bringen, sowie Munition verteilt und Fahrzeuge am Tag des Angriffs koordiniert zu haben.

Wie hat die UNO auf die Vorwürfe reagiert?

UN-Generalsekretär Guterres erklärte, dass jeder Mitarbeiter, der in Terrorakte verwickelt ist, zur Rechenschaft gezogen werde und zwar „auch strafrechtlich“. Das Büro für interne Ermittlungen sei schon aktiv geworden. Guterres betonte zugleich, dass die Finanzierung der UNRWA schon jetzt nicht ausreiche, um die zwei Millionen Menschen in Gaza im Februar zu unterstützen. Er bat daher Staaten, die ihre Beiträge ausgesetzt haben, um Milde. Es sollten auch nicht alle zehntausenden UNRWA-Mitarbeiter kollektiv estraft werden. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini, ein Schweizer, sagte, er sei über die Vorwürfe schockiert, allerdings auch darüber, dass UNRWA-Geldgeber ihre Beschlüsse zum Aussetzen der Hilfe „auf Basis von mutmaßlichem Verhalten einiger weniger Leute treffen“. Die Palästinenser bräuchten aber „keine zusätzliche kollektive Bestrafung“.

Welche Staaten haben ihre Zahlungen an die UNRWA gestoppt?

Die 1949 gegründete Organisation mit Sitz in Amman (Jordanien) und Gaza steht unter massivem Druck, weil nunmehr bereits mindestens zehn Staaten ihre Zahlungen eingefroren haben, darunter Haupt­finanziers wie die USA, Deutschland, Frankreich, Australien, Italien und Japan. Montagfrüh schloss sich ebn Österreich dem Zahlungsstopp an.

Wie viel Geld überweist Österreich normalerweise an die UNRWA?

Österreich überweist jährlich 400.000 Euro an das UNRWA. Heuer war darüber hinaus eine weiter Zahlung von drei Millionen Euro für ein Gesundheitsprojekt geplant. Als die Vorwürfe publik wurden, drängte Österreich zunächst „nur“ auf rasche und volle Aufklärung, Montagfrüh wurde dann der Kurs verschärft. „Es war uns wichtig, uns vor einer Entscheidung eng mit internationalen Partnern abzusprechen“, sagt Sprecherin Türtscher.

Was macht die UNRWA eigentlich?

Das UNRWA wurde 1949 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen gegründet. Das UN-Hilfswerk kümmert sich um die Belange der als Flüchtlinge registrierten Palästinenser und ihrer Nachkommen, die im Zuge der Staatsgründung Israels 1948 und des darauffolgenden ersten arabisch-israelischen Krieges vertrieben wurden oder geflohen sind. Aufgrund des vererbbaren Flüchtlingsstatus‘ stieg deren Zahl von rund 750.000 im Jahr 1948 auf mittlerweile 5,9 Millionen Menschen an.

Die in den palästinensischen Gebieten, im Libanon, in Jordanien und in Syrien tätige Organisation hat das Mandat der Vereinten Nationen, den in ihrem Einsatzgebiet offiziell registrierten palästinensischen Flüchtlingen humanitäre Hilfe und Schutz zu gewähren, „bis eine gerechte und dauerhafte Lösung für ihre Situation gefunden ist“.

Die UNRWA-Angebote reichen dabei von Bildung, Gesundheitsfürsorge und Sozialdienstleistungen bis hin zu Infrastruktur, Mikrofinanzierung und Nothilfe während bewaffneter Auseinandersetzungen. In den UNRWA-Schulen lernen mehr als 540.000 palästinensische Kinder. Insgesamt verwaltet die UNRWA rund 60 sogenannte Flüchtlingslager, darunter 19 im von Israel besetzten und von der palästinensischen Autonomiebehörde verwalteten Westjordanland.

Von den insgesamt 30.000 UNRWA-Mitarbeitern sind allein 13.000 im Gazastreifen in mehr als 300 Einrichtungen tätig. Nach UN-Angaben sind von den 2,4 Millionen Einwohnern des Gazastreifens rund 1,7 Millionen als Flüchtlinge registriert. Insgesamt gibt es demnach in dem von der Hamas beherrschten Palästinensergebiet acht Flüchtlingssiedlungen.

Gab es schon früher Kritik an der Arbeit der UNRWA?

Die Organisation wird schon lang kritisiert. Es heißt, ihre rund 30.000 Mitarbeiter, meist aus dem arabisch-islamischen Raum, sympathisierten mit den Palästinensern, im Lehrstoff für Kinder an UNRWA-Schulen seien antiisraelische Inhalte, man fand Waffen in UNRWA-Einrichtungen. Der Flüchtlingsstatus der Palästinenser werde endlos vererbt, selbst wenn die Leute in Staaten gut integriert sind. Das Hilfswerk wolle, dass sie formal immer Flüchtlinge bleiben, und das über Generationen von Nachkommen. So wurden aus ca. 700.000 vertriebenen Palästinensern Ende der 1940er-Jahre bis heute formal tatsächlich schon mehr als fünf Millionen.

Kritisiert wird vielfach auch, dass das weltweit im Prinzip für Flüchtlinge (außer eben den Palästinensern) zuständige UN-Hilfswerk UNHCR viel weniger Mitarbeiter hat, zuletzt etwa 19.000 statt der erwähnten rund 30.000 der UNRWA. Dabei hatte das UNHCR zuletzt (Daten von 2021/22) mehr als 21 Millionen Menschen in Betreuung, bei weltweit geschätzt (ohne Palästinenser) etwa 95 Millionen Vertriebenen, Asylsuchern und Binnenflüchtlingen. (APA/AFP/dpa/Red.)

>> Der Artikel der „New York Times“ (hinter einer Bezahlschranke)

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