Kunststoffe

Scharfe Kante gegen Plastikmüll

Plastikmüll landet letztendlich im Meer. Wenn es sich aufzulösen beginnt, verschwindet es von der Oberfläche – und wird zu Microplastik.
Plastikmüll landet letztendlich im Meer. Wenn es sich aufzulösen beginnt, verschwindet es von der Oberfläche – und wird zu Microplastik.(c) Imago Images/Zuma Press
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Die Europäischen Akademien der Wissenschaften fordern drastische Beschränkungen für Plastik. Andernfalls steuere man auf einen Kollaps zu.

Empfänglich für Werbebotschaft der Plastikindustrie sind die Wissenschaftler sicher nicht. Im Positionspapier der Europäischen Akademien der Wissenschaften zu Kunststoffen wird Konsequenz gegen Plastikmüll verlangt. Das wissenschaftliche Beratergremium der Dachorganisation der Akademien (EASAC) legt eine konsequent formulierte Unterlage vor.

Adressat der Arbeit ist nicht nur die breite Öffentlichkeit, sondern sind auch die Beamten und Politiker, die verantwortlich für den Lauf der Verhandlungen über ein internationales Plastikabkommen sind. Diese haben vor zwei Jahren begonnen, nachdem in der Vollversammlung der Vereinten Nationen beschlossen worden ist, konkrete Maßnahmen gegen die Plastikflut zu ergreifen.

Kurz die Fakten: Jährlich werden 350 bis 400 Millionen Tonnen Kunststoffe erzeugt – Öl und Gas sind Ausgangsmaterialien. Außerdem wird ein Mix von Chemikalien eingesetzt, um den Kunststoffen bestimmte Eigenschaften zu verleihen. Die Mengenangaben, wie viele Tonnen Altplastik in die Umwelt und insbesondere in Flüsse (und damit weiter in die Meere) gelangen, schwanken stark – zwischen wenigen Millionen Tonnen bis zu 44 Millionen (pro Jahr).

Nach dem allgemeinen UN-Beschluss, der Plastikflut Herr werden zu wollen, liegt nun seit einigen Monaten ein erster Entwurf eines Abkommens vor, der derzeit noch so ziemlich alle Varianten als denkmöglich zulässt. Das Papier ist voller eckiger und runder Klammern. In die entscheidende Phase biegen die Verhandlungen in diesem Jahr, denn das Abkommen soll bis Jahresende unter Dach und Fach sein.

In diesem Umfeld springt nun die geballte Expertise der Europäischen Akademien auf: In dem Positionspapier verfasst das wissenschaftliche Beratergremium einen Forderungskatalog. An erster Stelle wird einmal die Menge thematisiert – diese müsse drastisch sinken, andernfalls werden alle übrigen Bemühungen, die Plastikflut in den Griff zu bekommen, konterkariert. Denn: „Der Verbrauch an Materialien ist generell stark über dem Level der Nachhaltigkeit.“

Ein systematischer Ansatz sei notwendig, fordern die Wissenschaftler, die gleichzeitig den Hebel bei Produzenten und Verbrauchern ansetzen. Wichtiges Element dabei ist das Design, das gewährleisten müsse, dass alle Plastikwaren wiederverwendbar, recycelbar und kompostierbar sind. Oberstes Ziel müsse sein, dass die Kunststoffprodukte so lang wie nur irgend möglich im Kreislauf blieben.

Angeregt wird auch die Diskussion über eine Plastik-Abgabe, um der Sozialisierung von Folgekosten einen Riegel vorzuschieben – also zu verhindern, dass Umwelt- und Gesundheitskosten von der Allgemeinheit und nicht vom Verursacher bezahlt werden müssen. Insgesamt, so heißt es in der Unterlage, „muss das umweltverträglichste und nachhaltigste Produkt das günstigste sein“. In diesem Zusammenhang plädiert der Rat der Wissenschaftler auch dafür, dass eine „erweiterte Produzentenverantwortung“ ein sehr „mächtiges Instrument“ sein könne, um „alle Kosten“ abzudecken, die durch ein Produkt entstehen.

Die Höhe einer solchen Abgabe? „Schwierig zu bewerten“, sagt Michael Norton, Direktor des EASAC-Umweltprogramms. „Wie kann ein toter Wal oder eine tote Taube in Rechnung gestellt werden, wie das Nanoplastik, das im menschlichen Körper überall zu finden ist?“

Die Wissenschaftler legen den Finger auch in eine weitere offene Wunde im Handling von Plastik. Es gebe zwar Vereinbarungen, den Plastikmüll nicht in Länder außerhalb der OECD in Afrika, Asien und Süd- und Mittelamerika zu exportieren. Diesen Staaten fehlen häufig Einrichtungen und Geld, um mit dem Plastikmüll fertig zu werden. Aber diese Abkommen werden vielfach einfach nicht eingehalten. Deshalb sei es entscheidend, dass das internationale Anti-Plastik-Abkommen, das gerade verhandelt wird, sicherstellt, dass die Schlupflöcher geschlossen und dieser Export des Plastikmülls unterbunden werde.

Gewarnt wird schließlich auch davor, dass Plastik-Recycling als Allheilmittel angesehen werde. „Recycling ist aufgrund der schlechten Qualität gemischter Kunststoffabfälle von Natur aus eine Herausforderung“, fasst Michael Norton zusammen.

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