Gericht

Die Moskau-Connection im Kurz-Prozess

Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli am Weg in den Gerichtssaal.
Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli am Weg in den Gerichtssaal.APA/E. Manhart
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Wie zwei russische Geschäftsmänner auf den Falschaussage-Prozess gegen Sebastian Kurz einwirken – dies zeigte eine Videokonferenz mit Moskau. Die Frage lautete: Wurde Thomas Schmid von der WKStA unter Druck gesetzt?

Alles halb so wild. Auf diesen Nenner könnte man die mit Spannung erwartete Zeugenbefragung eines russischen Geschäftsmannes bringen. Gemäß Vorabinformationen, die aus dem Umfeld von Sebastian Kurz kamen, soll der Hauptbelastungszeuge, Thomas Schmid, zwei Russen verraten haben, dass nicht alles stimme, was er der Korruptionsstaatsanwaltschaft, der WKStA, erzählt habe. Dies wurde nun aber von einem der beiden Russen so nicht bestätigt.

Der per Videokonferenz aus der österreichischen Botschaft in Moskau zugeschaltete Geschäftsmann Valery A. (63) gab an, er habe „den Eindruck“ gehabt, dass Schmid als Zeuge der Anklage seine Aussage bei der WKStA so angelegt habe, „dass die Staatsanwaltschaft befriedigt“ sei. Schmid habe aber nicht erklärt, etwas Falsches zu Protokoll gegeben zu haben. Der aus Moskau zugeschaltete Zeuge ergänzte: Schmid würde wohl niemals sagen, dass er vor der WKStA gelogen habe, denn Schmid sei ja schließlich „ein kluger Kerl“.

Wie kommen nun zwei russische Geschäftsleute in den Falschaussage-Prozess gegen Ex-Kanzler Kurz und den früheren Kanzleramts-Kabinettschef Bernhard Bonelli? Und was hatte Schmid, der vormalige Generalsekretär des Finanzministeriums und spätere Öbag-Vorstand, mit diesen Leuten zu tun? Die Vorgeschichte mutet eigenartig an.

Der potenzielle Kronzeuge

Schmid hatte nach Auffliegen diverser Chat-Affären mehrere Probleme. Er verlor seinen Job als Staatsholding-Chef. Und er wurde wegen der auf seinem Mobiltelefon sichergestellten Chats zum Beispiel in der Inseraten-Affäre als Beschuldigter geführt (die Löschung dieser Chats aus dem Gerichtsakt war zuletzt vom Verteidiger des Ex-Kanzlers verlangt worden, dem kam das Gericht aber nicht nach). Schmid sah zwei Auswege: Erstens auswandern – und zwar in die Niederlande. Und zweitens: mit der WKStA vollumfänglich kooperieren. Durch eben diese Zusammenarbeit, so die Überlegung von Schmid, würde er sich den Status eines Kronzeugen „erarbeiten“. Somit würde die WKStA von der Verfolgung zurücktreten.

Ob Schmid nun tatsächlich Kronzeuge wird, ist noch immer nicht entschieden. Den Antrag dazu hat er bereits im November 2022 gestellt. Bisher wurde noch nicht darüber entschieden. Feststeht, dass Schmid durch seine Zeugenaussage im Falschaussage-Prozess die beiden Beschuldigten Kurz und Bonelli schwer belastet hat. Schmid sei aber unglaubwürdig, hieß es seitens der Verteidigung. Er beschuldige andere, um selbst Straffreiheit zu erlangen. Vor diesem Hintergrund tauchte zu Beginn des nunmehr seit elf Verhandlungstagen laufenden Falschaussage-Prozesses – Kurz und Bonelli sollen vor dem Ibiza-U-Ausschuss ihre Rolle bei Besetzung der Öbag-Gremien falsch dargestellt haben – die Sache mit den Russen auf.

Zwei Treffen in Amsterdam

Demnach hat sich Schmid im August vorigen Jahres mit dem russischen Geschäftsmann Valery A. getroffen. Die in St. Petersburg angesiedelte Firma von A. stellt künstliche Diamanten her. Das Treffen zwischen Schmid und A. fand in Amsterdam statt. Wie A. nun vor der Videokamera angab, sei es für Russen „heutzutage nicht so einfach um die Welt zu reisen“.

A. erzählte weiter, ein russischer Freund habe ihm Schmid empfohlen. Der Richter wunderte sich. Denn bei dem Job, den A. zu vergeben hatte, ging es um ein „Ölprojekt“ in Georgien. Richter: „Schmid war als Beamter für die hoheitliche Abgabenverwaltung zuständig, hat keine Erfahrung mit Ölprojekten und spricht weder russisch noch georgisch. Warum also Schmid?“ Zeuge A.: „Schmid kann perfekt Englisch. Sein Lebenslauf hat mir sehr gut gefallen. Er hat hervorragende Erfahrung für diese Stelle. Er war ein hoher Manager und hat viele Kontakte in Europa.“

Deshalb will A. ernsthaft überlegt haben, Schmid als CEO des Öl-Unternehmens einzustellen (letztlich wurde es nichts mit dem Job). Zur Sicherheit habe er einen Tag nach dem Treffen eine zweite Zusammenkunft vereinbart. Bei dieser sei ein weiterer russischer Geschäftsmann, Aleko A., dabei gewesen. Man habe Schmid nun auch auf dessen laufende Strafverfahren angesprochen. Von diesen wollen die Russen aus dem Internet erfahren haben.

„Druck der Staatsanwaltschaft“

Schmid habe erzählt, er stehe „unter sehr starkem Druck der Staatsanwaltschaft“, gab nun A. zu Protokoll. Und: Schmid habe den Eindruck vermittelt, er wolle „unbeschadet“ aus seinen strafrechtlichen Problemen herauskommen.

Der Richter erkundigte sich bei dem Zeugen, ob Schmid zugegeben habe, vor der WKStA unrichtig ausgesagt zu haben. Dies bestätigte A. aber nicht. Sondern: „So konkret haben wir das nicht besprochen. Wir haben das ziemlich locker besprochen.“

Ein Zeuge muss zum Englischtest

Da der Zeuge angab, all das auf Englisch erörtert zu haben, unterzog Richter Michael Radasztics den Russen einem kleinen Englischtest – indem er auf Englisch nachfragte, wie sich dieser Dialog mit Schmid abgespielt habe. A. stieg darauf ein und erzählte das Ganze noch einmal in einem zumindest verständlichen Englisch. Und er ergänzte, dass Schmid erklärt habe, zur Gruppe um Kurz gehört zu haben. Von diesen Leuten sei er schlecht behandelt worden.

Der zweite Geschäftsmann, Aleko A., ließ Mittwochnachmittag überraschend wissen, sich unwohl zu fühlen. Er soll nun am 23. Februar per Videokonferenz befragt werden. Und auch Schmid soll noch einmal zu Wort kommen. Ebenfalls per Videokonferenz – zwischen Wien und Amsterdam.

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