Analyse

Womit die FPÖ plant, die „Schulpflicht“ zu ersetzen

Die FPÖ wünscht sich mehr Freiraum bei der Bildung und Deutsch als Zugangsbeschränkung.
Die FPÖ wünscht sich mehr Freiraum bei der Bildung und Deutsch als Zugangsbeschränkung. Miniseries
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Die FPÖ stellte am Donnerstag ihr Bildungskonzept vor. Verfassungsjurist Heinz Mayer findet die Vorschläge „sehr problematisch“, ÖVP-Bildungsminister Polaschek empfindet sie als „billiger Populismus“.

Bislang drängte der Bildungssprecher der FPÖ selten in die erste Reihe. Als die „Presse“ etwa im Sommer 2023 alle Bildungssprecher der Parlamentsparteien zu Interviews lud, schickte Hermann Brückl eine Klub-Kollegin vor. Am Donnerstag aber hatte er seinen großen Auftritt: Bei einer Pressekonferenz stellte er die wichtigsten bildungspolitischen Ziele der in allen Umfragen führenden FPÖ vor. Allen voran: die Abschaffung der „Schulpflicht“ zugunsten einer „Bildungspflicht“. Als Hürde vor dem Schuleintritt will Brückl zudem eine Deutschpflicht einführen. „Auszeitklassen“ für verhaltensauffällige Schüler sind ebenso gewünscht.

Zur Einordnung: Schon jetzt gibt es in Österreich keine Schulpflicht, sondern eine Unterrichtspflicht. Es ist also bereits jetzt möglich, zu Hause oder in Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht unterrichtet zu werden, so wie sich die FPÖ das wünscht. Brückl betonte am Donnerstag, dass öffentliche Schulen weiter zentraler Ort der Bildung sein sollen. Vorrangig sei für ihn aber das Erreichen von nicht näher definierten Bildungszielen – auch außerhalb der Schule.

Liebäugeln mit dem Heimunterricht

Damit liebäugelt die FPÖ offenbar mit dem Ausbau des Heimunterrichts. Das ist nicht überraschend. Einerseits, weil die FPÖ ein Familienbild vertritt, bei dem sich Mütter selbst um die Kinderbetreuung kümmern. Andererseits finden sich unter den FPÖ-Sympathisanten viele Eltern, die die Anti-Corona-Maßnahmen wie Testungen und Masken in den Schulen zum Höhepunkt der Pandemie nicht gutgeheißen haben. Damals schoss die Zahl der Schulabmeldungen in die Höhe. Zuvor lag sie relativ stabil zwischen 2300 bis 2600 pro Jahr. Im Corona-Schuljahr 2021/2022 stieg sie auf 7515 an. Viele, die von zu Hause unterrichtet wurden, scheiterten jedoch an der verpflichtenden Externistenprüfung und mussten das Schuljahr wiederholen. Als Reaktion verkürzte das ÖVP-Bildungsministerium die Frist für Schulabmeldungen und führte ein „Reflexionsgespräch“ vor den Semesterferien ein. Das Argument: Ein Mehr an häuslichem Unterricht, wie jetzt von der FPÖ gefordert, könnte den Bildungserfolg vieler Kinder gefährden, weil nicht jedes Elternteil geeignet ist, studierte Pädagogen zu ersetzen.

Die Gruppe der außerordentlichen Schüler, also jene, die nicht gut genug Deutsch können, um dem Regelunterricht zu folgen, ist von der Möglichkeit auf Heimunterricht derzeit ausgeschlossen. Sie müssen in die Schule gehen und dürfen nicht außerhalb unterrichtet werden. Brückl fordert nun das Gegenteil. Er will explizit eine „Deutschpflicht vor Schuleintritt“: Kinder, die nicht gut genug Deutsch können, sollen am Schulbesuch gehindert werden. Verfassungsjurist Heinz Mayer findet das auf „Presse“-Nachfrage „sehr problematisch“.

Bruch von Menschenrecht?

Das Recht auf Bildung verpflichtet den Staat laut Menschenrechtskonvention, eine Schulausbildung zu ermöglichen. Wie die Kinder dennoch Deutsch lernen sollen, ließ Brückl offen. Eine Möglichkeit wären die Deutschförderklassen. Die gibt es bereits – sie wurden von Türkis-Blau 2018 eingeführt. Experten halten sie inzwischen aber für ungeeignet und nicht praxistauglich, weil sie nicht zielführend seien und ohnehin nicht an allen Standorten zustandekommen.

Die von der FPÖ ebenso geforderten „Auszeitklassen“, die dem steigenden „Gewalt- und Konfliktpotenzial“ an Schulen begegnen sollen, kann sich inzwischen auch Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) vorstellen. Davon abgesehen aber sorgen die FPÖ-Ideen für Kopfschütteln. Sie „beweisen erneut die umfangreiche Inhaltsleere“ der FPÖ bei der Bildung, sagt etwa ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek auf „Presse“-Nachfrage. Er nennt die Forderungen „billigen Populismus“. Es stehe außer Frage, dass „jedes Kind die beste Bildung verdient“. SPÖ-Bildungssprecherin Petra Tanzler reagiert „entsetzt“: Den Schuleintritt an Deutschkenntnisse zu knüpfen sei „an Absurdität nicht zu übertreffen.“ Die Grünen sprechen auf Nachfrage ebenso von „absurden“ Forderungen.

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