Glosse

Putin, der schamlose Oberlehrer

Reuters / Sputnik
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Der Kreml-Herr gibt US-Moderator Tucker Carlson eine Lehrstunde. Dieser kann der Propagandashow nichts entgegensetzen.

Großer Coup, großer Flop: Das ist das Fazit des als sensationell vermarkteten ersten TV-Interviews eines westlichen Journalisten mit Wladimir Putin seit der russischen Invasion in der Ukraine seit bald zwei Jahren. Der Kreml-Herr gab den Oberlehrer, hielt einen Abriss über die stolze russische Geschichte – und der Trump-Apologet Carlson, ein grandioser Verschwörungstheoretiker, konnte ihm nichts entgegensetzen. Am Ende standen eine 127-minütige Propagandashow des russischen Präsidenten, in dem er den US-Journalisten vorführte.

Dass Boris Johnson, der damalige britische Premier, schuld am Abbruch der Friedensverhandlungen mit der Ukraine in Istanbul gewesen sei; dass Russland nicht daran denke, in Polen und im Baltikum einzumarschieren; dass die Ukraine Bestandteil des russischen Imperiums ist: Putin, der Friedensfürst, gab Einblick in sein wirres Weltbild. Und Tucker Carlson staunte – und kam aus dem Staunen nicht heraus.

War da nicht etwas mit Alexej Nawalny? Und warum untersagte der Kreml die Kandidatur des unbequemen Kriegsgegners Boris Nadeschdin, der in den vergangenen Wochen plötzlich Zulauf erhielt? Wer sich kritisches Nachfragen erhofft hatte, war von vornherein auf dem falschen Posten. Nie hätte Putin einem kritischen Journalisten ein Interview gewährt. Als medialer Transporteur war Tucker Carlson indessen gut. Erkenntnisgewinn null.

Carlson hätte dies wissen können, hätte er sich nur akribisch vorbereitet. Als schamloser Oberlehrer hatte sich Putin auch schon gegenüber Olaf Scholz und Emmanuel Macron bei deren Kreml-Visiten im Februar 2022 geriert. Wenig später griff Putin dann die Ukraine an. 

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