Jacqueline Kornmüller in ihrem Haus in der Oststeiermark.
Menschen

Erzählungen vom Hausverkauf: „Der Mann sah das Bad und war schockiert“

Regisseurin Jacqueline Kornmüller erzählt in einem außergewöhnlich illustrierten Büchlein von Begegnungen bei dem Versuch, ihr Haus zu verkaufen.

Als Erstes kam der Innenministermann, aber dass es mit ihm nichts werden würde, merken alle Beteiligten schnell. „Unten im Keller angekommen“, so heißt es, sah der Mann „das Bad an, und das Bad sah den Mann an, und beide waren schockiert voneinander“.

Es sollten freilich noch andere kommen. „Die Suchende“ etwa, wie Kornmüller die Managerin eines Campingplatzes nennt; die zwar versichert, dass das Haus zu ihr spricht, die aber dummerweise „den Frager“ im Gepäck hat, der so viele Fragen stellt, dass das Haus langsam ungehalten wird. Auch wenn es sich nichts anmerken lässt.

„Das Haus verlassen“ heißt das Buch, in dem die Regisseurin Jacque­line Kornmüller vom Versuch erzählt, ihr Haus zu verkaufen, und das Wort „verlassen“ steht dabei nur ganz klein auf dem grünen Cover, denn nicht zuletzt geht es um das Haus – das bei der Prozedur ein Wörtchen mitzureden hat.

Ein Jahrzehnt ist es her, dass die deutsche Regisseurin, die man nicht zuletzt von ihren Ganymed-Abenden im Wiener Kunsthistorischen Museum kennt, das alte Haus selbst für sich entdeckt hat. Eigentlich auf der Suche nach einem Garten, hatte sie das Steinhaus in der Oststeiermark gefunden. „Es liegt fantastisch“, sagt sie, „ein ganz toller, stiller Ort“, den sie mit ihrem Partner, Peter Wolf, nach und nach „erfunden“, das Haus auf Vordermann gebracht hat. Aber, sagt Kornmüller: „Wir haben auch eine Art Zugvogelgen in uns. Das bringt das Theaterleben mit sich. Man tut sich da leichter, etwas aufzugeben und wieder etwas Neues aufzubauen. Ich habe jedenfalls das Gefühl gehabt, ich könnte diesen Ort auch wieder lassen. Und dann habe ich tatsächlich eine Anzeige auf Willhaben geschalten.“

Erkundung des Privaten

Als erster Interessent kam besagter „Innenministermann“, ein Beamter aus dem Ministerium, und schon bei ihm, erinnert sich Jacqueline Kornmüller, habe sie sich gedacht: „Wow, das ist eigentlich ein dokumentarisches Projekt.“ Ab da machte sie sich Aufzeichnungen über die Besucher, begann, sich Gedanken über die Menschen zu machen, die da kamen. Manche habe sie in einer Figur zusammengefasst, „andere waren einfach ein Juwel an sich. Es war unglaublich spannend – der Hausverkauf hat mich zu dem Zeitpunkt schon gar nicht mehr interessiert.“

Was alle Besucher verbunden habe, war die Faszination für das Haus. Kornmüller hatte es heruntergekommen, mit kaputtem Dach übernommen. „Aber es war trocken, deswegen konnte man vieles machen.“ Und all die Interessenten, so ihre Beobachtung, hatten einen bestimmten Traum, wie man leben oder wohnen soll. Viele wussten gleich, wo was stehen solle, was man behalten würde und was nicht. „Dadurch haben diese Menschen sich in mein Haus hineingeträumt. Das war der spannende Vorgang, weil es ja mein Haus war. Diese Erkundung des Privaten fand ich super interessant.“

Ergänzt wird das hochwertig produzierte Büchlein von Zeichnungen der Berlinerin Kat Menschik, die etwa die Bücher Haruki Murakamis illustriert. Kornmüller hatte 2022 im Odeon dessen „Unheimliche Bibliothek“ als Bühnenstück inszeniert und Menschik gefragt, ob sie das Buchcover als Plakat verwenden dürfe. Daraus entstanden eine Freundschaft und eine Zusammenarbeit. Mangels anderer Kontakte im Literaturbereich, erzählt Kornmüller, habe sie ihre Erzählung dann einfach Menschik geschickt, „sie hat es ihrem Verleger weitergereicht, und der hat zugegriffen“, freut sie sich über den Mut, an eine Quereinsteigerin zu glauben. Erschienen ist das Buch in Menschiks eigener Reihe: Ihre „illustrierten Lieblingsbücher“ waren anfangs Klassiker; inzwischen gehören dazu auch eigene Reiseberichte, zeitgenössische Schriftsteller oder auch einmal ein Kochbuch oder eines über Tomaten. Das, so Kornmüller, sei inzwischen das Konzept: „dass die Bücher aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit strahlen“.

Apropos Paradeiser. Natürlich hat das Steinhaus auch einen Garten. Wie er aussieht, hängt von Kornmüllers Projekten ab. Für den Blumengarten lässt sie sich schon einmal Samen aus England oder Tulpenzwiebel aus Holland oder Frankreich schicken. In einem Gewächshaus zieht sie Sommerblumen; wenn die Zeit fehlt, kauft sie sie bei der Blumenabgabe in Schönbrunn. Am meisten leide meist der Gemüsegarten. Der brauche eigentlich tägliche Pflege, die sie nicht bieten kann.

Illustratorin Kat Menschik hat das Haus übrigens nicht besichtigt, sondern ihre eigene Erzählung gefunden, durch ihr eigenes Feldsteinhaus. „Sie zum Beispiel“, sagt Kornmüller, „würde ihr eigenes Haus nie aufgeben.“

Zur Person

Jacqueline Kornmüller (geb. 1961 in Garmisch-Partenkirchen) hat 2008 mit Peter Wolf die Gruppe Wenn es soweit ist gegründet, mit der sie u.a. die Ganymed-Serie im KHM realisiert hat, die nach dem Besu­cherrekord heuer pausiert. Im April inszeniert Kornmüller „Das große Heft“. Buch: „Das Haus verlassen“. Illustriert von Kat Menschik, Galiani Berlin, 96 Seiten, 23,50 Euro. Präsentation: 20. Februar, 19 Uhr, Odeon.

Web: wennessoweitist.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.