Tod im Straflager

Julia Nawalnaja: „Werde die Arbeit meines Mannes fortsetzen“

Archivbild vom 17. Jänner 2021: Julia Nawalnaja und ihr Mann Alexej Nawalny auf dem Flug von Berlin nach Russland, wo Alexey unmittelbar nach Ankunft festgenommen wurde.
Archivbild vom 17. Jänner 2021: Julia Nawalnaja und ihr Mann Alexej Nawalny auf dem Flug von Berlin nach Russland, wo Alexey unmittelbar nach Ankunft festgenommen wurde.Reuters / Maria Vasilyeva
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Die Witwe des im Straflager ums Leben gekommenen Alexej Nawalny beschuldigt Putin direkt und wendet sich in einem Video an die Öffentlichkeit: „Ich möchte ein freies Russland aufbauen“. Auch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen geht von einer gezielten Tötung Nawanlys aus.

Nach dem Tod des russischen Regimegegners Alexej Nawalny im Straflager hat sich seine Witwe, Julia Nawalnaja, in einem Video mit deutlichen Worten an Wladimir Putin gewandt. Sie warf dem russischen Präsidenten vor, ihren Mann getötet zu haben, weil dieser es nicht geschafft habe, ihn zu brechen. Nawalnaja kündigte außerdem an, die Arbeit ihres Mannes fortsetzen zu wollen. Sie wolle ein „freies Russland“ aufbauen und in einem „freien Russland“ leben. Sie richtete einen Appell an die Unterstützter ihres Mannes, bzw. an alle Russen: „Gebt nicht auf!“ Sie selbst wolle an der Seite der Unterstützer ihres Mannes weiterkämpfen.

Nawalnaja, war am Montag zum EU-Außenministertreffen in Brüssel eingeladen. Sie hatte am Vorabend erstmals seit dem Tod ihres Mannes auf Instagram einen Beitrag abgesetzt – ein Foto, auf dem Nawalny sie liebkoste und mit den Worten: „Ich liebe dich“. Tausende Menschen sprachen in Kommentaren Julia Nawalnaja Mut zu und wünschten ihr Kraft. Am Montagmorgen hatte der Eintrag mehr als eine halbe Million Aufrufe.

Name von Nawalnys Mörder werde veröffentlicht

In dem auf Youtube veröffentlichten Video mit vielen privaten Bildern, aber auch Aufnahmen von Nawalnys öffentlichen Auftritten warf sie Putin den Mord an ihrem Ehemann vor. „Vor drei Tagen hat Wladimir Putin meinen Mann Alexej Nawalny getötet“, sagte sie. Ihr Mann sei im Straflager zu Tode gequält und gefoltert worden, indem er auch immer wieder in Einzelhaft in einem kleinen Betonkasten eingesperrt worden sei. Der Name desjenigen, der den Mord ausgeführt habe im Auftrag Putins, werde in Kürze veröffentlicht, sagte sie.

Nun verstecke das Regime sogar die Leiche des 47-Jährigen, sagte Nawalnaja. Sie zeigte in dem Video auch ein Bild der Mutter, die in der Polarregion nach ihrem toten Sohn sucht. Putin habe ihr den liebsten und wertvollsten Menschen genommen, die Hälfte ihrer Seele und ihres Herzens, sagte Nawalnaja. Mit der anderen Hälfte wolle sie nun wie ihr Mann gegen Ungerechtigkeit und Korruption und für ein freies Russland kämpfen.

„Ich habe keine Angst“, sagte sie mit Blick auch auf eine Aussage Nawalnys, der die Menschen in Russland immer wieder zum Widerstand gegen Putin aufgerufen hatte. Unklar war aber, ob sie nach Russland zurückkehrt.

Nawalnys Mutter und die Anwälte haben indes nach Angaben der Sprecherin des Oppositionellen weiter keinen Zugang zur Leiche des 47-Jährigen. Am Montag in der Früh seien Alexejs Mutter Ljudmila Nawalnaja und die Anwälte nicht in die Leichenhalle in der nordrussischen Stadt Salechard gelassen worden. „Auf die Frage, ob sich dort Alexejs Körper befindet, antworten die Mitarbeiter nicht“, so Kira Jarmysch auf X.

Von der Leyen geht von gezielter Tötung Nawalnys aus

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und CDU-Chef Friedrich Merz gehen von einer gezielten Ermordung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny aus. Sie habe bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit der Witwe von Nawalny gesprochen und diese habe sehr eindrücklich geschildert, dass Nawalny noch am Tag vor dem Beginn der Sicherheitskonferenz über Video an einer Anhörung teilgenommen habe, sagte von der Leyen Montag in Berlin bei einer CDU-Vorstandssitzung. Da habe er gescherzt und es sei sichtbar gewesen, dass es ihm gut geht. Julia Nawalnaja habe auch darauf hingewiesen, dass ihr Mann erst 47 Jahre alt und gesund gewesen sei.

„Ihre Äußerungen haben das noch mal sehr deutlich bestätigt, dass er gezielt ermordet worden ist“, fügte von der Leyen hinzu. Das zeige die Rücksichtslosigkeit und Perfidie des russischen Präsidenten Wladimir Putin, für den „wirklich kein Menschenleben“ etwas zähle. Mit dem Tod Nawalnys habe er versucht, bei der Münchner Sicherheitskonferenz seine Botschaft zu platzieren. Putin versuche, auch westliche Demokratien zu destabilisieren und zu unterminieren.

EU-Erklärung: Putin ist verantwortlich

Alle 27 EU-Staaten werfen dem russischen Präsidenten gemeinschaftlich vor, die Schuld am Tod seines politischen Gegners Alexej Nawalny zu tragen. „Die Europäische Union ist schockiert über den Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny, für den letztlich Präsident Putin und die russischen Behörden die Verantwortung tragen“, heißt es in einer durch den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell veröffentlichten Erklärung.

Die EU werde keine Anstrengungen scheuen, um Russlands politische Führung und die russischen Behörden zur Rechenschaft zu ziehen - auch durch Sanktionen. Zu Nawalny selbst heißt es in der Erklärung, während seines gesamten Lebens habe er mit der Korruptionsbekämpfung unglaublichen Mut sowie Engagement für sein Land und seine Mitbürger gezeigt. Deshalb hätten Putin und sein Regime Angst vor ihm gehabt. Der schockierende Tod Nawalnys sei ein weiteres Zeichen für die sich beschleunigende und systematische Unterdrückung in Russland.

Russische Regierung: Empörung über Tod widerwärtig

Die russische Regierung kritisiert indes die Empörung vieler westlicher Staaten über den plötzlichen Tod Nawalnys: „Wir halten es für absolut inakzeptabel, solche, nun ja, offen gesagt widerwärtigen Erklärungen abzugeben“, sagte Regierungs-Sprecher Dmitri Peskow am Montag vor Journalisten. Die Kritik werde Präsident Wladimir Putin aber nichts anhaben können.

„Diese Äußerungen können unserem Staatsoberhaupt natürlich keinen Schaden zufügen.“ Der Frage nach einer Stellungnahme Putins zum Tod Nawalnys wich Peskow aus: „Ich habe dem nichts hinzuzufügen.“ Zur Dauer der Untersuchungen der Sterbe-Ursachen des Putin-Kritikers sagte Peskow lediglich, die Ermittlungen würden gemäß gesetzlichen Vorschriften durchgeführt.

Das deutsche Außenministerium hat den russischen Botschafter indes einbestellt. Ein diplomatischer Protest gegen die Vorgänge rund um den Tod Nawalnys.

Freigabe von Nawalnys Leiche: 12.000 Menschen unterzeichnen Petition

Mehr als 12.000 Menschen hätten einen Aufruf an das russische Ermittlungskomitee unterstützt, teilte die Bürgerrechtsplattform OWD-Info am Sonntag auf Telegram mit. OWD-Info hatte den Aufruf selbst erst am späten Samstagnachmittag gestartet. „Die Herausgabe der Leiche muss so schnell wie möglich erfolgen. Wenigstens nach seinem Tod sollte Alexej Nawalny bei seinen Angehörigen sein“, heißt es in der Erklärung.

Nawalnys Anhänger werfen den russischen Behörden vor, eine Übergabe des Leichnams zu verhindern, um die Spuren seiner „Mörder“ zu verwischen. Der nach vielen Tagen in immer wieder angesetzter Einzelhaft körperlich geschwächte Nawalny war nach russischen Angaben am Freitag bei einem Hofgang im Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche blieben demnach erfolglos.

Menschenrechtler werfen dem russischen Machtapparat Mord vor. Auch die Mitarbeiter des prominenten Antikorruptionskämpfers gehen davon aus, dass Nawalny gezielt getötet wurde. Weltweit gibt es Gedenkveranstaltungen für den mit 47 Jahren in Haft ums Leben gekommenen russischen Oppositionspolitiker.

400 Menschen festgenommen

In Russland wurden bei verschiedenen Aktionen mehr als 400 Menschen festgenommen. Die Gerichte haben unterdessen begonnen, Haftstrafen von bis zu zwei Wochen zu verhängen. Am Sonntag hat auch Lynne Tracy, die US-Botschafterin in Russland, eine improvisierte Gedenkstätte in Moskau besucht. In der russischen Hauptstadt hat die Polizei eine Absperrung am Mahnmal für die Opfer von Unterdrückung der Sowjetzeit errichtet.

Seit dem Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny haben russische Gerichte schon mehr als 150 Menschen wegen öffentlicher Trauerbekundungen zu kurzen Haftstrafen verurteilt. Wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht, wurden am Samstag und Sonntag allein in St. Petersburg 154 Menschen wegen Verstößen gegen die strengen russischen Versammlungsgesetze zu bis zu zwei Wochen Haft verurteilt.

Die Witwe des in London vergifteten russischen Ex-Spions und Putin-Kritikers Alexander Litwinenko macht den russischen Präsidenten Wladimir Putin für den Tod Alexej Nawalnys verantwortlich. Sie sei geschockt gewesen vom Tod des Kremlgegners, sagte Marina Litwinenko dem britischen Nachrichtensender Sky News am Montag. Sie habe aber keinen Zweifel daran, wer dafür verantwortlich sei. (APA/Reuters/dpa/AFP)

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