TV-Notiz

Kreml-Kritikerin in der „ZiB 2“: Fünf Minuten pro Kind

Sie tue sich schwer damit, „über Alexej in der Vergangenheitsform zu sprechen“, sagte Jewgenija Kara-Mursa über Nawalny.
Sie tue sich schwer damit, „über Alexej in der Vergangenheitsform zu sprechen“, sagte Jewgenija Kara-Mursa über Nawalny.Screenshot
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Jewgenija Kara-Mursas Ehemann Wladimir überlebte zwei Gift-Attentate und sitzt in Sibirien in einer „Gefängniskolonie“ ein. Die Kreml-Kritikerin sprach über den Tod von Alexej Nawalny und was der Westen tun solle.

Es gibt da diese Geschichte mit den Stöcken. Einzeln lassen sie sich leicht zerbrechen, aber zu einem Bündel geschnürt sind sie stark. Zusammenhalt wünscht sich auch die russische Kreml-Kritikerin Jewgenija Kara-Mursa, deren Ehemann Wladimir zwei Attentate mit Gift überlebte und im vergangenen Jahr zu 25 Jahren Strafkolonie verurteilt wurde. Wenn sie sich etwas vom Westen wünsche, dann Einigkeit, sagte sie am Dienstag der „ZiB 2“: Einigkeit in der Unterstützung der Ukraine und von denjenigen, die sich dem Regime widersetzen; Einigkeit im Willen, Autokrat Wladimir Putin für seine Taten zur Rechenschaft zu ziehen, so Kara-Mursa. Denn „Putin hat alle Grenzen überschritten“.

Putin habe Nawalny „als persönlichen Feind betrachtet“

Wer den Diskurs im Westen über Russland mitverfolgt, weiß: Diese gewünschte Einigkeit ist nicht unbedingt gegeben. Selbst nicht nach dem Tod von Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der unter dubiosen Umständen in Haft ums Leben kam. Sie tue sich schwer damit, „über Alexej in der Vergangenheitsform zu sprechen“, sagte Jewgenija Kara-Mursa in der Nachrichtensendung. Sie glaubt nicht, „dass wir irgendwelche Zweifel haben können“, dass Putin Nawalny ermorden ließ: Putin habe Nawalny „als persönlichen Feind betrachtet“.

Die im Westen oft gestellte Frage, warum Nawalny nach dem Gift-Attentat nach Russland zurückgekehrt sei, formulierte auch Moderator Armin Wolf. Wo der Oppositionspolitiker doch gewusst habe, dass in seiner Heimat Haft und Tod auf ihn warten könnten. „Alexej hat geglaubt – und mein Mann glaubt das auch –, dass Russland etwas besseres verdient hat“, versuchte die Kreml-Kritikerin zu erklären. Nawalny habe an der Seite derer stehen wollen, die „zu Hause in Russland“ Repressionen ausgesetzt seien und versuchen wollen, „durch das eigene Beispiel zu zeigen, dass man seine Angst überwinden kann“.

„Die härteste Stufe im russischen Strafsystem“.

Gefasst erzählte die Dissidentin, die mit den gemeinsamen drei Kindern in den USA lebt, von ihrem Mann. Wladimir Kara-Mursa sei Ende Jänner in eine „Gefängniskolonie mit sogenannten Sonderregime“ verlegt worden, „die härteste Stufe im russischen Strafsystem“. Der Kontakt zu ihm ist spärlich, um es milde auszudrücken. Vergangenen Sommer habe sie ihn zum letzten Mal gehört, erzählt Jewgenija Kara-Mursa. Ihm sei ein 15-minütiges Gespräch zugestanden worden. Sie habe beschlossen, dass jedes der drei Kinder habe fünf Minuten mit ihm sprechen durfte. Und sei mit einer Stoppuhr daneben gestanden, schildert sie.

Vor einer Woche hätten sie ihren 20. Hochzeitstag gehabt. Der Antrag auf ein Telefonat sei von den russischen Behörden abgelehnt worden, so Kara-Mursa: Der Anlass sei nicht außergewöhnlich genug, so die Begründung. Ob sie keine Angst habe, fragte Wolf. „Ich habe jeden einzelnen Tag Angst um ihn, aber ich kann nicht zulassen, dass die Angst um ihn mich von der Arbeit abhält, die ihm und mir wirklich wichtig ist.“

Dass Putin seine Macht irgendwann abgebe, hält sie für unwahrscheinlich. „Ich glaube, dass er die Absicht hat, Russland so lange zu regieren wie er lebt. Und manchmal glaube ich, er denkt, das ist für immer.“ Für die kommende „Wahl“ Mitte März, deren Sieger schon feststeht, wünscht sie sich, dass man Putin im Westen anders bezeichne: „nicht als legitimen Herrscher der russischen Föderation“, sondern „als einen vom internationalen Strafgerichtshof gesuchten Kriminellen“, so Kara-Mursa. Ob sich darüber Einigkeit herstellen lässt? Zweifelhaft. Aber vielleicht verhält es sich mit den einzelnen Stöcken auch anders: Alleine mögen sie schwach erscheinen. Aber man kann nicht alle zugleich zerbrechen.

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