Ukraine

„16.000 Tote“: Blogger nach Veröffentlichung russischer Verluste in Awdijiwka tot

Ein russischer Soldat im unlängst eroberten Awdijiwka.
Ein russischer Soldat im unlängst eroberten Awdijiwka.Imago / Stanislav Krasilnikov
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Der russische Militärblogger „Murs“ veröffentlichte hohe Opferzahlen aus geheimer Quelle und bekam Einschüchterungsversuche der Kreml-Propagandisten zu spüren.

16.000 Mann und 300 Einheiten Militärtechnik habe Russland seit Oktober 2023 beim Sturm auf Awdijiwka verloren. Das schrieb der russische Militärblogger Andrej Morosow am 18. Februar. Nun ist Morosow tot.

Die Umstände seines Todes sind offiziell noch nicht geklärt. In ultrapatriotischen Kreisen heißt es, er habe Selbstmord verübt.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf den Konflikt zwischen russischen Ultranationalisten „mit Ortskenntnis“ und der offiziellen Kreml-Propaganda, die Wladimir Putins „Spezialoperation“ in der Ukraine in der Öffentlichkeit als erfolgreiche Unternehmung darstellt. Morosow widersprach mit seinen Äußerungen diesem geschönten Bild – und legte sich mit einflussreichen Kräften in Putins Regime an.

Keine heldenhafte Eroberung

Es ist nicht das erste Mal, dass im Kriegsgebiet stationierte Militärblogger mit Draht zum „einfachen Soldaten“ der offiziellen Moskauer Darstellung widersprechen. Erinnert sei an den unter russischen Nationalisten ebenfalls populären Igor Girkin. Der frühere Donezker „Verteidigungsminister“ und Hauptverantwortliche für den MH17-Abschuss wurde in Russland unlängst wegen des „Aufrufs zu Extremismus“ zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Anlass waren Putin-kritische Veröffentlichungen in Sozialen Medien.

Zurück zu Morosow. Er gilt als Verbündeter von Girkin und war seit vielen Jahren auf der Seite der Russen im Donbass unterwegs. Der 44-Jährige kämpfte zunächst in den Reihen der Luhansker Separatisten und diente später als Unteroffizier in der russischen Armee. In ultrapatriotischen Kreisen war er bekannt unter dem Spitznamen „Murs“. Der gebürtige Moskauer betrieb einen Telegram-Kanal mit mehr als 100.000 Abonnenten.

Er kannte die Lage vor Ort, klagte über Munitionsmangel und falsche Entscheidungen der Kommandanten. Auch den enormen Kräfteverbrauch bei der Einnahme Awdijiwkas kritisierte er. Der Ukraine sei es noch dazu gelungen, ihre Einheiten aus der Umzingelung durch russische Truppen zu befreien und sich auf früher vorbereitete Stellungen zurückzuziehen. Kiews Verluste würden „nur“ zwischen 5000 und 7000 Mann betragen. (Die von Morosow genannten Zahlen sind aus ungenannter Quelle und wurden offiziell von keiner Seite bestätigt.) An der angeblich heldenhaften Eroberung Awdijiwkas durch die russische Armee ließ der Blogger jedenfalls kein gutes Haar.

„Bringt die Nazis um!“

Nach der Veröffentlichung des Beitrag wurde Morosow im Kreml-treuen Fernsehen stark kritisiert. Man beschuldigte ihn, Lügen zu verbreiten und drohte eine mögliche Strafverfolgung an. Zwei Tage später erklärte der 44-Jährige, er sei gezwungen, seinen Post zu löschen. Aufgrund der Hetzkampagne entschied sich der Blogger offenbar zum Suizid. In seinem letzten Post kündigte er an, sich erschießen zu wollen.

Seinen großrussischen Überzeugungen blieb Morosow bis zuletzt treu. In einer seiner letzten Nachrichten auf seinem Kanal schreibt er: „Bringt die ukrainischen Nazis so effektiv wie möglich um, mit minimalen Verlusten. Russland sei gerühmt, Alter!“

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