Eigentlich sind die russischen Kriegsblogger begeistert von der Ukraine-Invasion. Doch angesichts der jüngsten Verluste äußern sie ihren Unmut über hohe Militärs ungewöhnlich offen.
Normalerweise verfassen die russischen Kriegsblogger Lobeshymnen auf den siegreichen Kampf ihrer „Jungs“ gegen die ukrainischen „Nazis“. Doch seit einiger Zeit ist die Stimmung in den Telegram-Kanälen der Ultrapatrioten mies. „Besorgniserregend“, sei die Situation an der Luhansker Front, war dieser Tage zu lesen, wo die ukrainische Armee auf dem Vormarsch ist. „Kritisch“ sei die Lage auch nordöstlich von Cherson, wo Kiews Kräfte russische Verbände in die Zange nehmen. Jewgenij Poddubnij schreibt in seinem Kanal über die „ZOV“-Operation: „Derzeit verlieren wir Leute und Territorium.“ Kollege Roman Saponkow ist direkter: „Eine Katastrophe.“ Über eine „operative Krise der Spezialoperation“, klagt wiederum der bekannte Blogger Alexander Kots.
Erfolgsmeldungen vom Vormarsch russischer Truppen sind rar geworden. Seit Anfang September erleiden Wladimir Putins Krieger Rückschläge auf dem Gefechtsfeld. Während das russische Verteidigungsministerium in seinen täglichen Lagebeurteilungen die Situation schönredet, sind die Plattformen der ultrapatrotisch gesinnten, Kreml-nahen Blogger durch ihre Ortskenntnis zu einem ungewöhnlich offenen Forum für Kritik an der Militärführung geworden. Ihre teils hochemotionalen Äußerungen zeugen vom Unmut der großrussischen Kräfte über die mäßig erfolgreiche „Spezialoperation“ des Kreml. Sollte Russland seine Kriegsziele weiter verfehlen, dürften die Zwischenrufe noch lauter werden.