Gastkommentar

Rechts ist nicht gleich rechtsextrem

Wer allzu leichtfertig Politiker ins rechtsextreme Eck stellt, erkennt bald die wahren Rechtsextremisten nicht mehr.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet SPÖ-Urgestein Josef Cap – wahrlich nicht im Verdacht stehend, Pflichtverteidiger des rechten Lagers zu sein – einmal davor warnt, den FPÖ-Obmann Herbert Kickl als „rechtsextrem“ zu bezeichnen. So wie das jüngst Bundeskanzler Karl Nehammer in der ORF-„Pressestunde“ getan hat. Wer nämlich – so Cap im oe24-TV weiter – den Begriff rechtsextrem derart inflationär benutzt, verharmlose in Wahrheit die tatsächlichen Rechtsextremisten. Wie recht er doch hat!

Welcher Todestrieb reitet gerade den ÖVP-Obmann, um sich in solcher Art und Weise für den bevorstehenden Nationalratswahlkampf zu positionieren? Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Nehammer noch ein paar Tage zuvor – im Rahmen seiner Österreich-Rede 2030 – auf klassische FPÖ-Themen wie Verschärfung der Asylpolitik, Anti-Gender-Initiative, „Leitkultur“ etc. setzte. Der Bundeskanzler positionierte sich inhaltlich somit klar rechts der Mitte mit dem augenscheinlichen Ziel, potenzielle FPÖ-Wähler an sich zu binden. Sebastian Kurz und sein Wahlkampf 2017 lassen grüßen. Das Problem ist halt nur, dass kein Mensch der ÖVP mehr Glauben schenken wird. Die Wähler haben nämlich nicht vergessen, dass es die ÖVP war, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der FPÖ im Jahr 2019 nach nicht einmal zwei Jahren beendete, um anschließend mit den Grünen eine Koalition zu bilden.

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Die ÖVP rückt mit den Vorschlägen des Bundeskanzlers zwar inhaltlich wieder näher an die FPÖ heran, wird ihre Vorstellungen jedoch nach der nächsten Wahl nicht einmal ansatzweise umsetzen können. Die SPÖ kann sich schon einmal die Hände reiben. Sie ist nämlich – aufgrund des kategorischen Neins der ÖVP zu einer Zusammenarbeit mit der Kickl-FPÖ – bei einer zukünftigen Regierung gesetzt: Aufgrund der derzeitigen Wahlumfragen ist eine Zweierkoalition ohne FPÖ ausgeschlossen. Somit verbliebe nur mehr Schwarz/Rot mit Grün oder den Neos. Glaubt die ÖVP ernsthaft, dass sich die SPÖ unter einem Parteiobmann Andreas Babler als Steigbügelhalter für eine Mitte-rechts-Politik nach der nächsten Nationalratswahl hergibt? Noch dazu mit Grün oder Neos? So naiv kann sie wirklich nicht sein.

Am Ende hilft es nur der FPÖ

Im Falle der aktuellen Debatte rund um den Begriff „rechtsextrem“ sollten die Parteien, allen voran Bundeskanzler Nehammer, einer weiteren Eskalation Vorschub leisten und zu einer sachlichen Auseinandersetzung zurückkehren. Bevor bestimmte Politiker oder Parteien unreflektiert als „rechtsextrem“ verunglimpft werden, sollte kurz innegehalten und darüber reflektiert werden, was Rechtsextremismus tatsächlich ist. Sicher nicht provokative Sager im Rahmen von Bierzelt­reden (wie jüngst jener grenzwertige von Herbert Kickl mit seiner Erstellung von „Fahndungslisten“), sondern vielmehr verfassungswidriges Verhalten durch bestimmte Inhalte wie Demokratiefeindlichkeit, Rassismus etc. Nichts von dem erscheint aber bei der FPÖ gegeben zu sein, andernfalls sie längst unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stünde bzw. bereits – wegen Verfassungswidrigkeit– verboten worden ­wäre.

Die ständige Rechtsextremismus-Keule bzw. Dämonisierung der FPÖ hilft – wie wir schon seit Jörg Haiders Zeiten wissen – nur der FPÖ selbst. Und auch der kategorische Ausschluss eines möglichen Bundeskanzlers Kickl nach der nächsten Wahl durch sämtliche Parteien ist im Grunde die beste Wahlwerbung für die FPÖ. Herbert Kickl kann schon beginnen, Dankeskarten an seine politischen Mitbewerber zu verfassen ob derart starker Wahlhilfe.

Michael Etlinger ist Jurist und seit 1999 in verschiedenen Institutionen für den öffentlichen Dienst tätig.

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