Gastbeitrag

Bringt die Werteunion das Ende der „Schweigespirale“ in Deutschland?

Hans-Georg Maaßen, der Chef der Werteunion bei der Parteigründung am 17. Februar 2024.
Hans-Georg Maaßen, der Chef der Werteunion bei der Parteigründung am 17. Februar 2024. Reuters / Jana Rodenbusch
  • Drucken
  • Kommentieren

In Deutschlang gibt es mit der Werteunion eine Partei, die für die Etablierten unangenehm werden könnte. Eine Mitte-Rechts-Regierung könnte mit ihr möglich werden. Aber dazu muss klarer werden, wofür die Werteunion steht, findet der Steuerberater Thomas Opferkuch.

Spätestens seit den Wahlen im Oktober 2023 hat sich die rechtsgerichtete AfD (Alternative für Deutschland) in ganz Deutschland etabliert. Sie erzielte in den beiden großen westlichen Bundesländern, Hessen und Bayern, 18 und 15 Prozent der Wählerstimmen. Seitdem ist die AfD nicht mehr ein bloßes „Ost-Phänomen“. Umfragen sehen Sie bei den kommenden Wahlen im September in den östlichen Bundesländern, Sachsen, Thüringen und Brandenburg sogar als Favoritin mit bis zu 35 Prozent.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Nunmehr droht den etablierten Parteien weiteres Ungemach. Die bisherige konservativ-liberale Interessengruppe in der CDU, die Werteunion, hat am 17. Februar eine eigene Partei gegründet, was die Spaltung der alten Volkspartei bedeutet. Damit würde auch die Parole der „Brandmauer“ der anderen Parteien gegen die AfD, die diese isolieren und von Koalitionen fernhalten sollte, zur Makulatur werden, denn Hans-Georg Maaßen, der Vorsitzende der Werteunion, hat die „Brandmauer“ schon lange als undemokratisch bezeichnet. (Anm. der Redaktion: Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet Maaßen und hat ihn im Jänner als Rechtsextremist gespeichert.)

Die Mehrheit der Deutschen ist unzufrieden mit der Migrations- und Energie-Politik und zwei Drittel aller Befragten haben die Wahrnehmung, „bei bestimmten Themen werde man heute ausgegrenzt, wenn man seine Meinung sagt“ (ARD-Deutschland-Trend, Sept. 23). In Deutschland dreht sich so etwas wie eine „Schweigespirale“; spiegelbildlich zur obigen Untersuchung sagen heute nur mehr 40 Prozent, dass sie „frei reden können“. Im Wende-Jahr 1990 sagten das noch 78 Prozent.

In dieses Bild passt die „Repräsentationslücke“ des deutschen Parlamentarismus (© Werner Patzelt, Politikwissenschaftler, kurze Zeit selbst Mitglied der Werteunion). Vereinfacht heißt das, die Mehrheit der Parlamentarier steht eher links, jene der Wähler aber eher rechts. Dafür dürfte maßgeblich Merkel verantwortlich sein. Sie hat die CDU im Laufe ihrer Kanzlerschaft nach „links-grün“ (Migrations- und Energiepolitik) gerückt. Diese Positionierung konnte auch ihr Nachfolger Friedrich Merz trotz Ankündigungen nicht korrigieren.

Dies hat den rasanten Aufstieg der AfD massiv befördert und führt jetzt zur Spaltung der CDU/CSU. Für diese „Repräsentationslücke“ ist auch die FDP verantwortlich, die spätestens seit dem Eintritt in die „Ampel-Koalition“ ihre liberale Marke geradezu verstümmelt hat und nach jetzigen Umfragen deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt.

Für eine Werteunion tut sich damit ein breites Potenzial an Wählern auf: Neben den aus der CDU/CSU Mitgenommenen, könnten Protestwähler aus der AfD dazukommen, denen diese doch „zu rechts“ ist. Oder bisherige FDP-Wähler und Nichtwähler, denen eine dezidiert konservative Partei gefehlt hat.

Wo liegt der Reiz der Neuen?

Aus der Geschichte ist bekannt, dass die Etablierung einer neuen Partei auch in Deutschland schwierig ist. Es bedarf neben den passenden Personen und entsprechender Strukturen auch der „Salienz“: das heißt, eines Themas und der dazu passenden Positionen. Maaßen dürfte als Parteichef geeignet sein. Es wird jedoch auch ein talentiertes Führungsteam und deren Zusammenspiel bedürfen. Eine Grundstruktur samt finanzieller Basis dürfte dank dem seit 2017 bestehenden Verein „Werteunion“ bestehen. Aber was kann die „Salienz“ sein? „Konservativ-liberal“ im Sinne der alten CDU wird zu wenig sein.

Dr. Thomas Opferkuch (*1959) ist Steuerberater in Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.