„Wirtschaftskrieg“

Transnistrien: Der sonderbare Hilferuf der Separatisten an Moskau

Delegierte bei der Versammlung in Tiraspol am Mittwoch.
Delegierte bei der Versammlung in Tiraspol am Mittwoch.Imago / Artem Kulekin
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Delegierte des abtrünnigen Gebiets Transnistrien bitten Russland um Hilfe wegen „wirtschaftlichen Drucks“ durch die Republik Moldau. Seit Beginn des russisch-ukrainischen Krieges sind die Separatisten in Bedrängnis. Wird Wladimir Putin in seiner heutigen Rede darauf reagieren?

Tagelang hatte es Spekulationen gegeben, was am 28. Februar in Tiraspol wohl über die Bühne gehen würde. Denn an diesem Tag war ein großer politischer Kongress in dem abtrünnigen, völkerrechtlich zur Republik Moldau gehörenden Gebiet angesetzt worden. Solche Versammlungen sind in Transnistrien selten. Die Veranstaltung fand ausgerechnet einen Tag vor Wladimir Putins Botschaft vor der Föderalen Versammlung statt, die am heutigen Donnerstag stattfinden wird. Würden die Separatisten den Kreml um „Aufnahme“ bitten und damit die Vorbedingungen für einen Anschluss an Russland schaffen?

Dieses Szenario trat (vorerst) nicht ein. Eine Resolution wurde an diesem Tag zwar verabschiedet, allerdings fiel sie weit weniger dramatisch aus als befürchtet. Dem Dokument zufolge werden die beiden Kammern des russischen Parlaments darum gebeten, „Maßnahmen einzuleiten, um Transnistrien angesichts des zunehmenden Drucks durch Moldau zu verteidigen“. Es gebe „sozialen und wirtschaftlichen Druck auf Transnistrien, der den europäischen Prinzipien und Ansätzen zum Schutz der Menschenrechte und des freien Handels direkt widerspricht“, so die von Wadim Krasnoselski initiierte Erklärung, seines Zeichens Präsident des international nicht anerkannten Gebildes.

Kritik an neuem Zollkodex

Transnistrien kritisiert damit die „Wirtschaftsblockade“ durch Moldau, die verhindere, dass Medikamente und medizinische Ausrüstung in das Gebiet gelangten. Die Wirtschaft leide weiters unter einem neuen Zollkodex, den die moldauische Seite mit Jahresbeginn verabschiedet habe. Transnistrische Unternehmen müssen nun Zollabgaben an Chisinau entrichten, früher waren sie davon ausgenommen. Der „Außenminister“ des Gebiets, Vitalij Ignatijew, erklärte, man hoffe auf diplomatische Unterstützung durch den Verbündeten Russland und Hilfe bei der Regelung des Konflikts. Das Moskauer Außenministerium verlautete, dass der Schutz der Bürger Transnistriens „Priorität“ habe. Der Kreml äußerste sich nicht zu den Vorgängen.

Die Resolution erging an russische Institutionen ebenso wie an die UN, EU und OSZE. Im Rahmen der OSZE gibt es seit vielen Jahren einen Friedensprozess zwischen Moldau und Transnistrien, der allerdings stagniert.

In dem von Moskau abhängigen Transnistrien leben offiziellen Angaben zufolge 465.000 Einwohner; real dürften es weniger sein. Viele Bewohner Transnistriens verfügen über einen russischen Pass: Laut offiziellen Angaben aus Tiraspol sollen es mehr als 220.000 sein. Anfang der Neunzigerjahre kam es zu einem Krieg zwischen moldauischen und transnistrischen Verbänden. Noch aus der Sowjetzeit sind russische Soldaten dort stationiert.

Moldau hat sich gewappnet

Seit Beginn des russisch-ukrainischen Kriegs ist der Handlungsspielraum der Tiraspoler Separatisten kleiner geworden. Die Grenze zur Ukraine ist geschlossen. Transnistrien spürt eine härtere Gangart durch die Republik Moldau, die ein Überschwappen des Konflikts auf ihr Staatsgebiet fürchtet. Unter der prowestlichen Präsidentin, Maia Sandu, hat das kleine Land eine entschiedenere Haltung gegen russische Einflussnahme eingenommen. Umgekehrt hat sich das Szenario eines Durchschreitens der russischen Armee im ukrainischen Süden bis an das linke Dnjestr-Ufer nicht erfüllt. Zwischen Russland und seinen besetzten Gebieten in der Ukraine und Transnistrien gibt es also keine geografische Landverbindung, die eine Annexion des Gebiets möglich erscheinen ließe. Transnistrien hat von Wladimir Putins Expansionsgelüsten bisher nicht profitiert.

Bleibt die Frage: Wird Putin den Hilferuf aus Tiraspol in seiner Jahresbotschaft vor der Föderalen Versammlung erwähnen?

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