Russland

Propaganda-Sender belagern deutschen Botschafter: „Wollen Sie deutsche Ziele angreifen?“

Der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Lambsdorff, ließ sich auch beim Verlassen des Außenministeriums nicht aus der Fassung bringen.
Der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Lambsdorff, ließ sich auch beim Verlassen des Außenministeriums nicht aus der Fassung bringen.Imago / Mikhail Voskresenskiy
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Der Termin des deutschen Botschafters im russischen Außenministerium selbst ist bereits Deutungssache: Lange ausgemachter Termin oder kurzfristige Einbestellung? Die russischen Staatsmedien stellten sich dem deutschen Botschafter jedenfalls mit wirren Fragen in den Weg.

Der deutsche Botschafter in Russland, Alexander Graf Lambsdorff, ist am Montag zu einem Gesprächstermin im Außenministerium in Moskau eingetroffen. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete unter Berufung auf eine anonyme Quelle, es handle sich dabei um eine Einbestellung des Botschafters wegen der jüngst veröffentlichten Mitschnitte eines von Russland abgehörten Telefonats deutscher Luftwaffen-Offiziere.

Bei dem abgehörten Telefonat ging es um den möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern in der Ukraine. „Es gab eine Einladung zum Gespräch über verschiedene bilaterale Themen“, sagte Lambsdorff der Deutschen Presse-Agentur in Moskau. Es habe sich aber nicht um eine Einbestellung gehandelt, betonte er. Damit widersprach der Botschafter der Darstellung russischer Medien.

Laut Lambsdorff war der Termin aber bereits vor der Veröffentlichung des abgehörten Gesprächs geplant gewesen. Unterstützung für diese Darstellung kam von der deutschen Bundesregierung. „Das kann ich mit Nein beantworten“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin auf die Frage, ob der Botschafter vorgeladen worden sei. Zu den Inhalten wollte sich der Sprecher nicht äußern. Er wies darauf hin, dass dies bei solchen Gesprächen generell nicht üblich sei.

Reporter bedrängten Botschafter

Auch die Szenerie vor dem Außenministerium war ungewöhnlich für einen Botschaftertermin. Mehrere russische Medienvertreter stellten sich Lambsdorff in den Weg und stellten Fragen, die den Botschafter offenbar zu spontanen Äußerungen bewegen sollten. Doch muteten die Fragen etwas seltsam an. So wiederholte ein Reporter, offenbar vom Propagandasender „Russia Today“, die Frage mehrfach: „Wollen Sie deutsche Ziele angreifen“. Mutmaßlich eine Verwechslung - er hätte wohl den Botschafter fragen sollen, ob Deutschland plane, mit Taurus-Raketen für die Ukraine russische Ziele anzugreifen.

Die etwas unbeholfenen Fragen der Reporter ignorierte der Botschafter aber ruhig. Er machte lediglich klar, dass man ihn durchlassen möge. Schließlich habe er einen Termin im Außenministerium.

Völkerrechtlich ist Russland eigentlich verpflichtet, Diplomaten maßgeblich vor Angriffen auf seine Person, seine Freiheit oder seine Würde zu verhindern. Der Status des Botschafters gilt als unverletzlich.

Kreml-Sprecher ortet Angriffspläne der deutschen Bundeswehr

Russland zufolge zeige der Mitschnitt eines Gesprächs von Bundeswehr-Offizieren die Beteiligung des Westens im Ukraine-Konflikt. Ob die Bundeswehr auf Geheiß der Regierung oder auf Eigeninitiative agiere, sei unklar, sagte der Sprecher des russischen Präsidialamts, Dmitri Peskow, am Montag. Es stelle sich auch die Frage, ob Bundeskanzler Olaf Scholz die Lage unter Kontrolle habe. „Aus der Aufnahme selbst geht hervor, dass innerhalb der Bundeswehr Pläne für Angriffe auf russisches Territorium inhaltlich und konkret diskutiert werden. Dazu bedarf es keiner juristischen Interpretation. Das ist alles mehr als offensichtlich.“

Zur Klärung des Sachverhalts sei der deutsche Botschafter bestellt worden, sagte Peskow. Es müsse geklärt werden, ob die Bundeswehr auf ihre eigene Initiative handle. „Dann stellt sich die Frage: Wie kontrollierbar ist die Bundeswehr und wie sehr hat Scholz die Situation im Griff? Oder ist es Teil der deutschen Regierungspolitik?“ Beide Szenarien seien sehr schlecht und unterstrichen die direkte Verwicklung des Westens in den Konflikt rund um die Ukraine.

Mitschnitt veröffentlicht

Das russische Staatsfernsehen hatte am Freitag den Mitschnitt einer vertraulichen Telefonkonferenz hochrangiger Bundeswehr-Offiziere im Internet veröffentlicht. Parallel zu der Veröffentlichung erhob Russland schwere Vorwürfe gegen Deutschland. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte am Sonntag, er wolle vorerst keine personellen Konsequenzen ziehen.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ sah am Montag auch Deutschlands Kanzler Olaf Scholz in der Kritik. „Das alles ist nicht einfach eine militärische Panne. Es ist ein politischer Skandal, und er zeigt die Bundeswehr in einem erschreckenden Zustand.“ (APA/dpa/Red.)

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