Miniserie

„Sexuell verfügbar“: Frau soll Mann vergewaltigt haben

Hang zur Skurrilität: Miki (Laura Tonke, hier mit Oliver Polak in der Rolle ihres Chefs Heiko) kommt mit einem Strap-On zur Arbeit.
Hang zur Skurrilität: Miki (Laura Tonke, hier mit Oliver Polak in der Rolle ihres Chefs Heiko) kommt mit einem Strap-On zur Arbeit.ARD Degeto
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In „Sexuell verfügbar“ wird einer Frau Vergewaltigung vorgeworfen. Eine kluge Serie über die männlich dominierte Gesellschaft, bei der einem das Lachen manchmal im Hals stecken bleibt.

Mikis hat einen Lover mit Vokuhila, der auch als Babysitter fungiert und zum Frühstück mit den Kindern im goldenen Stringtanga aufkreuzt. Sie hat einen Exmann, den sie irgendwann einmal cool fand, der jetzt aber ein verklemmter Monk zu sein scheint, weil er mitten in der Nacht den Kühlschrank putzt. Mit Latexhandschuhen. Und sie hat einen treuen Jugendfreund, der noch immer in sie verliebt ist und der sie aus der verqueren Situation herausboxen soll, in die sie eben geraten ist. Was Miki nicht davon abhält, ihm auf die Schuhe zu kotzen, wenn ihr was nicht passt. Man könnte also sagen, diese Frau ist mit sich und der Männerwelt im Reinen. Bis ein One-Night-Stand zum ernsthaften Problem wird.

Miki hatte Sex mit einem, sagen wir einmal ziemlich überheblichen Typen. Dabei hat sie ihn mit einem Strap-On, einem umgeschnallten Penis, penetriert. Alles doch völlig okay, wenn es Spaß macht, argumentiert die sexuell experimentierfreudige Miki (oder war da doch ein wenig Gehässigkeit dabei?). Bis der Mann sie wegen Vergewaltigung anzeigt, sich in Interviews als braver Ehemann und Familienvater inszeniert und Miki sich plötzlich am öffentlichen Pranger wiederfindet.

Aufdringliche Bussis und Selleriestangen

Die ARD-Miniserie „Sexuell verfügbar“ dreht in der #MeToo-Debatte nicht einfach nur den Spieß um. Es geht nicht darum, jetzt eben einmal eine Frau als die vermeintlich Übergriffige bloßzustellen. Vielmehr gelingt es in dieser klugen Story, den Nährboden einer patriarchalisch geprägten sexistischen Gesellschaft freizukratzen. Die aufdringlichen Bussis vom Onkel. Die tadelnden Bemerkungen der Ballettlehrerin über den Babyspeck. Die vorwurfsvolle Mutter, die Selleriestangen anbietet.

Miki ist zermürbt von der Verachtung und den Rempeleien der Männer. Aber sie weiß auch, wie man sich wehren kann: Einmal schnallt sie sich ihren Strap-On um die nackte Mitte – schon machen die Herren, die in der vollbesetzen Sauna Knie an Knie die Reihen dicht gemacht haben, irritiert Platz. Geht doch!

Was macht Lilo Wanders in der Wanne?

Und was sagt Lilo Wanders dazu? Als Miki den Travestiekünstler als sehr real wirkende Halluzination plötzlich in ihrer Badewanne vorfindet, trifft sie fast der Schlag! Lilo hat „Hochachtung“ von Mikis Aktion mit dem Strap-On. Er findet, „jeder Mann sollte einmal penetriert werden“ – das würde deren Sicht auf die Welt ändern. Mikis vermeintliches Opfer solidarisiert sich jedenfalls kleinlaut mit Frauen, denen Ähnliches widerfahren ist: „Ich bin eine von euch“, säuselt er in die Kameras. Später sieht Miki dann Lady Bitch Ray mit Getränkedosen als Lockenwickler auf ihrem Klo sitzen. Auch sie spricht ihr in deftigen Worten Mut zu: „Kämpf doch mal gegen all die Pimmel.“ Die ARD sendet (ab 16. 3.) vorsorglich erst um 23.40 Uhr.

Die Story basiert auf Caroline Rosales gleichnamigem Roman. Inszeniert hat die österreichische Regisseurin Ulrike Kofler, die 2021 mit „Was wir wollten“ im Rennen um den Auslands-Oscar war. Sie schreitet nicht moralinsauer zur Kopfwäsche an den Männern. Es ist eine skurrile, teilwiese grotesk überdrehte Abhandlung über die männlich dominierte Gesellschaft, über Macht und Missbrauch, über Feminismus und weibliche Selbstermächtigung, bei der einem das lauthalse Lachen manchmal im Hals stecken bleibt.

Großartig: Laura Tonke als Miki

Getragen wird die Story von der großartigen Laura Tonke als Miki. Die arbeitet als Regisseurin für den ausbeuterischen und feigen Filmproduzenten Heiko (dargestellt von Komiker Oliver Polak), der von halbseidenen Werbespots auf „feministische Debatten-Pornos“ umgestellt hat. Miki braucht das Geld. Im Privatleben stellt sie gern Geschlechterklischees auf den Kopf, etwa wenn sie im Restaurant dem jungen Kellner anlassige Komplimente macht oder mit ihrem Liebhaber Heini (geradlinig, aber mit arg aufgesetztem Wienerisch: Merlin Sandmeyer) Dank Strap-On die Rollen tauscht. Sie tut, was sie will. Und was nützt ihr das? Nichts. Ihr Leben versinkt im Chaos und mit jeder Aktion reitet sie sich nur noch weiter rein. In ruhigen Momenten träumt Miki dann davon, einmal Tabula Rasa zu machen wie der durchgeknallte Investmentbanker Patrick Bateman in „American Psycho“. Es wäre ihr zuzutrauen.

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