Neos-Vorstoß

Staatliches Erbe für alle: Eine gute Idee?

„Wendepunkt“ heißt das neue Buch von Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger.
„Wendepunkt“ heißt das neue Buch von Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger.APA / APA / Eva Manhart
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Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger schlägt 25.000 Euro ab 18 Jahren vor. Liberale Ökonomen sind gespalten: Franz Schellhorn findet die Idee seltsam, Monika Köppl-Turyna hält sie für finanzierbar. Die SPÖ ist dagegen, die FPÖ auch. Die ÖVP hält sich heraus.  

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat ein Buch geschrieben. Es heißt „Wendepunkt – Wie wir das wieder hinkriegen“. Darin schreibt sie über ihre anfängliche Faszination für Jörg Haider, ihren Weg über das LIF zu den Neos, ihr späteres Umdenken in der Migrationspolitik – so hätten die Warner vor einer Überforderung durch Zuwanderung nicht ignoriert werden dürfen.

Aufsehen erregt aber vor allem eine Passage: Jene, in der Meinl-Reisinger ein „Grunderbe für alle“ fordert: Mit 18 Jahren soll jeder vom Staat ein „Chancenkonto“ mit 25.000 Euro bekommen. Das Geld soll jedoch an bestimmte Zwecke gebunden sein: eine Ausbildung, Unternehmensgründungen, den Kauf einer Wohnung. Finanziert werden könnte das Grunderbe mit einer „Anhebung des Pensionsantrittsalters um nur ein Jahr“. Denkbar wäre auch, dass man das Geld zurückzahlt, wenn man später auch privat etwas erbt.

Jusos-Idee in Deutschland

„Auweh“, schrieb etwa Anna Schneider, Chefreporterin der deutschen „Welt“, die früher selbst bei den Neos im Parlamentsklub tätig war, dazu auf „X“. In Deutschland hatten die Jusos, also die Jugendorganisation der SPD, die Idee eines Grunderbes: Sie fordern eines von 60.000 Euro. Finanzieren wollen die Jusos das über eine Reform der Erbschaftssteuer: Nach einem Freibetrag von einer Million Euro sollen zehn Prozent schlagend werden und dies soll dann progressiv steigen. Eine Erbschaftssteuer – wie auch eine Vermögenssteuer – lehnt Beate Meinl-Reisinger jedoch dezidiert ab.

Wie ist ihr Plan eines Grunderbes von 25.000 Euro ab 18 Jahren nun also einzuordnen? „Wenn man das als eine Art Bildungsscheck sieht, kann das schon machen“, meint Franz Schellhorn, Chef der liberalen Thinktank Agenda Austria. „Allerdings in einem an sich schon schlanken Staat – wie etwa den USA.“ Für Österreich hingegen, „einem der dicksten Sozialstaaten der Welt“, sei es ein seltsamer Vorschlag, „da noch etwas draufzulegen“. Das sei ein falsches Signal. Gerade die Neos hätten jetzt eigentlich die Chance, als ordnungspolitische Kraft aufzutreten, die dem Geldausgeben etwas entgegensetzt.

Dass Meinl-Reisinger das Pensionsantrittsalter heben wolle, sei löblich, meint Schellhorn. „Allerdings sollte das ja dazu dienen, das Pensionssystem zu stabilisieren.“ Dass das Geld daraus dann jedem 18-Jährigen in die Hand gedrückt werde, könne er nicht nachvollziehen. Und sollte es talentierte junge Menschen geben, die sich ein Studium an einer Top-Uni nicht leisten könnten, könne man ja noch immer über einen staatlichen Fonds reden.

Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, reagiert weit weniger skeptisch. „Es ist jedenfalls gut, dass mehr in die Jugend investiert wird.“ In einer Überschlagsrechnung sollte sich das auch ausgehen: Also mit der Anhebung des Pensionsantrittsalters sollte so ein Grunderbe tatsächlich finanzierbar sein. Das Problem bei solchen Förderungen seien immer die Mitnahmeeffekte: Also dass jene sie auch bekämen, die sie gar nicht bräuchten bzw. damit nichts anzufangen wüssten und ob es zu Änderungen bei bereits getroffenen beruflichen Entscheidungen komme.

SPÖ und FPÖ ablehnend

Ablehnend reagiert die SPÖ. „Ausgeschlossen ist für uns, Pensionen zu kürzen und das Pensionsalter zu erhöhen, wie es Meinl-Reisinger vorschlägt. Schon heute schaffen es viele Arbeitnehmer nicht gesund bis zum Pensionsantritt. Junge Menschen und ältere Arbeitnehmer gegeneinander auszuspielen, das ist nicht unsere Vorstellung von einer harmonischen und fairen Gesellschaft“, sagt eine Sprecherin von Parteichef Andreas Babler. „Wären die Neos bereit, Millionärssteuern zuzustimmen, um die ungleichen Startbedingungen in Österreich auszugleichen, dann würden wir den Vorschlag von Meinl-Reisinger als spannenden Diskussionsbeitrag begreifen.“

Die SPÖ-Sprecherin verweist darauf, dass die Idee, jedem jungen Menschen ein Startkapital mit auf den Weg zu geben, vom französischen Ökonomen Thomas Piketty stamme. Dieser wolle das Grunderbe allerdings mit hohen Steuern auf Millionenerbschaften finanzieren – quasi um die Geburtslotterie zu beenden und den Start ins Leben fairer zu gestalten.

Die ÖVP wollte sich zu Beate Meinl-Reisingers Vorschlag nicht äußern. „Wir kommentieren das Programm anderer Parteien nicht“, ließ ein Sprecher der Bundespartei ausrichten.

Auch die FPÖ ist dagegen. „Leistung soll belohnt werden“, meint Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Der Neos-Vorschlag diene doch nur dazu, „nach jungen Wählern zu fischen“. Und vor allem: „Wie soll das alles finanziert werden? Wer kontrolliert die Zweckbindung?“ Das Neos-Argument, dass die Finanzierung über die Anhebung des Pensionsantrittsalters erfolgen könne, sei überhaupt eine „Chuzpe“. Da würden dann wieder jene, die ein Leben lang gearbeitet hätten, benachteiligt. „Das kann nicht sein.“

Weiterentwicklung des „Lela“-Konzepts:

Der nunmehrige Neos-Vorschlag eines Grunderbes ist die Weiterentwicklung ihres „Lela“-Konzepts: Jeder Erwerbstätige sollte demzufolge ein „Chancenkonto“ vom Staat erhalten, mit dem er bis zu 5000 Euro in fünf Jahren in seine berufliche Weiterentwicklung investieren könne. Präsentiert wurde das 2017 vom damaligen Neos-Chef Matthias Strolz und dem vormaligen ÖVP-Obmann Erhard Busek.

Entfernt verwandt ist die nunmehrige Neos-Idee mit dem sogenannten Australischen Modell bei Universitätsstudien. Dieses basiert im Wesentlichen darauf, dass die Studiengebühren mittels eines staatlichen zinslosen Kredits vorfinanziert werden. Und erst wenn die Studenten ins Berufsleben einsteigen, müssen sie diesen zurückzahlen. Und das auch nur dann, wenn ihr Einkommen eine gewisse Grenze überschreitet. 

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