Am Leben forschen: Projekte mit Chancen.
Standort

Life-Sciences-Objekte rücken in den Fokus von Investoren

Lebenswissenschaften liegen im Trend und Unternehmen benötigen Flächen für Forschung, Produktion, Logistik sowie Büro. 

Es war der Abschluss der größten Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte, als das forschende Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim vor zweieinhalb Jahren ein neues Produktionsgebäude in Wien Meidling eröffnete. In der Anlage, dem sogenannten LSCC (Large ­Scale Cell Culture), werden seitdem biopharmazeutische Arzneimittel mithilfe von Zellkulturen, und nicht wie vorab mit Mikroorganismen wie Bakterien oder Hefen, hergestellt. Das soll nicht nur deutlich höhere Produktionsmengen ermöglichen, sondern auch die Produktion komplexerer Wirkstoffe.

Hybride Gebäudekomplexe

Boehringer Ingelheim produziert im LSCC unternehmenseigene Produkte ebenso wie Arzneimittel für andere Pharmaunternehmen. Zusätzlich zum eigentlichen Produktionsgebäude wurde am Unternehmensstandort in Wien-Meidling auch die entsprechende Infrastruktur errichtet: ein Logistik-Center, ein Gebäude für Qualitätssicherung und -kontrolle, eine Energiezentrale sowie ein Gebäude für Werkstätten und Betriebsfeuerwehr. Der neue Komplex umfasst insgesamt 390.000 Kubikmeter. 500 zusätzliche Arbeitsplätze für hochqualifizierte Mitarbeitende wurden durch die Standorterweiterung geschaffen.

Ein anderes Beispiel für eine Großinvestition am Standort Wien im Bereich von Life-Sciences-Immobilien ist ein Projekt des japanischen Pharmaunternehmens Takeda, das mit rund 4500 Mitarbeitern in Österreich der größte Pharmaarbeitgeber des Landes ist. Bis 2025 soll um rund 120 Millionen Euro in Aspern Seestadt ein neues Gebäude entstehen, das der Forschung und Entwicklung biotechnologisch hergestellter Arzneimittel dienen wird. Das Gebäude wird etwa 25.000 Quadratmeter groß sein und rund 250 Personen einen Arbeitsplatz bieten.

Die Hälfte der Nutzfläche ist für Laboreinrichtungen vorgesehen, der Rest besteht aus Büro-, Besprechungs- und Gemeinschaftsräumen. „Wir begründen hier einen rein für Forschung und Entwicklung gedachten Standort, kein Produktionsgebäude. Wir werden an neuen Therapieformen arbeiten und uns auf die Bereiche Biologika, Gentherapie und biologische Produktentwicklung fokussieren“, erklärt Manfred Rieger, Standortleiter des Forschungs- und Entwicklungsbereiches Takeda Österreich. Themenschwerpunkte sind die therapeutischen Anwendungsgebiete in Onkologie, Neurowissenschaft, Gastroenterologie und seltene Erkrankungen. Ein großer Fokus liegt zudem auf der Digitalisierung, der mit einem Lab of the Future umgesetzt wird. Da geht es zum Beispiel um Machine Learning, Digital Twins oder Augmented Reality.

Wien, Stadt der Life Sciences

Die Investitionen der beiden Pharmakonzerne stehen stellvertretend für einen Life-Sciences-Sektor, der in Österreich vor allem in der Bundeshauptstadt boomt. Von fast 1000 Unternehmen und Institutionen, die in Österreich in Bereichen wie Biotech, Medizintechnik und Pharma tätig sind, befindet sich mehr als die Hälfte in Wien. Kein Zufall, wenn man Wiens Standortanwalt Alexander Biach fragt: „Beim Vorhaben der Stadtverantwortlichen, Wien in den nächsten Jahren als Gesundheitsmetropole an die Weltspitze zu führen, spielt die Life-Sciences-Sparte eine tragende Rolle. Ziel der Stadt ist es, das Innovationspotenzial von Spitzenforschung für Gesundheitstechnologie zur Versorgung, Diagnose und Vorsorge signifikant zu heben.“

Laut dem letzten Vienna Life Science Report (2021/22) umfasst die Branche in Wien 600 Unternehmen, Forschungseinrichtungen und weitere thematisch relevante Organisationen, die gemeinsam rund 41.000 Personen beschäftigten. 2020 erwirtschafteten die Life-Sciences-Unternehmen in Wien rund 13,3 Milliarden Euro. Das ist um ein Drittel mehr als sechs Jahre zuvor und entspricht dem dreifachen Umsatz der Tourismuswirtschaft vor der Pandemie. 40 Prozent dieser Unternehmen sind in Forschung, Entwicklung oder Produktion aktiv.

Eine besondere Bedeutung bei der Förderung der Unternehmen haben regionale Clusterplattformen wie LISAvienna, eine gemeinsame Initiative der Wirtschaftsagentur Wien und des Austria Wirtschaftsservice (aws). LISAvienna hat sich der Weiterentwicklung der Life Sciences in Wien verschrieben. „Unterstützt werden innovative Biotechnologie-, Pharma-, Medizinprodukte- und Digital-Health-Unternehmen, die neue Produkte, Dienstleistungen und Verfahren entwickeln und auf den Markt bringen. Die Plattform vernetzt diese Unternehmen mit Entwicklungspartnern und Leitkunden“, erklären ­Johannes Sarx von Austria Wirtschaftsservice und Philipp Hainzl von der Wirtschaftsagentur Wien. Jedes Jahr kommt es zu zehn bis 20 Neugründungen.

Treiber des Booms

„In Österreich entstehen laufend neue Produkte und Dienstleistungen auf diesem Gebiet, vom Impfstoff bis zur In-vitro-Diagnostik, von Gen- und Zelltherapien im Bereich Onkologie und seltene Erkrankungen bis zur AI-basierten Softwarelösung für die Radiologie. Der Life-Sciences-Sektor zählt zu den Schlüsselbereichen der Transformation unserer Wirtschaft“, brachte es 2023 anlässlich des ersten Austrian Life Science Day Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher auf den Punkt. Die Gründe für die wachsende Bedeutung der Branche liegen auf der Hand.

Der demografische Wandel hin zu einer zunehmend alternden Bevölkerungsstruktur und das steigende Gesundheitsbewusstsein der Menschen heben die Relevanz des Gesundheitsmarktes stetig an. Um das Leben älter werdender Menschen so lang wie möglich gesund zu gestalten, sind jene Berufsprofile gefragt, die mit dem Begriff Life Sciences umschrieben werden. Die breit gefasste Palette reicht von Biotechnologie, Molekularbiologie und Pharmaindustrie über Medizin, Medizintechnik, Biochemie, -physik und -informatik bis hin zu Pharmakologie, Agrochemie und Ernährungswissenschaften.

Im Fokus von Investoren

In Anbetracht der rosigen Zukunftsaussichten für die Branche ist es nicht verwunderlich, dass der Markt für Life-Sciences-Objekte (Pharmalogistik, Forschungs- und Entwicklungsflächen (wie etwa Labore), Unternehmensstandorte (Büroflächen) und Produktionsflächen) zunehmend in den Fokus von Immobilieninvestoren rückt.

Insbesondere der europäische ­Life-Sciences-Markt scheint für internationale Investoren immer attraktiver zu werden, etwa im Vergleich zu US-amerikanischen Liegenschaften, da entsprechende Objekte laut einer Marktstudie von EY rund 40 Prozent günstiger angekauft werden. „Ebenso sind die Kosten für den Betrieb eines Biotechunternehmens in Europa rund 50 Prozent niedriger als in den USA. Hinzu kommen die guten infrastrukturellen Bedingungen, ein einheitliches sowie gesichertes Rechtssystem sowie die verhältnismäßig geringen Lohnkosten für Arbeitnehmer im europäischen Life-Sciences-Sektor im internationalen Vergleich“, heißt es im EY-Schweiz-Report „Life Science Immobilien: Die Immobilien Asset Klasse der Zukunft“.

Der Verfasser, Karl Frank Meinzer, Associate Partner Head Real Estate Advisory EY Switzerland, führt vor allem die höhere Resilienz von Life-Sciences-Objekten gegenüber kurzfristigen Nachfrageschwankungen ins Treffen, sowie den Umstand, dass die Aufnahme von Life-Sciences-Immobilien in das eigene Portfolio eine höhere Rendite bei gleichzeitig größerer Diversifikation zur Folge haben kann. „Diese Objekte sind sehr krisenresistent, da sie einen ausgewogenen Nutzungsmix aufweisen und wegen des demografischen Wandels vermehrt nachgefragt werden.

Life Sciences

Von etwa 1000 Unternehmen und Institutionen, die in Österreich in Bereichen wie Biotech, Medizintechnik und Pharma tätig sind, befindet sich mehr als die Hälfte in Wien. Die Life-Sciences-Branche beschäftigt und 41.000 Personen.

Aufgrund all dieser Faktoren ist zukünftig mit einem gesteigerten Interesse für diese Immobilienart am Markt zu rechnen“, so ­Meinzer, der zu folgendem Schluss kommt: „Die Life-Sciences-Branche floriert in einem stark vernetzten Ökosystem bestehend aus dem Staat, den ansässigen Unternehmen sowie Bildungseinrichtungen und deren Spin-offs. Der Schlüssel zum Erfolg dieses Ökosystems ist aber die Einbindung der vierten Komponente – der Gesellschaft.“ Denn diese bestimme darüber, wie die Life-Sciences-Branche wahrgenommen wird und ob die Ansiedlung neuer Unternehmen an einem Standort unterstützt wird. Meinzer: „Diese Akzeptanz ist es, die sich auf den langfristig nachhaltigen Vermietungserfolg der entsprechenden Life-Sciences-Immobilie auswirkt.“

Königsklasse

Von der „Frühphase eines Wachstumsmarkts“ bei Life-Sciences-Immobilien spricht in seinem gleichnamigen Paper der ­österreichische Immobilien­projektentwickler 6B47 Real ­Estate Investors – und stützt sich bei der Aussage auf Daten, die aus Deutschland vorliegen. Demnach entfällt etwas mehr als ein Prozent des Transaktionsvolumens gewerblich genutzter Objekte auf Life-Sciences-Immobilien, mit jeweils nur rund einem Dutzend Transaktionen (zwölf im Jahr 2021, elf im Jahr 2022).

Grundsätzlich gilt laut den 6B47-Analysten, dass ­Life Sciences als Nutzungsart mit ihren komplexen Anforderungen an flexible Büro-, Produktions-, Logistik-, Trocken- und Nasslabor- ­sowie Labornebenflächen und deren erfolgskritischen Eigenschaften, wie beispielsweise Luftreinheit oder Extremkühlung, nochmals die ohnehin schon hohen Anforderungen an gemischt genutzte Einzelimmobilien und Quartiere übertrifft.

Life-Sciences-Entwicklungen sind laut 6B47 „gewissermaßen eine eigene Königsklasse innerhalb der Königsklasse Projektentwicklung – mit entsprechenden Chancen, sofern die erforderliche Fachexpertise mit Blick auf die Spezialnutzung gegeben ist“. Dementsprechend werden sich künftig nicht nur die Flächenkonzepte, sondern auch die Vermietungsmodelle immer weiter ausdifferenzieren.

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