Konjunktur

Österreich fällt in die Stagnation zurück

Das unfertige Kaufhaus Lamarr in der Wiener Mariahilfer Straße - hier der Abbau der Kräne beim Rohbau - steht sinnbildlich für die Probleme der heimischen Bauwirtschaft.
Das unfertige Kaufhaus Lamarr in der Wiener Mariahilfer Straße - hier der Abbau der Kräne beim Rohbau - steht sinnbildlich für die Probleme der heimischen Bauwirtschaft.Clemens Fabry
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Eigentlich hätte per Jahresanfang die Trendwende für die heimische Wirtschaft erfolgen sollen. Doch diese verschiebt sich in die zweite Jahreshälfte, so die Prognosen von Wifo und IHS. Antrieb soll durch Zinssenkungen der EZB und den privaten Konsum aufgrund deutlich höherer Reallöhne kommen.

2023 brachte der heimischen Volkswirtschaft eine Rezession. Heuer sollte es ab dem Jahreswechsel eigentlich spürbar wieder bergauf gehen, so die Erwartungshaltung der Ökonomen im Dezember. Doch von Frühlingsgefühlen ist anlässlich der neuen Konjunkturprognose, die am Freitagvormittag von Wifo und IHS präsentiert wurden, wenig zu sehen. So verschiebt sich die Trendwende deutlich nach hinten – ins zweite Quartal beziehungsweise zweite Halbjahr. Die Ökonomen von Wifo und IHS reduzieren ihre Prognosen für heuer deutlich. Beim IHS gibt es eine Revision um 0,3 Prozentpunkte auf einen halben Prozentpunkt. Das Wifo senkt seine Erwartungen für heuer gar um 0,7 Prozentpunkte auf 0,2 Prozent – de facto eine Stagnation.

Die Konjunktur habe sich zwar um den Jahreswechsel stabilisiert, aber „nicht wieder an Fahrt aufgenommen“, so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr bei der Präsentation der Zahlen. „Offenbar fehlt vielen Österreichern das Vertrauen, dass es ihnen besser geht. Wir haben die Vertrauenskrise unterschätzt“, so Felbermayr weiter. Das gelte aber nicht nur für Privatpersoenen ergänzt IHS-Chef Holger Bonin. „Sorgen macht mir die ausgesprochen schlechte Stimmung in der österreichischen Industrie. Möglicherweise schwappt hier die miese Stimmung aus Deutschland hinüber.“

Schwaches Deutschland als Problem

Als Hauptgrund für diese Entwicklung wird von den Wirtschaftsforschern eine schwächere internationale Konjunktur und damit eine schwächere Entwicklung der heimischen Exportwirtschaft genannt. „In der Einschätzung der internationalen Konjunktur haben sich im Vergleich zur Winterprognose die Perspektiven für den Euroraum eingetrübt. Mit Werten von 0,7 Prozent dürfte die Wirtschaft im Euroraum in diesem Jahr nur langsam zulegen. Insbesondere in Deutschland dürfte das Wachstum mit 0,3 Prozent im laufenden Jahr merklich schwächer ausfallen als zuletzt erwartet“, schreibt etwa das IHS.

Auch beim Wifo sieht man vor allem die Lage bei Österreichs wichtigstem Handelspartner Deutschland als problematisch an. „Die Vorlaufindikatoren deuten bislang auf keine Trendwende hin. Die Unternehmensstimmung ist ungebrochen pessimistisch, insbesondere in der Industrie und im Baugewerbe. Die Auftragslage hat sich bis zuletzt verschlechtert, und die Auftragsbestände werden mehrheitlich als zu gering eingeschätzt. In der ersten Jahreshälfte 2024 wird die deutsche Wirtschaft demnach kaum wachsen.“

Industrie verharrt in Rezession

Für die heimische Industrie bedeutet das, dass sie in der Rezession verharrt. Ging die Wirtschaftsleistung im Vorjahr in diesem wichtigen Segment von Österreichs Volkswirtschaft um 2,7 Prozent zurück, so soll sich das Minus heuer laut Wifo zwar auf 1,5 Prozent reduzieren. Dennoch ist man hier immer noch weit im roten Bereich. Und gegenüber der Erwartungshaltung aus dem Dezember entspricht das einer Verschlechterung um einen Prozentpunkt.

Noch stärker getroffen ist nur die Bauwirtschaft, bei der es heuer ein Minus von vier Prozent geben soll, nachdem sie bereits im Vorjahr um 5,9 Prozent geschrumpft ist. Vor allem beim Wohnbau gab es einen massiven Rückgang, ausgelöst durch die deutliche Verteuerung der Finanzierungskosten durch einerseits die stark gestiegenen Zinsen in Folge der Inflationsbekämpfung der EZB und andererseits die erschwerten Kreditaufnahmeregeln durch die sogenannte KIM-Verordnung der FMA.

Für diese Zinsen wird jedoch ab dem Sommer eine Wende erwartet. So stellte EZB-Präsidentin Christine Lagarde erst diese Woche eine erste Zinssenkung für die Sitzung im Juni in Aussicht. Dabei dürfte es sich zwar maximal um einen Viertelprozentpunkt handeln, das Zinsniveau würde somit lediglich von 4,5 auf 4,25 Prozent sinken. Dennoch könnte dies bereits ein Impuls sein, der die wirtschaftliche Stimmung in der gesamten Eurozone aufhellt und für mehr Investitionen sorgt.

Verfügbare Einkommen steigen um 2,6 Prozent

Einen zweiten Treiber für einen leichten Aufschwung ab der Jahresmitte erwarten die Ökonomen im privaten Konsum. So liegt die Inflationsrate in Österreich mit zuletzt 4,3 Prozent zwar immer noch doppelt so hoch wie der Zielwert von zwei Prozent. Dennoch geht sie konstant zurück. Für das Gesamtjahr erwartet das Wifo 3,8 Prozent und das IHS 3,5 Prozent.

Da die Lohnerhöhungen im Herbst und bei der jetzigen Frühjahrslohnrunde jedoch nach den wesentlich höheren Inflationsraten der vergangenen zwölf Monate festgelegt wurden, sorgt das für einen kräftigen Zuwachs der Reallöhne. So sollen die realen Einkommen der heimischen Haushalte laut Wifo heuer um 2,6 Prozent ansteigen. Sobald die Menschen auch wieder das Gefühl haben, dass sie mehr Geld zur Verfügung haben, dürfte dieses dann auch wieder in den Konsum gesteckt werden, so die Erwartung.

Um die Lage zu verbessern, sollte die Politik auf eine Attraktivierung des Standortes setzen, so Felbermayr und Bonin unisono. Dazu würde etwa eine – gegenfinanzierte – Senkung der Lohnnebenkosten im Bereich der Familien- und Wohnbauförderung gehören. Aber auch in der Bevölkerung sollte versucht werden, mehr Zuversicht zu streuen. „Man müsste den Leuten klarmachen, dass das Brot zwar teurer geworden ist, sie es sich aufgrund der höheren Reallöhne aber auch leisten können“, so Bonin

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