Klimaneutralität

Wie Emissionszertifikate Gaskraftwerke und Gaspipelines finanzieren

Der Gashahn wird bald aufgedreht: Gaskraftwerke und -pipelines in Rumänien werden auch aus dem „Modernisierungsfonds“ finanziert.
Der Gashahn wird bald aufgedreht: Gaskraftwerke und -pipelines in Rumänien werden auch aus dem „Modernisierungsfonds“ finanziert.APA/AFP/Andrei Pungovschi
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Heftige Kritik übt Bankwatch an der EU: Fossile Energieprojekte werden aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten kofinanziert. Ein Regelverstoß ist dies allerdings nicht.

Für die letzte Finanzierungstranche wurde der Geldhahn kurz vor Weihnachten aufgedreht, sodass mehr als drei Milliarden Euro für 19 Projekte freigegeben worden sind. Auch rumänische Projekte waren dabei, für die im „Modernisierungstopf“ der EU erhebliche Mittel lockergemacht worden sind. Das Geld – mehr als 500 Millionen Euro – fließt in Energieprojekte. Diese beziehen auch noch weitere Unterstützungen aus anderen europäischen Geldtöpfen.

Geschaffen wurde dieses Finanzierungsinstrument 2018, um finanzschwächeren Mitgliedstaaten im östlichen Mitteleuropa beim Ausstieg aus fossilen Energien unter die Arme zu greifen. In einem zweiten Schritt wurde dieser „Modernisation Fund“ auch für Projekte aus Portugal, Slowenien und Griechenland geöffnet. Gespeist wird der Geldtopf mit den Einnahmen aus der Versteigerung von Kohlendioxidzertifikaten.

Zusage schon vor dem Start der UVP

Bankwatch, eine supranationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Prag, hat in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht nun ans Tageslicht gebracht, dass jedenfalls im Fall der rumänischen Projekte auch erhebliche Summen in Projekte für fossile Energien fließen. (Die NGO finanziert sich aus finanziellen Zuwendungen von mehr als 50 Stellen, unter anderem auch von der EU.)

„Konkret geht es um zwei Gaskraftwerke und drei Gaspipelines – mit einem Fördervolumen von 521 Millionen“, sagt Ido Liven, Sprecher der Organisation. Er kritisiert die Unterstützung fossiler Projekte, es sei eine „Ironie, dass gerade aus dem Erlös von CO2-Zertfikaten Gaskraftwerke und -pipelines finanziert werden.“

Ein Sprecher der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollte die Vergabe der Förderung nicht weiter kommentieren. Ein Verstoß ist die Vergabe der Mittel aus dem Modernisierungsfonds jedenfalls nicht. Die Finanzierung ist dann möglich, wenn das Geld aus Brüssel dafür eingesetzt wird, dass die Treibhausgasemissionen insgesamt reduziert werden oder auch die Versorgungssicherheit mit Energie verbessert wird.

Das Gaskraftwerk Turceni ist in der Realisierungsphase am weitesten gediehen – es wurde von der EU bereits im Mai 2022 im Modernisierungsfonds als „nicht prioritäres Projekt“ eingestuft; den Geldfluss sollte diese Klassifizierung nicht blockieren. Und auch nicht der Umstand, dass das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) noch nicht vorgelegen ist. „Die UVP wurde im August 2022 gestartet. Und schon zwei Monate später“, berichtet Liven, habe die UVP-Behörde grünes Licht gegeben.

Rumänien hat zugesichert, dass zwei Kohlekraftwerke abgeschaltet würden und außerdem der Ausstoß von Treibhausgasen um 1,67 Millionen Tonnen jährlich verringert werde. Wie dies konkret geschehen soll, sei öffentlich nicht dargelegt worden. Und auch nicht, wie die Ankündigung realisiert werden könne, dass ab 2035 die Gaskraftwerke auf erneuerbaren Wasserstoff umgerüstet werden, wie dies die rumänische Energiestrategie in Aussicht stellt.

Pipeline nach Österreich

Nicht anfreunden kann sich Bankwatch schließlich mit drei Pipelineprojekten über insgesamt etwa 450 Kilometer, die mit 100 Millionen Euro unterstützt werden und die Verbindung zwischen Schwarzem Meer und der Pipeline nach Bulgarien durch Rumänien und Ungarn nach Österreich andocken. Diese Pipeline ist für die Vermarktung der Gasförderung aus dem Gasfeld Neptun Deep im Schwarzen Meer von zentraler Bedeutung. Neptun Deep wird von den 50:50-Partnern OMV und Romgaz betrieben und soll ab 2027 Gas fördern. Die OMV bezeichnet Gas als „Energieträger für die Energiewende“.

Der Bankwatch-Report stellt die Sinnhaftigkeit der Gasprojekte infrage – vor allem auch deshalb, weil es in Rumänien große Defizite in der Stromübertragung gebe, für Maßnahmen, die die Energieeffizienz steigern, auch über die Förderungen der EU hinausgehender Bedarf bestehe und es einerseits ein großes Potenzial für erneuerbare Energie und es andererseits einen Mangel an finanzieller Unterstützung beim Energieumstieg privater Haushalte gebe. In diesen Bereich wäre Geld also im Sinne des Klimaschutzes effizienter eingesetzt, meint Bankwatch.

Raluca Petcu, einer der Autoren des Berichts, befürchtet, dass die Weichen nun für längere Zeit gestellt worden sind: „Eine Locked-in-Situation.“ Jedenfalls deute alles darauf hin, „dass mit den Projekten hier die Nachfrage nach Gas steigen wird“. Das steht konträr zu dem, was die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris vor drei Jahren in einer Studie („Net Zero by 2050 – A Roadmap for the Global Energy Sector“) unmissverständlich dargelegte hat: Um die Klimaneutralität zu erreichen, sollen keine Kohle-, Gas- oder Ölgebiete erweitert oder neu erschlossen werden. Klimaziele seien auch so erreichbar, wenn auf erneuerbare Energien umgeschichtet werde.

Vor diesem Hintergrund fordert Petcu, dass in Rumänien in der Energiepolitik der eingeschlagene Weg verlassen und den fossilen Energie abgeschworen wird – und von der EU, dass die Richtlinien für die Förderung von Energieprojekten verschärft werden. „Andernfalls steht die Tür weit offen, sodass fossile Projekte auch in anderen Ländern gepusht werden.“

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