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Cannabislegalisierung: Österreich fürchtet mehr Kiffer auf Straßen

Kiffen in der Öffentlichkeit? Das geht jetzt in Deutschland, solange es nicht in der Schule oder am Spielplatz ist. Im Bild: Vor dem Brandenburger Tor in Berlin wurde die Legalisierug am Wochenende gefeiert.
Kiffen in der Öffentlichkeit? Das geht jetzt in Deutschland, solange es nicht in der Schule oder am Spielplatz ist. Im Bild: Vor dem Brandenburger Tor in Berlin wurde die Legalisierug am Wochenende gefeiert. APA / dpa / Sebastian Gollnow
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In Deutschland ist seit gestern der Besitz und Konsum von Cannabis legal. Vor allem die heimische Polizei an der Grenze beunruhigt das. Doch was ist jetzt in Deutschland überhaupt erlaubt?

Die Polizei steht schon und kontrolliert. Zumindest, wenn man einer Aussendung des Innenministeriums glauben schenken darf. Seit gestern, 1. April (und nein, es ist natürlich kein Scherz), ist der Besitz, Konsum und Erwerb von Cannabis in Deutschland legal. Zumindest, wenn eine gewisse Menge nicht überschritten wird.

Die Gesetzesänderung der Nachbarn betrifft freilich auch die heimische Polizei. Die fürchtet in den immerhin gleich vier angrenzenden Bundesländern, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg, mehr Kiffer auf den heimischen Straßen.

Drogenlenker aus dem Verkehr ziehen

Daher, heißt es aus dem Innenministerium: „werden ab sofort Schwerpunktaktionen im grenznahen Raum durchgeführt. Es gilt vor allem, grenzüberschreitenden Suchtmittelhandel zu bekämpfen und Drogenlenker aus dem Straßenverkehr zu ziehen.“ Denn weder in Deutschland noch in Österreich dürfen die Menschen freilich nach wie vor nicht bekifft fahren. Nicht einmal, wenn es leicht bekifft ist und sie die Drogen in Deutschland konsumiert haben.

Im Innenministerium betont man, dass man „in den vergangenen Jahren bundesweit hunderte Spezialistinnen und Spezialisten“ ausgebildet habe, die die Symptome von Suchtmittelbeeinträchtigung rasch erkennen können. Weiters werde es kriminalpolizeiliche Maßnahmen geben, um einen grenzüberschreitenden Drogenhandel von Deutschland nach Österreich zu unterbinden beziehungsweise zu verfolgen. Heißt, auch heimische Dealer und Konsumenten, die von der Legalisierung in Deutschland profitieren wollen, soll es an den Kragen gehen.

Hohe Strafen, wenn man erwischt wird

Generell appelliert die Polizei, die Rechtslage zu beachten. Die Strafen für Suchtgiftschmuggel und das Lenken eines Fahrzeuges unter Drogen seien empfindlich und können schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, zum Beispiel den dauerhaften Verlust des Führerscheines.

Doch was ist jetzt überhaupt in Deutschland erlaubt?

Cannabis verschwindet von der Liste der verbotenen Substanzen im Betäubungsmittelgesetz. Wer 18 und älter ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen. Es geht explizit um den Eigengebrauch. Weitergabe und Verkauf bleiben verboten. Zu Hause - nicht im Kleingarten - dürfen außerdem drei Pflanzen angebaut werden. Samen, Pflanzen und geerntetes Cannabis müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden, beispielsweise mit abschließbaren Schränken und Räumen.

50 Gramm - ist das viel?

Aus einem Gramm Cannabis können nach gängiger Einschätzung ungefähr drei Joints gedreht werden - je nach persönlicher Dosierung auch mehr oder weniger. 50 Gramm wären also 150 Joints. Aus Sicht der Legalisierungsgegner ist das viel zu viel. 50 Gramm pro Monat, die Menge, die die künftigen Anbauvereine an ihre Mitglieder abgeben dürfen, nennt die Bundesärztekammer „eine relevante Menge, die einem Hoch-Risiko-Konsum entspricht und zu cannabisbezogenen Störungen führt“. Das Gesundheitsministerium argumentiert, es müsse auch legales Cannabis in größerer Menge da sein, wenn man den illegalen Schwarzmarkt ausstechen will.

Was ist mit Konsum in der Öffentlichkeit?

Wo es nicht explizit verboten ist, darf gekifft werden. Verboten ist es auf Spielplätzen, in Schulen, Sportstätten, also auch Fußballstadien, Kinder- und Jugendeinrichtungen und jeweils in Sichtweite davon - in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Fußgängerzonen sind zwischen 7.00 und 20.00 Uhr ebenfalls kifffreie Zonen.

Außerdem ist der Konsum verboten „in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben“. Tabu ist es also, sich einen Joint an einer Bushaltestelle voller Schulkinder anzustecken oder im Garten vor den eigenen minderjährigen Kindern, genauso wie vor einem Kino, wo auch Jugendliche warten. In Raucherkneipen entscheiden die Inhaber, wie sie damit umgehen.

Wie sollen die Regeln kontrolliert werden?

Das ist ähnlich wie beim Sicherheitsgurt im Auto oder dem Handy am Steuer - man muss schon erwischt oder angezeigt werden. Dass Ordnungsämter und Polizei im großen Stil Cannabis-Streifen losschicken, ist schon aus Personalgründen unwahrscheinlich.

Welche Strafen drohen bei Verstößen?

Empfindliche Geldstrafen und auch Gefängnis sind möglich. Wer etwa die Gramm-Vorgaben zum Besitz leicht überschreitet, riskiert ein Bußgeld. Dass kann laut Gesetz allerdings mit bis zu 30.000 Euro saftig ausfallen. Werden sogar mehr als 30 Gramm im Rucksack, mehr als 60 Gramm zu Hause oder mehr als drei Pflanzen in der Wohnung gefunden, greift das Strafrecht: Es droht im schlimmsten Fall Gefängnis. Das gilt besonders für die Weitergabe der Droge an Kinder und Jugendliche. Wer kifft, wo kiffen nicht erlaubt ist, begeht zwar nur eine Ordnungswidrigkeit, riskiert aber ebenfalls empfindliche Bußgelder bis zu 30.000 Euro.

Und was passiert, wenn Minderjährige konsumieren?

Werden unter 18-Jährige mit Cannabis erwischt, muss die Polizei die Eltern informieren. Insbesondere wenn es sich um sehr junge Konsumenten mit sogenanntem riskantem Konsumverhalten handelt, muss auch das Jugendamt eingeschaltet werden. Die Betroffenen sollen dann an Präventionsprogrammen teilnehmen. Jugendliche müssen aber auch mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn die gefundenen Mengen die bei Erwachsenen erlaubten Mengen übersteigen, wenn sie dealen oder die Droge an andere Kinder und Jugendliche weitergeben.

Und wie soll das mit den Cannabis-Clubs laufen?

Sie dürfen erst zum 1. Juli mit dem Anbau von Cannabis beginnen und es gelten strenge Regeln: Die Clubs müssen mindestens 200 Meter von Schulen, Kitas, Spielplätzen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen entfernt sein, dürfen nicht in Wohngebäuden untergebracht sein und nicht durch auffällige Schilder oder anders für sich werben. Der Konsum in den Anbauvereinigungen, wie sie im Gesetz heißen, ist ebenfalls tabu. Anbauflächen und Lager müssen gesichert werden. Die Vereine dürfen maximal 500 Mitglieder haben und Cannabis in begrenzten Mengen nur an diese Mitglieder abgeben, nicht verkaufen. Die Droge darf nur in einer neutralen Verpackung mit Beipackzettel abgegeben werden, der Informationen zu Gewicht, Sorte, THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol ist der Stoff mit der Rauschwirkung) und Hinweise zu Risiken des Konsums enthält.

Blüht weiterhin der Schwarzmarkt?

Aber bis die Pflanzen Blüten treiben, ob zu Hause oder im Verein, vergeht Zeit. Das heißt: Auch mit der Legalisierung zum 1. April blüht weiterhin der Schwarzmarkt. Genau das ist auch ein Kritikpunkt in der politischen Debatte. Ab dem 1. April könnten Erwachsene zwar legal mit größeren Mengen Cannabis unterwegs sein, dieses könne aber objektiv nicht aus legalen Quellen stammen, hatte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff zuletzt kritisiert. „Vor allem die ersten Monate werden zu einem Booster für den Schwarzmarkt“, warnte der CDU-Politiker. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies das zurück: Wenn jemand etwa am 2. April auf Grundlage einer eigenen angebauten Pflanze konsumiere, spiele es keine Rolle, wann die Pflanze gekauft und aufgebaut wurde oder wie viel Wasser sie hatte. Sondern es gelte: „Hier ist sie, sie ist jetzt legal, und der Konsum ist auch legal.“

Wie sieht es eigentlich im Straßenverkehr aus?

Erst einmal ändert sich nichts: Bei wem der Cannabis-Wirkstoff THC nachgewiesen wird, auch wenn der Konsum Tage zurückliegt, der begeht eine Ordnungswidrigkeit. In der Rechtsprechung hat sich dafür der niedrige Wert von 1 Nanogramm THC je Milliliter Blut etabliert, ab dem Geldstrafen, Punkte und Fahrverbot drohen. Nach dem Vorbild der 0,5-Promille-Marke für Alkohol soll aber auch ein Toleranz-Grenzwert für THC kommen. Eine Expertenkommission schlug 3,5 Nanogramm vor. Erst ist aber der Bundestag am Zug, ein Gesetz dafür zu beschließen, was noch dauern dürfte.

Cannabis aus dem Drogeriemarkt?

Eigentlich wollte die Ampel doch auch den freien Verkauf von Cannabis in Drogerie-ähnlichen Geschäften ermöglichen. Was ist daraus geworden? Das liegt auf Eis. Wegen europarechtlicher Hürden ist die Ampel von diesem ursprünglichen Ziel abgewichen und hatte angekündigt, Produktion, Vertrieb und Verkauf in speziellen Geschäften durch Unternehmen erst einmal nur regional und zeitlich begrenzt in Pilotprojekten zu erproben. Konkrete Pläne dafür liegen aber bis heute nicht vor.

Wie verbreitet ist Cannabis-Konsum überhaupt?

Cannabis ist bisher die am häufigsten genutzte illegale Droge. Dazu, wie viel jährlich zu nicht-medizinischen Zwecken konsumiert wird, liegen laut Gesundheitsministerium aber noch keine validen Daten vor. Laut einer Studie für 2021 haben 4,5 Millionen Erwachsene nach eigenen Angaben in den zurückliegenden zwölf Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert - bei Männern 10,7 Prozent und bei Frauen 6,8 Prozent. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen war der Konsum demnach am stärksten verbreitet. Dabei bestehen Experten zufolge bis zum Alter von 25 Jahren wegen des noch anhaltenden Reifeprozesses des Gehirns besondere Risiken für psychische, physische und soziale Beeinträchtigungen. (APA/win)

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