Und übrigens

Endlich entlarvt: Die Finnen sind gar nicht so glücklich!

Lebensfreude oder Durchhaltewillen? Finnen bei einem Sauna-Wettbewerb.
Lebensfreude oder Durchhaltewillen? Finnen bei einem Sauna-Wettbewerb.Getty
  • Drucken
  • Kommentieren

Laut UNO ist Finnland das glücklichste Land, zum siebenten Mal in Folge. Das glauben wir so wenig wie das mit Wien als lebenswertester Stadt.

Es kam uns von Anfang an seltsam vor. Und nachdem Finnland von der UNO nun zum siebenten Mal in Folge zum glücklichsten Land der Welt erklärt worden ist, übermannt uns die Skepsis endgültig. Wir wissen doch: Dort ist es das halbe Jahr über zappenduster und eiskalt. Die Menschen schweigen sich an und lächeln selten. Sie trinken zu viel hochprozentigen Alkohol, obwohl er sauteuer ist. Die Gesellschaft ist überaltert, die Scheidungsrate hoch, die Melancholie allgegenwärtig, was sich in trüben Statistiken widerspiegelt.

Das alles kennen wir aus Artikeln, Erzählungen von Besuchern und Filmen der Brüder Kaurismäki, mit so schwarzgeränderten Titeln wie „Fallende Blätter“, „Die Wertlosen“ oder „Reise in die Finsternis“. Und dieses verschlossene Völkchen soll nun seit sieben Jahren in einem permanenten Glücksrausch leben, von Frohsinn nur so sprühen? Jeder Saunagang eine ausgelassene Sause? Wenn schon Klischees, dann bitte die altbewährten. Zumal auch die meistgelesene finnische Zeitung im Vorjahr räsonierte: „Wir sind die glücklichste Nation, aber warum fühlt es sich nicht so an?“

Journalistische Gesandte aus aller Welt haben versucht, den Finnen das Geheimnis ihres gewaltigen Glücks zu entlocken. Sie kriegen Antworten wie: „Die Natur“. „Die Sicherheit“. „Die Ruhe“. Oder: „Wenn ich einen Handwerker brauche, dann kommt er auch“. Nein, das kann es nicht sein. So etwas euphorisiert allenfalls frisch Zugezogene, die bisher anderes erlebt haben.

Es erinnert uns daran, wie Wiener wunschgemäß erklären, warum sie angeblich in der lebenswertesten Stadt leben: wegen des kulturellen Angebots – auch wenn sie nie in die Oper gehen (zu teuer) und auch nicht ins Theater (zu anstrengend). Für die basierende Umfrage wurden Expats befragt, die mit ihrer Heimat vergleichen und als einzigen Nachteil vermerken: die Wiener. Nicht einmal die höchste aller Lebensqualitäten macht uns umgänglicher. Wie undankbar!

»Statistiker schließen aus dürren Kennzahlen, dass ein komfortables Umfeld in Glückszustände versetzt.«

Hierin liegt die ganze Fragwürdigkeit des „World Happiness Index“: Die UNO-Statistiker schließen aus dürren Kennzahlen zu geringer Korruption, hoher Wirtschaftsleitung und sozialer Absicherung, dass ein solch komfortables Umfeld die davon Profitierenden in Glückszustände versetzt. Das widerspricht dem kleinen Einmaleins der Psychologie: Was man von Kindestagen an gewohnt ist, macht nicht glücklich, ja nicht einmal zufrieden.

Aber da ist noch die Umfrage, bei der die Finnen selbst ihre Happiness zu Protokoll geben. Nur: Wenn Sie eine wildfremde Person aus einem Call Center anruft und fragt, wie glücklich sie denn seien – breiten Sie dann alle authentischen Nuancen ihres Seelenlebens aus? Wohl so wenig wie bei der idiotischen, völlig sinnentleerten Floskel „Wie geht’s?“, die uns im Alltag verfolgt. In solchen Fällen antwortet man gemäß der Konvention. Und Konventionen sind kulturanhängig, von Land zu Land verschieden.

Wie ist das bei den Finnen? Wir danken dem Kollegen Jens Mattern, freier Skandinavien-Korrespondent, dass er den letzten Puzzlestein geliefert hat: Es gehe um „Sisu“, eine stoische Haltung, der sich die Finnen rühmen – klaglos das Leben ertragen, allem Unbill zum Trotz. Sie lässt sie nach dem Aufguss eisern ins Eisloch springen und auf Nachfrage tapfer melden: „Natürlich bin ich glücklich, mir geht es ja gut.“ Da könnten sich die grantigen Wiener doch etwas abschauen: Sisu auch für Sievering!

Email: karl.gaulhofer@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.