Leitartikel

Je länger man Reformen verschiebt, desto schmerzhafter werden sie

Pensionsreform? Niemand will das Thema anfassen.
Pensionsreform? Niemand will das Thema anfassen.Die Presse / Clemens Fabry
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Vor 20 Jahren trat die letzte große Pensionsreform in Kraft. Seither rührt das Thema niemand mehr an. Je länger man wartet, desto unangenehmer wird es.

Es ist 2024, und damit begehen wir heuer ein Jubiläum: 20 Jahre ist es her, dass in Österreich die letzte große Pensionsreform in Kraft getreten ist. Eine wesentliche Änderung war die Umstellung auf das Pensionskonto. Galten einst nur die Jahre mit dem besten Einkommen als Basis für die Berechnung der Pension, zählt mittlerweile fast das ganze Erwerbsleben. Heute herrscht weitgehende Einigkeit, dass die Reform sinnvoll war. Aber wiedergewählt wurde Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der sie federführend vorantrieb, nicht.

Es ist die Angst vieler Politiker vor den Wählern, die das Thema Pensionsreform ein Dasein als heißes Eisen fristen lässt, an dem sich niemand die Finger verbrennen will. Aber ist diese Angst wirklich berechtigt? Gut möglich, dass viele Wähler vernünftiger sind, als es ihnen Politiker zutrauen. Klar ist jedenfalls: Je länger man eine Pensionsreform hinausschiebt, desto schmerzhafter werden die Einschnitte später sein. Es mag ja sein, dass die Pensionen sicher sind. Es fragt sich nur: zu welchem Preis? So pflegt etwa Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, darauf hinzuweisen, dass wegen der Alterung nicht nur höhere Kosten für Pensionen auf Österreich zukommen, sondern auch für Pflege. Und das wird in Summe teuer.

Ein milder und dennoch angemessener Schritt wäre, das gesetzliche Pensionsantrittsalter mit steigender Lebenserwartung anzuheben. Denn mit rund 62 Jahren (Männer) und 60 Jahren (Frauen) geht man in Österreich in Pension wie in den 1970er-Jahren, obwohl die Lebenserwartung seither deutlich gestiegen ist.

Um über die staatlichen Ausgaben für Pensionen zu wachen, wurde 2017 die Alterssicherungskommission eingerichtet. Sie ressortiert zum Sozialministerium und hat seit Donnerstag eine neue Vorsitzende: Die Ökonomin und Pensionsexpertin Christine Mayrhuber vom Wifo übernimmt mit April. Es war höchste Zeit. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass der frühere Vorsitzende Walter Pöltner das Handtuch geworfen hat, weil er sich von der Politik nicht gehört fühlte. Pöltner hatte mehrmals darauf hingewiesen, dass das Pensionssystem in seiner jetzigen Form nicht nachhaltig finanzierbar sei.

Eine wesentliche Aufgabe der Alterssicherungskommission ist es, Gutachten zur voraussichtlichen Entwicklung der Kosten für Pensionen zu erstellen. Laut dem Mittelfristgutachten vom Herbst 2023 steigen die Ausgaben des Bundes für die gesetzliche Pensionsversicherung (ohne Beamte) von 12,7 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 21,8 Milliarden Euro im Jahr 2028. Der Grund sind stärkere Pensionserhöhungen wegen der hohen Inflation, steigende Pensionszugänge wegen der Alterung und das schwache Wirtschaftswachstum. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist das ein Anstieg von 2,8 Prozent auf 3,7 Prozent.

Im Sozialministerium sieht man die Lage entspannt: „Die bisherigen Prognosen der Alterssicherungskommission zeigen, dass die langfristige Finanzierung des Systems gesichert ist“, ließ sich Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) angesichts der Bestellung von Mayrhuber zitieren. Es gebe aber Handlungsbedarf, weil die Kosten steigen. Deshalb sei es wichtig, das tatsächliche an das gesetzliche Antrittsalter heranzuführen. Bloß: Dass bis zum jetzigen gesetzlichen Antrittsalter gearbeitet wird, wird sich ohne Anhebung kaum erreichen lassen. Zumindest hat es bis jetzt nicht funktioniert.

Die Alterssicherungskommission sollte ihren Job ernst nehmen. Das heißt: genau analysieren, wo die Baustellen im Pensionssystem sind, und die Politik zu den nötigen Änderungen drängen. Aber das Problem ist, dass in der Kommission mitunter mehr gestritten als gearbeitet wird. Und dass es in den Debatten weniger um objektive Analysen zum Pensionssystem geht als um Weltanschauungen. Was angesichts der Besetzung nicht verwundert: In der Kommission sitzen Arbeiterkämmerer und Gewerkschafter neben Vertretern von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, flankiert von Parteipolitikern. Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS sind zwar vertreten, haben aber kein Stimmrecht.

Das Thema Pensionen darf nicht im parteipolitischen Geplänkel versanden. Dazu ist es zu wichtig.

E-Mails an: jeannine.hierlaender@diepresse.com

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