Gastkommentar

Post-Covid-Fragen: Wie hoch war das Risiko?

Auch vier Jahre danach erhebt sich die Frage, welche Kräfte die Politik veranlasst haben, ein Virus zur Massenseuche zu erklären.

Die Veröffentlichung der Protokolle des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI) durch das unabhängige Webportal Multipolar am 18. März 2024 entzieht der medialen Kampagne gegen sogenannte Corona-Leugner den Boden unter den ­Füßen. Zwar ist diese nach Aufhebung der Covid-Maßnahmen-Gesetze im Jahr 2023 abgeebbt, zumal Kernpunkte der Kritiker unterdessen allgemein anerkannt sind. Entgegen den Ankündigungen einer kritischen Aufarbeitung stehen die Vorwürfe gegen MaßnahmenkritikerInnen jedoch weiterhin im Raum. Die Motive für das damals als „alternativlos“ propagierte Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens wurden in den Berichten der Landesverteidigungsakademie (11/2023) sowie der Akademie der Wissenschaften (12/2023) nicht angesprochen. Die RKI-Files haben den deutschen Verantwortlichen für Panikmache, Lockdowns, Tracking-, Test- und Impfkampagnen nun heftig Dampf gemacht.

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Ich selbst musste die üblichen Verunglimpfungen von Verharmlosung der Seuche, Wissenschaftsskepsis, Menschenverachtung und Rechtslastigkeit über mich ergehen lassen, weil ich im Wintersemester 2021/22 gemeinsam mit Hermann Knoflacher und Günter Emberger (TU Wien) sowie Peter Weish und Helga Kromp-Kolb (Boku) die Vorlesung „Corona als transdisziplinäre Herausforderung“ organisierte hatte. Sie hat dem schweigenden Einverständnis der Universitäten mit dem bislang (seit 1945) größten Angriff auf Menschenrechte und Grundfreiheiten Raum für Debatte und ­Widerspruch geöffnet. Über 1200 Studierende meldeten sich dafür an. Der über das Internet und eine geifernde HochschülerInnenschaft verbreitete Shitstorm gegen die Veranstaltung ließ keinen beteiligten Referenten, allesamt angesehene Vertreter ihres Faches, ungeschoren.

Am stärksten im Schussfeld standen die Mediziner Andreas Sönnichsen (Med-Uni Wien) und Christian Schubert (Univ. Innsbruck), aber auch der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen (Univ. München). Sie kontrastierten die statistische, durch Massentests hervorgerufene Inszenierung exponentieller Fallzahlen, Todesraten und überlasteter Spitalsbetten mit der von Sars-CoV-2 ausgehenden Gefahr, stellten die Sinnhaftigkeit von Masken, Schulschließungen und Massenimpfung infrage und machten Vorschläge zu Prophylaxe und Behandlung. Das galt damals als „unwissenschaftlich“, folglich sollte es nicht geäußert werden dürfen. Sönnichsen hat seine Kritik die Anstellung gekostet.

Die vorliegenden RKI-Dokumente zeigen auf, dass die Debatten im geschlossenen Kreis der Beratungsinstitution des deutschen Gesundheitsministeriums keineswegs der Katastrophenstimmung von Regierungen und medialen Mainstreams entsprachen. Die meisten Bedenken, die die kritischen Stimmen der Corona-Vorlesung vorgetragen hatten, sorgten auch dort für Debatten ­sowie Besorgnis. Warnungen vor Schulschließungen, Maskenpflicht, Massenimpfung u. v. m. waren gang und gäbe, schlugen sich allerdings nicht in der Politik nieder. Den Konsens der Wissenschaft, der den besorgten Bür­gerInnen eingeredet wurde, gab es gar nicht.

Debatten im kleinen Kreis

Die größte Aufregung hat bisher die Hochskalierung der Virusgefahr von „gering“ (24. 2. 2020) auf „mäßig“ (2. 3.) und schließlich „hoch“ (17. 3.) erregt, ohne dass sich dafür Unterlagen oder Begründungen unter den Dokumenten finden lassen. Am 16. 3. 2020 hieß es plötzlich: „Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald XXXX (geschwärzt) ein Signal dafür gibt.“ Das Signal kam, und der Lockdown nahm seinen Lauf. Nun wird herumspekuliert, wer sich hinter XXXX verbirgt: jemand, der eine politische Weisung erteilte und damit die Unabhängigkeit des RKI infrage stellte, oder ein hochrangiger RKI-Mitarbeiter selbst?

Jenseits der innenpolitischen Weisungskette erhebt sich die Frage, welche Kräfte das RKI und die Politik tatsächlich veranlasst haben, ein Virus zur Massenseuche hochzustilisieren. Hier geht es nicht nur um XXXX. Vielmehr muss der internationale Umgang mit Pandemien ins Spiel gebracht werden. Die Abhängigkeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von Geldern aus Pharma-Firmen und privaten Stiftungen gibt Anlass zur Vermutung, dass es nicht die Sorge um das Wohlergehen der BürgerInnen war, die die Regierungen zum Lockdown greifen ließ. Seit Jahren werden auf internationalen Treffen, die von eben jenen Interessen finanziert werden, die Szenarien eingeübt, die im Pandemiefall zum Tragen kommen sollen. Damit das im konkreten Anlassfall tatsächlich passiert, müssen einzelne Verantwortliche auf den Plan treten. Hier besteht Spielraum für nationalstaatliche Sonderwege, solang diese nicht internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO entgegenstehen.

Und das kleine Österreich? Das Publikwerden der deutschen Protokolle wirft die Frage auf, wie die Anpassung an die Interessen von Big Pharma und Big Data hierzulande erfolgte. Die österreichische Regierung hat mit der geplanten Einführung der Corona-Impfpflicht im Jänner 2022 gezeigt, dass sie zu besonders scharfen Maßnahmen greifen will. Dass sie die von ÖVP, Grünen und SPÖ beschlossene Impfpflicht schließlich unverrichteter Dinge zurücknehmen musste, ist wohl dem auch hierzulande breiten, über soziale und weltanschauliche Grenzen hinweg geäußerten Protest geschuldet.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin

Privat

Andrea Komlosy (geboren 1957) ist a. o. Univ.-Prof. am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Wien.

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