Leitartikel

Vermögenssteuer: Wenn Experten an einer neuen Gesellschaft bauen

Ökonomen der Nationalbank (im Bild das Hauptquartier in Wien) äußern im jüngsten Sozialbericht relativ eindeutig ihre Meinung zum Thema Vermögen und Unternehmertum in Österreich.
Ökonomen der Nationalbank (im Bild das Hauptquartier in Wien) äußern im jüngsten Sozialbericht relativ eindeutig ihre Meinung zum Thema Vermögen und Unternehmertum in Österreich.Andrei Pungovschi / Bloomberg
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Die Diskussion um Vermögens- und Erbschaftssteuern wird im Wahlkampf noch an Fahrt aufnehmen. Dass es in dieser hoch ideologischen Frage keine unabhängigen Experten gibt, zeigt die Arbeit von zwei Nationalbank-Ökonomen im Sozialbericht des Sozialministeriums.

„Nationalbank-Experten plädieren für Vermögens- und Erbschaftssteuer.“ So lautete der Titel einer APA-Meldung von Montagfrüh, die von so gut wie allen heimischen Medien (auch der „Presse“) zumindest in ihren Online-Ausgaben übernommen wurde. Eine Meldung, die aufgrund des anlaufenden Wahlkampfes von vielen Österreicherinnen und Österreichern mit großem Interesse gelesen worden sein dürfte. Schließlich wird die Diskussion über eine höhere Besteuerung von Vermögen das große wirtschaftspolitische Thema des kommenden Nationalratswahlkampfes werden. Und wenn sich „Experten“ – noch dazu von der renommierten OeNB – so eindeutig positionieren, dann hat das schon was.

Grundlage der Meldung ist der Band II des aktuellen Sozialberichts des Sozialministeriums. Und in diesem schreibt der zuständige Sozialminister Johannes Rauch im Vorwort. „In Band II versuchen einige herausragende Wissenschafter:innen nichts Geringeres, als Antworten auf die übergeordnete Frage nach der Zukunft des Sozialstaats zu geben.“ Die Studie der beiden OeNB-Ökonomen würde dabei verdeutlichen, „wie sich eine hohe Vermögenskonzentration auf den Ressourcenverbrauch und damit den Klimawandel auswirkt und wie wir dem künftig ordnungspolitisch begegnen können.“

Eine nüchterne Analyse pragmatischer Wissenschaftler?

Die Antwort der beiden Wissenschaftler auf die ebenfalls von ihnen im Rahmen einer OeNB-Studie gemessenen Vermögenskonzentration ist laut APA-Meldung das Plädoyer für „die Einführung von Steuern, die soziale Gleichheit fördern, zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen und das Potenzial haben, gleichzeitig Steuern auf Arbeit deutlich zu senken.“ All dies sei durch Zahlen zur Vermögensverteilung „empirisch“ belegt.

Hier haben sich also ein paar pragmatische Wirtschaftswissenschaftler ausgiebig mit den Zahlen beschäftigt und sind zu einem nüchternen Ergebnis gekommen, so das Bild, das bei den meisten Lesern entstanden sein dürfte.

Etwas anders sieht die Sache aber aus, wenn man sich den Bericht im Detail vornimmt (im Kleingedruckten wird darauf hingewiesen, dass sich die „zum Ausdruck gebrachten Ansichten nicht zwingend mit jenen der OeNB decken müssen“). So wird von den Autoren etwa das Argument, dass Menschen auch aufgrund ihrer engen emotionalen Bindung ihren eigenen Kindern etwas hinterlassen zu wollen, folgendermaßen weggewischt: „Die Heuchelei, die Familie als gemeinsame Wertebastion zu feiern und deswegen gegen eine Erbschaftssteuer zu sein, kann die dynastische Macht der Vermögenden gut absichern.“

„Behauptung“ von geschaffenen Arbeitsplätzen

Und auch auf das von den meisten Ökonomen sachlich vorgebrachte Argument gegen eine Substanzbesteuerung von Unternehmen, wonach bei diesen dann vor allem in wirtschaftlich schlechteren Jahren die Investitionskraft erodieren würde, gibt es eine klare Antwort: „So kann zwischen innovativen Unternehmenseigentümer:innen und untätigen Vermögenden unterschieden werden.“ Schließlich sei das Wirken von erfolgreichen Unternehmern in der Gesellschaft ohnehin überbewertet: „Eigentümer:innen von Unternehmen legitimieren gerne die Höhe ihres Vermögens mit Behauptungen zu den von ihnen geschaffenen Arbeitsplätzen und sehen dies als eigenen Verdienst. So drehen sie die wichtige Argumentation, dass Vermögen Macht bedeutet, weil es Arbeit kaufen kann, interessengeleitet ins Gegenteil.“

Letzteres wird überhaupt als wichtigste Begründung für die Notwendigkeit einer Vermögenssteuer gebracht. „Vermögen gibt Macht. Diese Macht muss nicht einmal ausgeübt oder missbraucht werden, um in einer Demokratie grundsätzlich problematisch zu sein.“ Und: „Moderate wirtschaftspolitische Vorschläge zu einer Erbschaftssteuer sehen hohe Freibeträge, vielfältige Ausnahmen von der Besteuerung und niedrige Steuersätze vor. Dies ist nicht hinreichend, und solche wirtschaftspolitischen Forderungen nach einer Erbschaftssteuer sind eher auf der symbolischen Ebene zu verorten. Für das wirtschaftspolitische Projekt einer egalitären und nachhaltigen Gesellschaft bedarf es mehr.“

Man sieht also wieder einmal: Wenn das Ziel eine neue und angeblich bessere Gesellschaft ist, dann kommt schnell der Wunsch nach radikalen Maßnahmen. Das soll dann aber bitte nicht als ideologiefreie Expertise von Wissenschaftlern verkauft werden.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Leitartikel ist zuerst als Morgenglosse erschienen.

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