One-Size-Modemarke

Doku über Brandy Melville: Wer zunimmt, fliegt raus

Der Hype um Brandy Melville bleibt bisher ungebrochen.
Der Hype um Brandy Melville bleibt bisher ungebrochen. Imago/Richard B. Levine
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Nach Jahren des Hypes blickt eine neue HBO-Dokumentation hinter die Kulissen der Modemarke Brandy Melville – und zeigt Schauerliches.

„One size fits most“, heißt der Leitsatz der Modemarke Brandy Melville. Also: Eine Größe passt den meisten. Als universell gut sitzende Konfektionsgröße wird XS/S verkauft. Und nun stelle man sich vor, man ist ein Mädchen, eine junge Frau, die als Teil einer vermeintlichen Minderheit da nicht hineinpasst. Dass die durchschnittliche Kleidergröße von Frauen in Österreich 42 ist, in den USA 44, schert die Modekette wenig bis gar nicht.

Seit Jahren werfen Kritiker dem Unternehmen schon vor, das ultradünne Körperideal zu propagieren. Und das, obwohl gerade Jugendliche (recht eindeutig die Zielgruppe der Marke) ohnehin schon unter enormem Schönheits- und Konformitätsdruck leiden, einmal mehr seit der Omnipräsenz sozialer Netzwerke, in denen wiederum auch Brandy Melville sehr aktiv ist. 3,1 Millionen Follower zählt die amerikanische Unternehmensseite auf Instagram, die europäische Version mehr als 660.000. Gepostet werden Fotos ausschließlich dünner Mädchen und Frauen, überwiegend weiß, mit langem Haar, viele nicht einmal volljährig. Recht konventionell also. Ähnlich ist das Bild in den Geschäften selbst. Junge, dünne, normschöne Frauen an Kassa und Garderobe: die „Brandy Girls“.

In diesen doch recht exklusiven Klub bietet eine neue Doku in den USA jetzt Einblick, „Brandy Hellville & The Cult of Fast Fashion“. Mehrere frühere Verkäuferinnen berichten davon, während ihrer Zeit bei „Brandy“ (so die Kurzfassung unter Fans) unter Essstörungen gelitten zu haben. Im Team sollen alle davon gewusst haben. Der allgemeine Tenor: Wer zu dick wird, muss mit einer Kündigung rechnen.

Rekrutiert wurden die Angestellten demnach unter den eigenen Kundinnen. Wer ins Schema passt, wird angesprochen – und noch mit Sackerl in der Hand eingestellt. Im New Yorker Flagship-Store soll der Firmenchef, Stephan Marsan, gar einen Knopf an der Kasse installiert haben, der das Personal mittels Blinken informierte, wenn ihm eine Kundin gefiel. Unter den eigenen Kundinnen lässt es sich freilich gut fischen, schließlich sind diese meist schon Fans der Marke. Zum „Brandy Girl“ auserkoren zu werden ist ergo eine Ehre für die Mädchen. Ebenso wie auf Bildern der Social-Media-Accounts abgebildet zu werden. So kommt man zu billigen Models.

Undurchsichtige Firmenstruktur

Wer sich weniger gern zeigt, ist Marsan selbst. „Business Insider“-Journalistin Kate Taylor hat den Italiener als CEO identifiziert, die Dokumentation stützt sich auf ihre Recherchen. Der Mann hat kaum eine Online-Präsenz, die Google-Suche nach seinem Namen spuckt nur wenige Bilder aus. Er gibt keine Interviews und tritt öffentlich nicht in Erscheinung. Generell sei die Struktur des Unternehmens undurchsichtig: Jeder US-Laden habe formal einen eigenen Eigentümer, der Name des Unternehmens ist im Besitz einer Schweizer Firma.

Ehemalige Filialleiter und Angestellte, die Marsan kennengelernt haben, beschreiben ihn im Film als suspekt oder gar als feindselig. Berichten zufolge bevorzugte er weiße und asiatische Mädchen in seinen Läden, „nicht viele Schwarze“, wie ein ehemaliger Assistent, der anonym bleiben möchte, erzählt. Die seien dann eher im Lagerraum eingesetzt worden, das Vorgehen erinnert an jenes der Marke Abercrombie & Fitch, welche auch schon Gegenstand einer ähnlichen Netflix-Dokumentation war. Während die US-Marke zumindest versucht hat, ihre Politik oder zumindest das Image zu korrigieren, bleibt man bei Brandy bislang stur. Auch auf die Dokumentation haben weder Marsan noch sein Team reagiert.

Der Ex-Vizepräsident von Brandy Melville sagt im Film, er sei sogar gekündigt worden, weil er die Entlassung eines Mädchens verweigert habe, die nicht Marsans Vorstellungen entsprach. Ein ehemaliger Topmanager berichtet in der Doku auch von einem internen Gruppenchat, in den eine Menge rassistisches und sexistisches Material Eingang fand: Hitler-Witze, pornografische Bilder, ausländerfeindliche Memes. Auf einem der Bilder ist Marsan mit einer Trump-Kappe zu sehen.

Immer wieder mussten „Brandy Girls“ Fotos ihrer privaten Outfits an den Firmenchef schicken, für „Marktforschungszwecke“. In der Regel wurden Teile des Outfits dann schnell und billig nachproduziert (manchmal nach ihrer Ursprungsträgerin benannt), was auch immer wieder in Gerichtsverfahren mündete. Die Dokumentation zeigt recht eindeutig, welches Geschäftsmodell hier verfolgt wird: Produktfluktuation vor Qualität, Kleidung quasi als Einwegware – wie bei anderen Fast-Fashion-Händlern auch. Im Zuge der Recherche hat Produzentin Eva Orner die italienische Stadt Prato besucht, wo Brandy Melville nur eines von vielen Unternehmen ist, die unter dem Label „Made in Italy“ schnelle Kleidung mithilfe von billigen Arbeitskräften herstellt.

Mit der Doku hofft Orner einen Denkanstoß geben zu können, um die eigene Beziehung zu Kleidung überdenken. Was eine Umwälzung bei Brandy Melville angeht, ist sie nicht wirklich zuversichtlich. (evdin)

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