Iran

Der Iran startet mitten in der außenpolitischen Krise mit einer Repressionswelle

Berichte über die jüngsten Angriffe im iranischen Fernsehen.
Berichte über die jüngsten Angriffe im iranischen Fernsehen. Imago/Hossein Beris
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Das Regime verschärft seine Gangart und geht massiv gegen Protestierende vor, vor allem gegen Frauen.

Am Donnerstag traf es Aida Shakarami. In einer kurzen Nachricht auf Instagram teilte ihre Mutter, Nasrin, mit, dass Aida von der Sittenpolizei gefasst worden sei und sich seither in Gewahrsam befinde; denn die 22-Jährige sei ohne Kopftuch unterwegs gewesen. Weitere Details sind nicht bekannt – ein unheilvolles Déjà-vu für die Familie Shakarami. Als nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Jina Amini eine landesweite Protestwelle den Iran erfasste, war die erst 16-jährige Nika Shakarami, Aidas Schwester, an vorderster Front mit dabei. Sie nahm an Protesten teil, verbrannte mitten in Teheran ihr Kopftuch. Wie Amini dürfte auch sie in die Fänge der brutalen Sicherheitskräfte geraten sein, denn Nika Shakarami „verstarb“ wohl in Polizeigewahrsam. Ihre Leiche wurde der Familie erst einen Monat später übergeben. Shakarami wurde zu einem Symbol des Widerstands gegen das Regime.

Ein Widerstand, den Teheran brutal zu unterdrücken versucht, insbesondere dann, wenn der Fokus auf der Außenpolitik liegt. Mit dem schwelenden iranisch-israelischen Krieg bleibt fast unbemerkt, mit welcher Härte das Regime derzeit gegen Protestierende vorgeht, vor allem Frauen, die sich weiterhin weigern, das verpflichtende Kopftuch zu tragen. „Die Polizei in Teheran und in den Provinzen wird von heute an hart gegen jene vorgehen, die die Hijab-Gesetze ignorieren“, sagte Teherans Polizeipräsident, Abbas Ali Mohammadian, vergangenes Wochenende.

Augenzeugen bestätigen die Lage: Nicht nur in der Hauptstadt ist die Sittenpolizei stärker ausgerückt, überall nehmen die Verhaftungen zu. „Iran fährt Gewalt und Repression gegen Frauen und Mädchen hoch“, warnt die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights mit Sitz in Oslo.

Gunst der Stunde

„Plan Noor“, also Licht, soll das Regime die laufende Initiative genannt haben, um die Protestierenden in Schach zu halten. Ja, man müsse die Gunst der Stunde nützen, sagte der Geistliche Rasul Falahati mit Blick auf die ­Außenpolitik, um „die Kopftuchfrage“ unter Kontrolle zu bekommen. Auf der Plattform X fasste eine Frau die aktuelle Repressionswelle bitter zusammen: „Das Risiko, von der Moralpolizei getötet zu werden, ist höher als das von einem israelischen Angriff.“

Die Parole gab Ayatollah Ali Khamenei persönlich vor. Während einer Festrede zum Ende des Fastenmonats Ramadan verlangte er die Aufstockung der Sicherheitskräfte, denn die Kopftuchgesetze seien „endgültige, religiöse Dekrete“. Zu den nun Verhafteten gehören etwa die Studentin und Journalistin Dina Ghalibaf, die einen Erfahrungsbericht über ihre letzte Verhaftung veröffentlicht – und von Elektroschocks sowie sexuellen Übergriffen berichtet hat. Es ist nicht bekannt, wo sich Ghalibaf seit ihrer neuerlichen Festnahme befindet.

„Genug ist genug!“

Das Regime will ein neues Gesetz „zum Schutz der Familie und der Keuschheit“ durchbringen, das sich gerade zur Begutachtung im Parlament befindet. Teilweise gelten die drakonischen Strafen, die mit dem neuen Gesetz kommen, jetzt schon. Krankenhäuser oder behördliche Stellen können Dienstleistungen verweigern, wenn Frauen kein Kopftuch tragen. So zeigt sich das Regime umso gnadenloser, desto unbeugsamer die Bevölkerung bleibt.

Die Islamische Republik dümpelt bei Zustimmungswerten im einstelligen Prozentbereich. Ein Großteil der Wahlberechtigten boykottierte die Kommunalwahl im Februar, zugleich umgibt sich Khamenei mit ideologischen Hardlinern, die außen- und innenpolitische Kompromisse ablehnen. Die Regierung von Ebrahim Raisi bekommt die Wirtschaftskrise nicht in den Griff. Zwar haben sich nach dem iranischen Drohnen- und Raketenangriff auf Israel Tausende feiernde Iraner auf den Straßen eingefunden, aber viele bleiben empört und besorgt, was Teherans kostspielige Zündeleien in der Regionen betrifft. „Genug ist genug!“, brüllt ein Iraner in das Telefon des iranischsprachigen Rundfunks Radio Free Europe, „wann kommen alle endlich zu Sinnen“?

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