TV-Notiz

Arbeitszeit und Märchenerzählung in „Im Zentrum“

Wie viel Arbeit ist zu viel? Für wen und wann? Fragen bei „Im Zentrum“.
Wie viel Arbeit ist zu viel? Für wen und wann? Fragen bei „Im Zentrum“. (c) Screenshot ORF
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41 Stunden arbeiten pro Woche – oder doch lieber nur 32? Am Sonntagabend diskutierte man in der ORF-Sendung, die sich so schnell nicht verändern wird.

Was ist nun eigentlich mit der Überarbeitung der Diskussionsformate, die der ORF im Jänner angekündigt hat? Das fragt man sich unwillkürlich, wenn man am Sonntagabend „Im Zentrum“ einschaltet. Immerhin hat der ORF schon im Jänner angekündigt, eine neue Strategie für seine Gesprächsrunden zu suchen, allen voran dem Flaggschiff unter Moderatorin Claudia Reiterer. Aber, ach ja, Ergebnisse der Evaluierung über Themenauswahl, Sendeplatz und Setting wird es ja erst im Spätsommer oder Herbst geben, vor dem Jahreswechsel braucht man somit keine Änderungen zu erwarten. Gut Ding braucht offenbar sehr viel Weile.

Die Frage, wie viel Zeit Arbeit braucht, war übrigens auch das Kernthema der aktuellen Runde. In der Debatte um die Wochenstunden gehen die Wogen neuerdings wieder hoch. Dass sich die Industriellenvereinigung für eine 41-Stunden-Woche aussprach, ist für die SPÖ eine Steilvorlage für den Wahlkampf. Andreas Babler tritt als SPÖ-Chef bekanntermaßen für das Gegenteil, nämlich eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit, ein. Erwartbar kamen also ein Vertreter der IV (Karl Ochsner: „Das Märchen vom leistungslosen Wohlstand gibt es nicht“) und ein Vertreter der SPÖ bzw. Gewerkschaft (Josef Muchitsch: „41 Stunden sind Lohnraub per Gesetz“ und „Ich bin sehr gern ein Märchenerzähler, weil Märchen wahr werden“) zur Diskussion bei Claudia Reiterer. Und ließen viele Schlagworte hören.

Eine angenehmere Rhetorik: die beiden Gästinnen, die aus der Praxis erzählten. Man sollte faktenbasiert diskutieren, meinte Hoteleigentümerin Michaela Reitterer (nicht verwandt oder verschwägert mit der Moderatorin) in einer eloquenten Replik an Muchitsch. Um welche Branchen soll es denn überhaupt gehen? „Nur dieses Schlagwort, 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich, das weiß sofort jeder, dass sich das nicht ausgeht.“ Außerdem nahm sie das Wort Work-Life-Balance aufs Korn. „Das würde nämlich eine Balance zwischen dem Leben und Arbeit bedeuten. Die Arbeit ist aber nicht außerhalb meines Lebens“, sagte sie. Und forderte generell mehr Flexibilität. Und weniger Besteuerung der Arbeit.

Über den Pflegebereich sprach Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegeverbands. Sie plädierte dort für eine Stundenreduktion, weil das mehr Menschen in den Beruf ziehen würde. Und verhindern würde, dass viele wieder aussteigen. Vielleicht würden sogar manche wieder zurückkehren zu dieser anstrengenden Tätigkeit. Doch weniger Stunden in einem Bereich, in dem es akut und auch langfristig echte Not gibt? „Wir können 40 oder auch 50 Stunden aufs Blattl Papier schreiben, aber wir brauchen die Menschen, die bereit sind, das zu arbeiten. Und die finden wir in der Pflege nicht mehr“, sagte Potzmann. Man müsse also Rahmenbedingungen finden, die für die Leute passen. Viele ausgebildete Pfleger würden den Bereich schnell wieder verlassen.

Macht Arbeit krank?

Die Kehrseite brachte Ochsner: „Es gibt Menschen, übrigens auch in meinem Unternehmen sehr viele, die 60 sind und Marathon laufen oder auf den Berg gehen und zu mir sagen ‚Ich möchte gern noch drei Jahre länger arbeiten‘, das aber nicht tun, weil sie Nachteile in der Pension hätten.“ Man dürfe den Menschen nicht einreden, dass Arbeit krank mache, das würde vielmehr Arbeitslosigkeit tun. Überstunden müssten belastungsfrei sein. Leistung müsse sich lohnen. Aber, warf Moderatorin Reiterer berechtigterweise ein: Ochsner würde doch auch persönlich die 41 Stunden fordern, bei gleichem Lohn. Das würde sich ja für die Arbeitnehmer nicht auszahlen. Der Unternehmer flüchtete sich darauf in den internationalen Vergleich.

Ein weites Feld, die Arbeitszeit. Und die Arbeitswelt. „Wir werden in einigen Jahren hier sitzen und diskutieren, wie wir die Arbeit auf mehr Menschen verteilen können“, sagte Muchitsch irgendwann. Könnte gut sein. Und auch, dass es im selben Setting passiert. Mit denselben Gästen. Bei „Im Zentrum“.

Darüber diskutieren bei Claudia Reiterer:

Josef Muchitsch (Bundesvorsitzender Gewerkschaft Bau-Holz, ÖGB, Sozialsprecher SPÖ)

Karl Ochsner (Unternehmer, Präsident Industriellenvereinigung NÖ)

Elisabeth Potzmann (Präsidentin Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband)

Michaela Reitterer (Unternehmerin und Hoteleigentümerin)

>> Die Sendung zum Nachschauen

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