Klima und Biodiversität

Es ist gefährlich, Wald nur als Senke für Kohlendioxid zu sehen

Den Wald ins Visier nehmen Wissenschaftler, die Antworten auf eine Frage suchen: Was braucht der Wald?
Den Wald ins Visier nehmen Wissenschaftler, die Antworten auf eine Frage suchen: Was braucht der Wald?APA/Comyan/Barbara Gindl
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In einem Expertenbericht über den Zustand des Waldes, der am Montag in New York vorgestellt wird, geht es natürlich auch um die vielfachen Bedrohungen, denen Wälder ausgesetzt sind. Im Mittelpunkt steht aber vor allem die verengte Sicht des Menschen auf den Wald.

Die Geschichte des Berichts, den die Internationale Union der Waldforschung-Organisationen (IUFRO) am Montag beim United Nations Forum for Forests in New York vorlegt, beginnt 2010. Damals ist die Analyse fertiggestellt gewesen, in der das Waldmanagement kritisch beleuchtet worden ist. Auf der damaligen Analyse aufbauend wird heute die Frage gestellt: Was brauchen die Wälder der Erde? Die Antwort ist nicht einfach, sondern – im Gegenteil – wesentlich vielseitiger als vor 14 Jahren gedacht, und damit ist auch die Umsetzung von Maßnahmen schwieriger.

Die Wurzeln gehen bis in die 1980er-Jahre zurück

Es lohnt sich, noch weiter in die Vergangenheit zu blicken – um mehr als 30 Jahre. Nach dem Auftreten von massiven Waldschäden in Europa, insbesondere im Erzgebirge durch sauren Regen, und einer beinahe weltweit geführten Debatte über das Abholzen der Tropenwälder (insbesondere in Brasilien und Indonesien) in den 1980er-Jahren ist für den zweiten „Erdgipfel“ in Rio de Janeiro 1992 der Beschluss einer Wald-Konvention auf der Tagesordnung gestanden.

Allerdings nicht lang: Im unmittelbaren Vorfeld waren die Diskrepanzen zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern (G7 gegen G77) so groß, dass sehr schnell klar wurde: Eine verbindliche Wald-Konvention hat keine Chance, beschlossen zu werden. Über die Ziellinie geschafft haben es in Rio nur vier Themen: Klima, Biodiversität (mit einigen inhaltlichen Überschneidungen mit den groben Entwürfen der Waldkonvention) mit Konventionen, die Vorbereitung der zwei Jahre später beschlossenen Konvention gegen die Wüsten-Ausbreitung, die Agenda 21, ein Grundsatzpapier.

Von den hehren Ansprüchen, ein Regelwerk für Wälder aufzustellen, ist nicht viel übrig geblieben. In Rio beschlossen wurden „Forst-Prinzipien“, die seither allerdings keinerlei Verbindlichkeit entwickelt haben, auch wenn der Titel in seiner vollen Länge Andeutungen macht: „Principles for a Global Consensus on the Management, Conservation and Sustainable Development of All Types of Forests“. Konkret fassbare Inhalte hat der „globale Konsens“ aber dann doch nicht geliefert.

Das Management der Wälder ist nach 1992 vor allem im Zusammenhang mit freiwilligen Labels diskutiert worden, die sich mittlerweile selbst bei Optimisten als nur mäßig tauglich dafür herausgestellt haben, den Druck auf die Wälder zu lockern. Auch wenn die Fläche gerodeter und abgebrannter Wälder leicht abnimmt, so wäre es noch völlig verfrüht zu glauben, dass die Erholung der Wälder in trockenen Tüchern sei.

Der Bericht von 2010 hat bereits im Vorwort die Möglichkeit in den Raum gestellt, dass die Bemühungen um einen globalen Zugang zu einem nachhaltigen Waldmanagement auch „scheitern können“. Die nunmehrige IUFRO-Studie geht nicht so weit, auch wenn in aller Deutlichkeit die Schwachstellen in den einzelnen Bereichen dargestellt werden. Die Arbeit zeichnet auf 164 Seiten aber vor allem eine Landkarte, die offenlegt, in welcher Weise in den einzelnen Regionen das Waldmanagement eingeordnet und diskutiert wird.

Verstärkter Blick auf „die stillen Seiten des Waldes“

Der Ansatz ist konsequent interdisziplinär. Es wurden keine neuen Studien durchgeführt, sondern die bestehende Fachliteratur in drei Richtungen untersucht: Welche Herangehensweise gibt es an das Forst-Management, was ist Konsens und was hat sich seit 2010 geändert?

Nicht ausformuliert, aber wohl angedacht, ist eine dezentralere Sichtweise auf die spezielle Situation in Regionen, Wirtschafts- und Siedlungsräumen. Dies ebnet den Weg zur Hauptbotschaft, die den gesamten Globus betrifft und auf eine Entwicklung hinweist, die in den vergangenen neun Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen hat, aber schon sehr bald nach 1992 ersichtlich war. „Es geht darum, dass der Wald derzeit in der Öffentlichkeit in erster Linie im Klimazusammenhang diskutiert und damit einiges zugedeckt wird“, fasst Daniela Kleinschmit zusammen. Sie ist eine der Autorinnen der IUFRO-Studie, IUFRO-Vizepräsidentin und Professorin für Wald und Umweltpolitik an der Universität Freiburg.

Ist die Rede vom Wald, dann gehe es überwiegend um CO2-Senken, um verstärkte wirtschaftliche Nutzung und in den vergangenen Jahren vor allem auch um die Kompensation von Treibhausgasemissionen. Das sei vor allem eines: ein Milliardengeschäft.

Kleinschmit: „Vergessen wird dabei, dass der Wald viele andere Funktionen und Dimensionen hat.“ Erholung und Speicher sauberer Luft fallen da noch am ehesten ein. „Wald bedeutet auch Lebensraum für Indigene, Ort der Spiritualität, Biodiversität. Wem gehört das Wissen, das im Wald vorhanden ist, in seiner Gesamtheit aber nicht einmal annähernd ermessen werden kann?“ Es sei wichtig, die „stillen Seiten des Waldes“ zu bedenken und zu betrachten.

Seit Paris 2015 sei das CO2-Reduktionspotenzial von Bäumen in den Vordergrund gerückt. „Es geht um Zählen der Baumpflanzungen, um Millionen von Setzlingen.“ Kleinschmit meint, dass es aber einer ganzheitlichen Annährung an den Wald bedarf und dass es wichtig sei, immer die Frage aufzuwerfen: „Welche Bedeutung haben Forst-Maßnahmen für den Menschen, für die stillen Seiten des Waldes?“

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