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Digital von A nach B

Wolfgang Brunner, Head of Corporate IT von Gebrüder Weiss
Wolfgang Brunner, Head of Corporate IT von Gebrüder WeissAIEXANDRA SERRA BREGENZ
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Gerade in der Logistik müssen Realität und der digitale Raum eng vernetzt sein – denn letztlich geht es darum, physisch Güter von A nach B zu transportieren. Dabei hat jedes Transportmittel auch einen riesigen Rucksack an Daten im Schlepptau.

„Logistik ist überall“, stellt Claudia Schickling fest. Sie ist Leiterin der TU Wien Pilotfabrik 4.0, die sich mit der digitalen Zukunft der Industrie beschäftigt. Ein kurzer Satz mit enormer Bedeutung. Denn in Zeiten der globalisierten Supply Chain, in der Rohstoffe, Waren und Güter per Schiene, Straße, Luft und Wasser durch die Welt transportiert werden, an unterschiedlichen Orten teilverarbeitet, zwischengelagert und schließlich ausgeliefert werden, ist es die Logistik, die die einzelnen Schritte von der Rohstoffgewinnung bis zum Kauf der fertigen Produkte verbindet. Analog könnte man einem so komplexen System nicht mehr beikommen – es braucht also die Möglichkeiten der Digitalisierung. Mit all den Chancen und Risiken, die sie mit sich bringt. Hier kommt Gaia X ins Spiel, eine europäische Initiative zur Schaffung eines Standards für einen gemeinsamen europäischen Datenraum, was Datenschutz, Transparenz und Kompatibilität angeht. „Firmenintern werden Daten in eigenen Systemen verarbeitet und ausgetauscht. Da gibt es Firewalls und andere Sicherheitssysteme“, so Schickling, die das Projekt auf österreichischer Seite koordiniert. „Die Logistikkette geht natürlich in unzähligen Richtungen nach draußen – und genau da geht es um Sicherheit: Wie kann ich Daten sicher austauschen? Wie kann ich sicherstellen, dass es keine Datenlecks gibt, dass sie den richtigen Empfänger erreichen? Wie kann und muss der sich authentifizieren? Im privaten Bereich kennen wir das ja schon über die ID Austria – und ähnliche Systeme braucht es auch in der Industrie, damit die Partner, die vorher und nachher in der Logistikkette sind, möglichst viele Informationen austauschen und dementsprechend gut reagieren können.“ Denn: Die Digitalisierungs- oder Automatisierungslösung sei immer nur so gut wie die Datengrundlage und die Möglichkeiten des Datenaustausches. Im Moment kommunizieren über den Globus eine ungeahnte Anzahl unterschiedlicher Softwaresysteme miteinander. Sie begleiten die Güter digital, organisieren Warenlager, Frachtpapiere, Transport und unterstützen das Flottenmanagement, beim Zoll und vieles mehr. Sie alle beleuchten zu wollen, könnte bei der Lektüre zu Schwindelanfällen führen. In diesem Sinne wollen wir uns im folgenden Artikel auf den Bereich des Transports beschränken und aus diesem einige Beispiele ansehen. Auffällig bei der Betrachtung ist, dass sich – gerade in der Logistik – Digitalisierung und Automatisierung nicht immer eindeutig auseinanderhalten lassen.

Steffen Passman, Solution Architect für Mobility, Transport und Logistics bei der T-Systems International
Steffen Passman, Solution Architect für Mobility, Transport und Logistics bei der T-Systems Internationalbeigestellt

Nicht ohne Mensch

Physische Fracht muss letztlich vom Menschen für die digitale Welt erfasst werden. Selbst wenn die Information automatisch in der Cloud abgespeichert, verarbeitet und zugänglich gemacht wird, muss sie wiederum aktiv abgerufen werden. In diesem Zusammenhang kann man IT-Systeme als digitale Mitarbeiter verstehen, die stets unter der Aufsicht des Menschen im Hintergrund unterstützend arbeiten. In diesem Zusammenhang ist IT-Automatisierung im Sinne von Datenaustausch und -verarbeitung in den meisten Fällen automatisierte Kommunikation von Systemen untereinander sowie zwischen System und Mensch.

Werner Kremer, Partner Manager bei Deutsche Telekom IoT
Werner Kremer, Partner Manager bei Deutsche Telekom IoTbeigestellt

Digitaler Lieferschein

Man könnte sie als den (bisher) papierenen Zwilling der Lieferung beschreiben – Lieferschein und Frachtpapiere: stapelweise Zettelwerk, oft in dreifacher Ausführung für Sender, Spediteur und Empfänger –, in dem Sendungen beschrieben, mitverfolgt und quittiert werden. Da ist es nur naheliegend, aus Papier Bytes zu machen, weshalb Anbieter T-Systems einen „Digitalen Lieferschein“ anbietet. Er ist eine Lösung im Rahmen des Cloud4Log-Systems, das T-Systems gemeinsam mit GS1 und der deutschen Bundeslogistikvereinigung entwickelt hat. Steffen Passman, Solution Architect für Mobility, Transport und Logistics bei der T-Systems International, erklärt: „Der wesentliche Erfolgsfaktor ist natürlich, dass die Integration in die Geschäftsprozesse auf beiden Seiten – Sender und Empfänger – funktioniert. Und das macht es schwierig – denn die verschiedenen Teilnehmer arbeiten mit unterschiedlichen Systemen und man muss eben unterschiedliche Anschlusspunkte gewährleisten.“ Die Daten sollen also gleich in Programme zur Lagerverwaltung, Verrechnung und Ähnliches eingebunden werden können. Technisch wird dafür mithilfe von Open API eine standardisierte Schnittstelle bereitgestellt, die mit sehr vielen Systemen kompatibel ist. „Der Fahrer übernimmt den digitalen Lieferschein, indem er einen QR scannt – mit Smartphone oder Tablet – und dann dort noch eine Unterschrift leistet. Er wird dann im Browser geöffnet und kann auch zum Beispiel im Google- oder Apple-Wallet abgespeichert werden. So sind die Informationen auch offline verfügbar“, so Passmann. „Die Sendung kann außerdem online mitverfolgt werden – so bekommt der Versender sofort die Lieferrückmeldung, wenn die Güter angekommen sind und der Empfänger hat die Möglichkeit, seine Produktionsprozesse flexibel anzupassen.“ Gemeinsam mit dem österreichischen Unternehmen Yellowfox bietet T-Systems außerdem Softwaresysteme für Flottenmanagement an, erklärt Werner Kremer, Partner Manager bei Deutsche Telekom IoT. Dazu nutzt man das Internet of Things: „In den Fahrzeugen sind diverse Endgeräte verbaut, die mit einer Cloud-Lösung kommunizieren – in der Cloud werden die Daten, die von den Geräten ermittelt und gemessen werden, dann verknüpft und verarbeitet.“ Das reicht vom digital erfassten Führerschein über Temperaturkontrolle im Frachtraum bis hin zur Überprüfung von Arbeitszeiten und sogar Fahrstil: „Wenn ein Fahrer beispielsweise übermäßig oft bremst und dann wieder Gas gibt, dann ist der Verschleiß natürlich höher, es geht auf die Bremsen, auf die Reifen, kostet Sprit. Vielleicht sollte man diesen Fahrer dann zu einer Schulung einteilen. Einer der Vorteile von Yellowfox ist, dass damit sehr umfangreiche Reportings möglich sind.“ Auch Wartungsintervalle können im System erfasst werden, ebenso wie Auftragsmanagement und Tourennavigation darüber abgewickelt werden kann.

»Wir arbeiten nach dem Motto ,Best of Both Worlds‘ und achten auf die richtige Verknüpfung der physischen und der digitalen Welt. «

Wolfgang Brunner

Head of Corporate IT bei Gebrüder Weiss

In der Praxis: Gebrüder Weiss. „Wir haben Ende der 1990er-Jahre angefangen, uns mit dem Thema Automatisierung zu beschäftigen“, erinnert sich Wolfgang Brunner, Head of Corporate IT bei dem österreichischen Logistikunternehmen Gebrüder Weiss, zurück: „Vor rund 20 Jahren haben wir zum ersten Mal unsere Lkw-Fahrer mit Scannern ausgestattet, mit denen die Daten dann per SMS an unsere Systeme gesendet wurden. Damals hatte das noch den Nachteil, dass so eine SMS nur 160 Zeichen haben durfte.“ Jetzt sieht das ganz anders aus und ist wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie: „Heute beschäftigen wir uns unter dem Motto ,Best of Both Worlds‘ mit der richtigen Verknüpfung der physischen und der digitalen Welt. Denn die Basis wird natürlich immer die physische Dienstleistung, der Gütertransport sein.“ Das Ziel der digitalen Anwendungen sei es, dass sie den Nutzer unterstützen und ihm neue Lösungen anbieten. „Das nutzen wir zum einen zur Optimierung von Prozessen im Unternehmen und zum anderen, um die Zufriedenheit unserer Kunden zu erhöhen.“ Dabei sei klar: „Nichts, was an die Kunden rausgeht, passiert vollautomatisch, sondern es entscheidet immer ein Mensch.“ 

Künstliche Intelligenz unterstützt unter anderem die Arbeit im firmeneigenen Kundenportal: Wenn Kunden Fragen zu ihrer Sendung haben und über das Portal mit dem Team in Kontakt kommen, werden die Anfragen durch KI kategorisiert – sie liest die Kategorie aus dem Text heraus. Die Mitarbeiter bekommen automatisch Vorschläge für Rückmeldungen oder es werden konkrete Prozesse angestoßen – beispielsweise wird direkt der gewünschte Ablieferbeleg aus dem System gezogen. Gerade im Service wolle man aber nicht, dass die KI unautorisiert handelt, denn, so Brunner: „Da spielt der Faktor Mensch eine wichtige Rolle.“ Generell arbeitet man mit einem Ampel-System: „Steht ein Prozess auf Grün, ist kein Eingreifen notwendig. Schaltet das System auf Gelb, dann ist womöglich etwas Unvorhergesehenes passiert, das das Eingreifen eines Mitarbeiters nötig machen könnte. Das muss aber nicht immer sein – zeigt das System beispielsweise eine Verzögerung an, aber der Mitarbeiter sieht, dass zeitlich noch genug Puffer da ist, muss er nichts tun.“ Oft gehe es dabei um Kundenservice. Brunner schildert ein Beispiel: „Nehmen wir an, ein Kunde erwartet eine Sendung um zehn Uhr, die für seine Produktion wichtig ist – aber es gibt einen Stau und wir erkennen, das wird sich nicht ausgehen. Dann informieren wir den Kunden proaktiv, damit er möglicherweise mit seinen Produktionsprozessen anders planen kann.“ Steht die Ampel auf Rot, muss in jedem Fall ein Mitarbeiter eingreifen.

Transportstatus von Start bis Ziel

Gerade, wenn Güter über mehrere Transportmittel – etwa zunächst per Schiff, dann weiter auf der Schiene und schließlich mit dem Lkw – von A nach B gebracht werden, kann die Überwachung und Koordination komplex werden. Auch dafür gibt es Lösungen: „Mit unserer digitalen Lösung können wir diese Daten nicht nur einzeln pro Verkehrsträger abbilden, sondern im Gesamtüberblick. So ist der Transportstatus vom Start bis zum Ziel durchgängig verfügbar – inklusive aktuellen Informationen zu dem voraussichtlichen Zustellzeitpunkt, der für unsere Kunden schließlich besonders wichtig ist.“

Thomas Dworschak, Head of Digitization & Innovation am Flughafen Wien und CEO des Flughafens Košice 
Thomas Dworschak, Head of Digitization & Innovation am Flughafen Wien und CEO des Flughafens Košice beigestellt

In der Praxis: Flughafen Wien. „Wir hatten im letzten Jahr allein am Flughafen Wien über 200.000 Tonnen Fracht. Heruntergebrochen auf die einzelnen Sendungen sprechen wir da von Millionen“, erklärt Thomas Dworschak, Head of Digitization & Innovation am Flughafen Wien und CEO des Flughafens Košice in der Slowakei. „Auf dieser Ebene muss der Datenaustausch voll automatisiert sein, kein Mensch könnte das mehr ,per Hand‘ erledigen. Mitunter gibt es natürlich Sonderwünsche von Airlines oder Spediteuren, bei denen man eingreifen muss, aber der Standardfall geht schon fast automatisch.“

Lang, bevor ein Flugzeug auf der Piste aufsetzt, eilt ihm eine Vielzahl von Daten voraus, erzählt Dworschak: „Über den elektronischen Austausch werden die Waren vorangemeldet – wir wissen also im Normalfall, was mit dem Flugzeug geliefert wird, sodass die Kollegen auch wissen, welches Equipment für die Entladung notwendig ist. Wir haben ein großes Cargo-System, mit dem alle ein- und ausgehenden Sendungen abgewickelt werden.“ Wird die Ware am Flugzeug gescannt, geht es weiter zur Zollanmeldung: „Wir führen im Auftrag der Bundesrepublik das Zolllager, sind also dafür verantwortlich, dass Waren sauber verzollt werden. Dazu gibt es einen Datenverbund, eine elektronische Plattform, die immer wieder aktualisiert wird, mit der die Zollanmeldung elektronisch und unbürokratisch erfolgen kann. Dieses E-Zoll-System arbeitet sehr eng mit unserem Cargo-System zusammen, braucht aber auch andere Schnittstellen, weil alle Flugfrachtabfertiger auch ihre Waren einmelden können müssen.“ Über eine Schnittstelle können Waren eingemeldet und der Status der einzelnen Sendungen abgefragt werden. 

Zentrale Steuerung in der Luft

Auch der Flugverkehr an sich wird zentral gesteuert, in enger Abstimmung mit der Austro Control, so Dworschak: „Von der Flugaufsicht bekommt der Pilot die Anweisung, wie er anfliegen soll – und wir kommunizieren praktisch über die Austro Control, wo der Flieger dann am Boden hinmuss. Unser System und das der Flugaufsicht sind natürlich auch voll elektronisch vernetzt.“ Die so gesammelten Daten gehen außerdem nach Brüssel: „Eurocontrol versucht mit diesen Daten, den europäischen Luftraum zu simulieren – welcher Flug wird wann wo sein? In manchen Fällen muss dann der Start verzögert werden, weil jetzt schon klar ist, dass am Weg zum Zielflughafen zu viel los sein wird. London oder Paris beispielsweise sind regelmäßig so überlastest, dass Austro Control dann versucht, das abzufedern, indem in Wien gar nicht gestartet wird.“

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